Trotz eindeutiger Hinweise im Fall des Schweizer Managers wurden sowohl in den dortigen als auch in hiesigen Medien keine Verbindung zu Burnout hergestellt. Burnout erhält anscheinend nur dann mediale Aufmerksamkeit, und nur dann, wenn sich prominente Personen offiziell dazu bekennen, wie dies die vielen Beispiele von Sportlern, Starköchen, Schauspielern und Musikern zeigen. Auf Indizien scheint sich wegen möglicher Fehldiagnosen niemand richtig einlassen zu wollen. Somit muss sowohl dem dafür erforderlichen Mut als auch den systembedingten Ursachen mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht werden.
Denn es drängt sich doch eine wichtige Frage auf: Können Führungskräfte ihrer Verantwortung gegenüber Mitarbeitern gerecht werden, wenn sie selbst unter psychischem Druck stehen? Die Fähigkeit psychische Überbeanspruchung zu erkennen und adäquates Handeln wird sicherlich davon beeinflusst. In der bereits zitierten DGFP Studie wird zwar auf die TOP 5 der Belastungsfaktoren (Erfolgsdruck, Zeitdruck, ständige Erreichbarkeit, Arbeitsverdichtung und fehlender Ausgleich in der Freizeit) hingewiesen, eine Auseinandersetzung damit, wie Führungskräfte trotz ihrer Belastung auch ihrer Verantwortung gerecht werden können, wurde hingegen nicht gefordert. Die wenig durchdachte Vorgehensweise hinterlässt bei vielen Mitarbeitern den Beigeschmack, als würden Alkoholiker Tipps für gute Entzugstherapien geben.
Selbsttest: Wie erschöpft sind Sie?
Summieren Sie die Anzahl der zutreffenden Aussagen
Ich komme an Arbeitstagen schwer aus dem Bett.
Abends bin ich meistens völlig erledigt.
Trotzdem grübele ich im Bett noch über die Arbeit nach...
...und kann schlecht schlafen.
Ich trinke abends oft Alkohol, um zu entspannen.
Morgens wache ich kaputt auf.
Ich werde tagsüber häufiger und schneller müde.
Am Wochenende oder im Urlaub erhole ich mich kaum noch.
Mein Job laugt mich aus.
Ich bin sehr ehrgeizig.
Zu Aufgaben kann ich selten Nein sagen...
...selbst wenn ich weiß, dass ich eigentlich schon zu viel zu tun habe.
Ich habe Angst, dass mein Chef mir eine Absage übel nehmen würde.
Deswegen arbeite ich mehr als meine Kollegen.
Auch am Wochenende gehe ins Büro oder arbeite von zu Hause.
Trotzdem weiß das niemand zu schätzen.
Meine Arbeit macht mir immer weniger Spaß.
Es ist anstrengend, mit Kollegen zusammenzuarbeiten.
Ich fühle mich im Job isoliert.
Anderen gegenüber bin ich gleichgültiger geworden.
Meine engsten Freunde sehe ich inzwischen selten.
Meine Familie findet, dass ich mich verändert habe.
Hobbys pflege ich kaum noch.
Ich befürchte, dass ich durch meinen Job abstumpfe.
Meine Arbeit frustriert mich.
Ich habe in meiner derzeitigen Position kaum etwas erreicht.
Emotionale Probleme im Job bringen mich aus der Ruhe.
Ich werde neuerdings schnell aggressiv.
Wenn mir etwas gelingt, kann ich mich kaum darüber freuen...
...Misserfolge sind mir ebenfalls egal.
Im ersten Schritt wäre wichtig, das Vorhandensein von Drucksituationen im eigenen Unternehmen anzuerkennen. Nicht nur die Auswirkungen, sondern auch Einflussfaktoren und mögliche Ursachen, wie Organisationsstrukturen sind in Betracht zu ziehen. Die Einstellung, Führungskräfte als reine Erfüllungsgehilfen zu sehen und nicht als mögliche Betroffene, ist hier nicht dienlich. Auch im Widerspruch stehende Ziele wie Mitarbeiterabbau vs. Arbeitszeitverdichtung sind auf ihre druckverstärkenden Wirkungen zu überprüfen. Des Weiteren ist die internationale Arbeitsteilung, die über alle Zeitzonen hinweg rund um die Uhr ihren Tribut fordert, in die Betrachtung einzubeziehen. Es wird hierbei schnell deutlich, dass es keine alleinige Aufgabe des Gesundheitsmanagements oder der Personalabteilung sein kann, gegenzusteuern. Das ganze Unternehmen ist gefordert.
Auswertung
Glückwunsch! Sie können sehr zufrieden sein, offenbar ist Ihr Job genau der richtige. Sie sind fast rundum ausgeglichen und glücklich. Ihr einziges (Luxus-)Problem: Es ist immer leichter, an die Spitze zu kommen, als dort zu bleiben. Gehen Sie also auch weiterhin achtsam und vorsichtig mit sich um.
Noch ist bei Ihnen alles einigermaßen im grünen Bereich. Womöglich haben Sie nur kurzfristig Stress, und der geht hoffentlich auch wieder vorbei. Schaffen Sie trotzdem mehr Ausgleich, egal, ob im Beruf oder Privatleben. Soll heißen: Gönnen Sie sich regelmäßige Pausen, treffen Sie sich mit Freunden, und schlafen Sie ausreichend. Auch leichter Sport hilft dabei, Stress abzubauen.
Das sind definitiv zu viele Zustimmungen. So banal es klingen mag, aber der erste Schritt ist der wichtigste: Sie dürfen Ihren Zustand nicht länger ignorieren oder verneinen. Akzeptieren Sie stattdessen, dass Sie der Burn-out-Spirale vermutlich nicht ohne fremde Hilfe entkommen. Suchen Sie also einen Arzt oder Psychiater auf. Wichtig: Diesen Schritt dürfen Sie nicht als Zeichen von Schwäche verstehen – sondern von Stärke.
In Unternehmen kann die Art und Weise wie an das Thema Burnout herangegangen wird, allerdings bestehende Drucksituationen verstärken oder gar neue entstehen lassen. Nämlich dann, wenn zum Beispiel Führungskräfte verdonnert werden, Warnsignale bei ihren Mitarbeitern ja frühzeitig zu erkennen, geschürt von der Befürchtung sich sonst am medialen Pranger zu sehen. Ein Rückschluss ist sicherlich legitim: Mit jeder zusätzlichen oder sich verstärkenden Drucksituation kommt die Führungskraft ihrer individuellen Grenze der dauerhaft psychischen Überbeanspruchung näher.
Um hier vorbeugend wirken zu können, muss die Unternehmenskultur die Bedenken, Ängste, Hürden und systembedingten Drucksituationen der Führungskräfte berücksichtigen. Wie ist mit Fehldiagnosen von Mitarbeitern und Kollegen umzugehen, die nie auszuschließen sind? Was ist, wenn diese mit ihrer Annahme alleine dastehen, die festgestellten Indizien von anderen als harmlos interpretiert werden oder sie gebeten werden, sich lieber zunächst selbst zu prüfen, bevor sie auf andere zeigen? Was ist, wenn eine sechzigstündige Arbeitswoche keine sinnvolle Auseinandersetzung ermöglicht oder krank geschriebene Mitarbeiter aufgrund von Sparwellen nicht ersetzt werden dürfen? Wie sind Vorgesetzte bei ersten Anzeichen anzusprechen?
Viele halten die notwendige Diagnosefähigkeit der Führungskräfte für den falschen Ansatz und favorisieren eine externe Betreuung, statt sie mit psychiatrischen Störungsbildern zu belasten. In diesem Falle sei es lediglich die Aufgabe, Leistungsabfälle und -veränderungen festzustellen, die Mitarbeitern anzusprechen und, falls sich keine Fortschritte einstellen, auf die externe Beratung zu verweisen. Könnte dies auch für die Vorgesetzten der Führungskräfte zur Anwendung kommen?
Fakt ist: Die Tabuisierung von Drucksituationen offenbart eine fehlgeleitete Einstellung zur Möglichkeit des Scheiterns. Um dem Führungsmodell ja keine Angriffsflache zu bieten, scheint man sich von vorneherein darauf festgelegt zu haben, dass psychische Überbeanspruchung keine Option sei. Selbst an sich kleine Drucksituationen türmen sich somit (weil es sie per Definition nicht geben darf) zu massiven Drucksituationen beziehungsweise zu einer dauerhaft psychischen Überbelastung auf Führungskräfte sind nicht immun gegen Drucksituationen, sie sparen sie lediglich an. Wer dem keinen Raum gibt, scheitert an der Realität.