Auch so mancher hochrangige Gewerkschaftsboss bewegt mehr, als sein Auftritt bei Tarifverhandlungen es vermuten lässt. Michael Vassiliadis von der IG Bergbau Chemie Energie sitzt nicht nur als Arbeitnehmervertreter in Konzernen wie BASF, Henkel und beim Düngemittelproduzenten K+S im Aufsichtsrat. Er bestimmt auch über die Zukunft von Evonik mit, indem er im Kuratorium der RAG-Stiftung wirkt. Die besitzt rund 75 Prozent des Essener Chemiekonzerns und soll mit dessen Vermögen die Spätfolgen des deutschen Steinkohlebergbaus begleichen.
Auch Wissenschaftler haben es in die verschwiegenen Zirkel geschafft, deren Mitglieder ihre Macht hinter den Kulissen zelebrieren. So kontrolliert die BWL-Professorin und ehemalige McKinsey-Beraterin, Ann-Kristin Achleitner, neben ihrem Job an der Technischen Universität München gleich zwei Dax-Konzerne mit: den Münchner Industriegase-Hersteller Linde und den Handelskonzern Metro. Ihr Gatte ist Paul Achleitner, der künftige Oberaufseher der Deutschen Bank. Die beiden gelten als Power-Paar der deutschen Wirtschaft.
Die Mächtigen der Wirtschaft
In einer siebenteiligen Serie wird sich die WirtschaftsWoche den heimlichen Herrschern der deutschen Wirtschaft widmen und schildern, wer hinter wem steht und wer Strategien und Karrieren bewegt.
Noch vor wenigen Jahren war es mit der Heimlichkeit der Herrschenden nicht weit her. Die Mächtigen in der Wirtschaft bekannten sich vielmehr offen zu ihrem Einfluss und bildeten einen allseits bekannten Kreis herausragender Manager und Unternehmer, für den das Wort von der Deutschland AG stand. In deren Mittelpunkt agierten vor allem die Chefs der großen deutschen Finanzinstitute, insbesondere der Deutschen Bank und der Allianz-Versicherung, die über ihre großen Industriebeteiligungen die Kernbereiche der deutschen Industrie mehr oder weniger mitregierten.
Deutsch-Banker wie Hermann Josef Abs, der es zu seiner Glanzzeit auf 20 Aufsichtsratsmandate brachte, Alfred Herrhausen und Hilmar Kopper, aber auch Allianz-Vorsteher wie Henning Schulte-Noelle prägten über Jahrzehnte diese Machtelite. Dadurch bildeten sie gleichzeitig einen Beistandspakt und schreckten Ausländer vor Übernahmen deutscher Konzerne ab.