Halbherzige Prävention Manager dürfen keinen Burnout bekommen

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Alkoholiker geben Tipps zum Entzug

10 Fragen zur Ermittlung des Handlungsbedarfs
1. Haben einige Ihrer Mitarbeiter mehrere Vorgesetzte? Arbeiten sie z. B. gleichzeitig in Projekten und im Tagesgeschäft? Quelle: dpa
2. Gibt es Abteilungen/Bereiche, in denen Mitarbeiter häufig krank sind? Quelle: dpa
3. Kommt es zu schwerwiegenden Fehlern, wenn Mitarbeiter im Urlaub sind? Quelle: dpa
4. Haben einige Ihrer Mitarbeiter mehrere Vorgesetzte? Arbeiten sie z.B. gleichzeitig in Projekten und im Tagesgeschäft? Quelle: dpa
5. Sind Sie häufig nach stundenlangen Besprechungen soweit wie am Anfang? Quelle: Fotolia
6. Arbeiten Ihre Mitarbeiter oft und/oder über einen längeren Zeitraum unter starkem Zeit- bzw. Leistungsdruck? Quelle: dpa
7. Gibt es Abteilungen, in denen „Feuerlösch-Aktivitäten“ überhand nehmen, z. B. durch ungeplante Aufgaben? Quelle: dpa

Trotz eindeutiger Hinweise im Fall des Schweizer Managers wurden sowohl in den dortigen als auch in hiesigen Medien keine Verbindung zu Burnout hergestellt. Burnout erhält anscheinend nur dann mediale Aufmerksamkeit, und nur dann, wenn sich prominente Personen offiziell dazu bekennen, wie dies die vielen Beispiele von Sportlern, Starköchen, Schauspielern und Musikern zeigen. Auf Indizien scheint sich wegen möglicher Fehldiagnosen niemand richtig einlassen zu wollen. Somit muss sowohl dem dafür erforderlichen Mut als auch den systembedingten Ursachen mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht werden.

Denn es drängt sich doch eine wichtige Frage auf: Können Führungskräfte ihrer Verantwortung gegenüber Mitarbeitern gerecht werden, wenn sie selbst unter psychischem Druck stehen? Die Fähigkeit psychische Überbeanspruchung zu erkennen und adäquates Handeln wird sicherlich davon beeinflusst. In der bereits zitierten DGFP Studie wird zwar auf die TOP 5 der Belastungsfaktoren (Erfolgsdruck, Zeitdruck, ständige Erreichbarkeit, Arbeitsverdichtung und fehlender Ausgleich in der Freizeit) hingewiesen, eine Auseinandersetzung damit, wie Führungskräfte trotz ihrer Belastung auch ihrer Verantwortung gerecht werden können, wurde hingegen nicht gefordert. Die wenig durchdachte Vorgehensweise hinterlässt bei vielen Mitarbeitern den Beigeschmack, als würden Alkoholiker Tipps für gute Entzugstherapien geben.

Selbsttest: Wie erschöpft sind Sie?

Im ersten Schritt wäre wichtig, das Vorhandensein von Drucksituationen im eigenen Unternehmen anzuerkennen. Nicht nur die Auswirkungen, sondern auch Einflussfaktoren und mögliche Ursachen, wie Organisationsstrukturen sind in Betracht zu ziehen. Die Einstellung, Führungskräfte als reine Erfüllungsgehilfen zu sehen und nicht als mögliche Betroffene, ist hier nicht dienlich. Auch im Widerspruch stehende Ziele wie Mitarbeiterabbau vs. Arbeitszeitverdichtung sind auf ihre druckverstärkenden Wirkungen zu überprüfen. Des Weiteren ist die internationale Arbeitsteilung, die über alle Zeitzonen hinweg rund um die Uhr ihren Tribut fordert, in die Betrachtung einzubeziehen. Es wird hierbei schnell deutlich, dass es keine alleinige Aufgabe des Gesundheitsmanagements oder der Personalabteilung sein kann, gegenzusteuern. Das ganze Unternehmen ist gefordert.

Auswertung

In Unternehmen kann die Art und Weise wie an das Thema Burnout herangegangen wird, allerdings bestehende Drucksituationen verstärken oder gar neue entstehen lassen. Nämlich dann, wenn zum Beispiel Führungskräfte verdonnert werden, Warnsignale bei ihren Mitarbeitern ja frühzeitig zu erkennen, geschürt von der Befürchtung sich sonst am medialen Pranger zu sehen. Ein Rückschluss ist sicherlich legitim: Mit jeder zusätzlichen oder sich verstärkenden Drucksituation kommt die Führungskraft ihrer individuellen Grenze der dauerhaft psychischen Überbeanspruchung näher.

Um hier vorbeugend wirken zu können, muss die Unternehmenskultur die Bedenken, Ängste, Hürden und systembedingten Drucksituationen der Führungskräfte berücksichtigen. Wie ist mit Fehldiagnosen von Mitarbeitern und Kollegen umzugehen, die nie auszuschließen sind? Was ist, wenn diese mit ihrer Annahme alleine dastehen, die festgestellten Indizien von anderen als harmlos interpretiert werden oder sie gebeten werden, sich lieber zunächst selbst zu prüfen, bevor sie auf andere zeigen? Was ist, wenn eine sechzigstündige Arbeitswoche keine sinnvolle Auseinandersetzung ermöglicht oder krank geschriebene Mitarbeiter aufgrund von Sparwellen nicht ersetzt werden dürfen? Wie sind Vorgesetzte bei ersten Anzeichen anzusprechen?

Viele halten die notwendige Diagnosefähigkeit der Führungskräfte für den falschen Ansatz und favorisieren eine externe Betreuung, statt sie mit psychiatrischen Störungsbildern zu belasten. In diesem Falle sei es lediglich die Aufgabe, Leistungsabfälle und -veränderungen festzustellen, die Mitarbeitern anzusprechen und, falls sich keine Fortschritte einstellen, auf die externe Beratung zu verweisen. Könnte dies auch für die Vorgesetzten der Führungskräfte zur Anwendung kommen?

Fakt ist: Die Tabuisierung von Drucksituationen offenbart eine fehlgeleitete Einstellung zur Möglichkeit des Scheiterns. Um dem Führungsmodell ja keine Angriffsflache zu bieten, scheint man sich von vorneherein darauf festgelegt zu haben, dass psychische Überbeanspruchung keine Option sei. Selbst an sich kleine Drucksituationen türmen sich somit (weil es sie per Definition nicht geben darf) zu massiven Drucksituationen beziehungsweise zu einer dauerhaft psychischen Überbelastung auf Führungskräfte sind nicht immun gegen Drucksituationen, sie sparen sie lediglich an. Wer dem keinen Raum gibt, scheitert an der Realität.

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