Im Sommer 2014 hat die Unternehmensberatung Staufe deutschen Industrieunternehmen für ihren "Deutschen Industrie 4.0 Index" auf den Zahn gefühlt. 140 Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau, der Elektro- und der Automobilindustrie sollten sich selbst einschätzen, wie gut sie auf die vernetzte, digitale Zukunft eingestellt sind.
Das Ergebnis der ersten Befragung: volle Zufriedenheit und ein großes Selbstbewusstsein. Die deutschen Unternehmen hielten sich für die Digitalisierungsweltmeister. Nur Japan und die USA seien zumindest annähernd gleichwertig.
"Bei den Gesprächen in den Werkshallen und Konstruktionsbüros unserer deutschen Kunden ist das Selbstbewusstsein, sich beim Thema Industrie 4.0 nicht verstecken zu müssen, ganz deutlich zu spüren", sagte damals Thomas Rohrbach, Business Unit Leiter der Unternehmensberatung Staufen AG. "Allerdings haben bisher nur relativ wenige Pionierunternehmen dieses Zutrauen in die eigene Stärke schon in operative Projekte umgesetzt." Zwar war man begeistert von den Möglichkeiten, nur getan hat kaum jemand etwas.
2015 ist der Motor angesprungen
Ein Jahr später zeigte die Nachfolge-Studie, dass etwas in Bewegung kam. Die deutschen Industrieunternehmen initiierten Projekte und vollzogen Schritte hin zur Smart Factory. Gerade beim Lean Management habe sich einiges getan, hieß es. Überdurchschnittlich viele Betriebe verschlankten ihre Prozesse und straften ihre Organisation.
Stufen der industriellen Entwicklung
Die erste industrielle Revolution datiert man auf das Ende des 18. Jahrhunderts. Gekennzeichnet war sie durch die Einführung mechanischer Produktionsanlagen, die durch Wasser- und Dampfkraft angetrieben wurden. In dieser Zeit wurde auch der erste mechanische Webstuhl entwickelt.
Quelle: Deutsche Bank Research Industrie 4.0 - Upgrade des Industriestandorts Deutschland steht bevor, Stand: Februar 2014
Die Erfindung erster Fließbänder in Schlachthöfen in den USA ist Symptom der zweiten industriellen Revolution. Die Verfügbarkeit elektrischer Energie für Produktionszwecke bedingte ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Einführung arbeitsteiliger Massenproduktion.
In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts automatisierte sich die Produktion weiter. Von diesem Zeitraum an wurde nicht mehr nur Arbeitsteilung betrieben, sondern ganze Arbeitsschritte wurden von Maschinen übernommen. Die Grundlage für diese Entwicklung war der Einsatz von Elektronik und IT.
Die Industrie 4.0 soll die vierte industrielle Revolution werden. In der "intelligenten Fabrik" sollen Menschen, Maschinen und Ressourcen miteinander kommunizieren. Das jeweilige Produkt soll, gefüttert mit Informationen über sich selbst, seinen eigenen Fertigungsprozess optimieren können.
Außerdem hatte sich der Anteil der Unternehmen, die bereits umfassend oder in Einzelprojekten ihren Wertstrom vernetzen, mit 35 Prozent gegenüber der Vorjahresbefragung mehr als verdoppelt. Allerdings: Viele Mitarbeiter und Führungskräfte drohten nach dem Zwischenspurt den Anschluss an diese dynamische Entwicklung zu verlieren.
2016 hinken Dreiviertel der Führungskräfte hinterher
Und daran hat sich leider 2016 nichts geändert, wie der aktuelle "Deutsche Industrie 4.0 Index" zeigt. Viele Unternehmen zögern, sich auf die Wirtschaft der Zukunft einzustellen. Nahezu acht von zehn deutschen Industriebetrieben räumen ein, die Qualifizierung ihrer Führungskräfte hinke der Entwicklung in Sachen Industrie 4.0 hinterher.
Die Folgen von Industrie 4.0 für die Branchen in Deutschland bis 2025
Anteil am Umsatz des verarbeitenden Gewerbes (Bruttoproduktionswert): 13 %
Zusätzliches Umsatzwachstum pro Jahr: 2-5 %
Produktivitätssteigerungen: 7-11 %
Zahl der Arbeitsplätze: 95.000
Jährlicher Zuwachs an Arbeitsplätzen: + 0,9 %
Quelle: Boston Consulting Group
Anteil am Umsatz des verarbeitenden Gewerbes (Bruttoproduktionswert): 22 %
Zusätzliches Umsatzwachstum pro Jahr: 2-3 %
Produktivitätssteigerungen: 6-9 %
Zahl der Arbeitsplätze: 50.000
Jährlicher Zuwachs an Arbeitsplätzen: + 0,2 %
Quelle: Boston Consulting Group
Anteil am Umsatz des verarbeitenden Gewerbes (Bruttoproduktionswert): 10 %
Zusätzliches Umsatzwachstum pro Jahr: 2-3 %
Produktivitätssteigerungen: 5-10 %
Zahl der Arbeitsplätze: 15.000
Jährlicher Zuwachs an Arbeitsplätzen: + 0,8 %
Quelle: Boston Consulting Group
Anteil am Umsatz des verarbeitenden Gewerbes (Bruttoproduktionswert): 55 %
Zusätzliches Umsatzwachstum pro Jahr: 1-2 %
Produktivitätssteigerungen: 4-7 %
Zahl der Arbeitsplätze: 230.000
Jährlicher Zuwachs an Arbeitsplätzen: + 0,6 %
Quelle: Boston Consulting Group
Umsatz des verarbeitenden Gewerbes (Bruttoproduktionswert): 2 Billiarden Euro
Zusätzliches Umsatzwachstum pro Jahr: 20-40 Milliarden Euro
Produktivitätssteigerungen: 90-150 Milliarden Euro
Quelle: Boston Consulting Group
Zudem hat mindestens jede zweite Firma noch nicht damit begonnen, ihr Unternehmensleitbild und die Führungsrichtlinien mit Blick auf die künftigen Anforderungen anzupassen.
"Jeder Betrieb braucht einen Verantwortlichen für das Thema Industrie 4.0 im Sinne eines Chief Digital Officer", sagt Martin Haas, Vorstand der Staufen AG. "Doch es geht nicht nur um technisches Wissen. Mindestens ebenso wichtig ist das entsprechende Führungs-Know-how. Die Spitzenkräfte müssen sich damit beschäftigen, wie sie die Bereitschaft zum digitalen Wandel in den Köpfen ihrer Mitarbeiter verankern können."
Und hier hapert es bislang in den Betrieben, zeigt die Studie. So räumen 77 Prozent der Befragten ein, ihre Manager seien nicht ausreichend für Industrie 4.0 qualifiziert. Zudem hat die Mehrzahl der Firmen die Auswahl und Entwicklung ihrer Spitzenkräfte bisher nicht auf die intelligente Fabrik abgestimmt.
"Es ist höchste Zeit, dies zu tun, denn das Unternehmen der Zukunft wird gekennzeichnet sein von dezentralen Entscheidungen", sagt Staufen-Vorstand Haas. Die Grundlage dafür liefere das Shopfloor Management, das sich in immer mehr deutschen Unternehmen durchsetze. Hier agieren die Manager konsequent in den Fabriken, statt fernab der Produktion an ihren Schreibtischen zu arbeiten.
"Dabei geht es schwerpunktmäßig um einen nachhaltigen Wandel des Führungsverhaltens auf allen Ebenen - weg vom klassischen Chef und hin zum Mentor und Coach der Mitarbeiter", erläutert Haas. Und das funktioniere nur, wenn der Manager sowohl fachlich, als auch beim Thema vernetzte Industrie auf der Höhe sind.