Im Sport sind Interim Manager völlig normal: Wenn der alte Trainer gegangen wird und noch kein neuer in Sicht ist, springt ein anderer ein, bis die endgültige Lösung gefunden ist. Interim Trainer kommen wie die Feuerwehr immer dann, wenn es brennt.
In der Wirtschaft verändert sich das Aufgabenbild von Interim Managern dagegen langsam: Vom Retter in der Not werden die Manager auf Zeit immer mehr zu Impulsgebern und Unternehmensveränderern, wie Wolfgang Doerfler sagt. Er ist Partner bei der Management-Beratung EIM Executive Interim Management und vermittelt Interim Manager an Unternehmen. „Interim Manager sind für Unternehmen eine Möglichkeit, sich Know How einzukaufen“, sagt er und erzählt von einem kleinen Unternehmen mit einer chaotischen Logistik, die ein Top-Manager mit Erfahrung in internationalen Konzernen wieder in Ordnung brachte. „So jemanden einzustellen, hätte sich das Unternehmen nie leisten können.“
Serviceexperte für einen Photovoltaikhersteller
Interim Manager bringen außerdem Wissen mit, das im eigenen Unternehmen vielleicht gar nicht vorhanden ist, weil der Fokus auf der Produktion liegt. Doerfler: „Ein Hersteller von Photovoltaikanagen beispielsweise hat seinen Servicebereich eher stiefmütterlich behandelt, so dass der mehr gekostet als eingebracht hat. Den hat ein Interim Manager binnen sechs Monaten entwickelt und profitabel gemacht.“
Bei der Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e. V. (DDIM) ging man schon zu Beginn des Jahres davon aus, dass die Digitalisierung den mehr als 7500 Interim Managern in Deutschland auch in Zukunft volle Auftragsbücher beschert. Denn für die Betriebe hat der Interimer einen entscheidenden Vorteil:
Nach spätestens zwölf Monaten verlässt er das Unternehmen – und die Lohnliste – wieder. Man muss sich also nicht damit auseinandersetzen, was der CDO tun soll, wenn die Strukturen agil genug sind, um auch in Zukunft auf Veränderungen zu reagieren.
Fakten zu Interim Managern
Die Tätigkeit als Interim Manager ist für eine Vielzahl von Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Fachkompetenzen attraktiv. Die Laufbahn eines typischen Interim Managers
beginnt häufig mit einer erfolgreichen Karriere, die berufliche Fortschritte, erbrachte Leistungen sowie messbare Resultate aufweist. Deshalb verfügen Interim Manager typischerweise über einen umfangreiche Berufserfahrung. 57 Prozent der Befragten sind seit mehr als fünf Jahren als Interim Manager tätig.
Quelle: Interim Management Report 2017 von Executives Online (EO), die sich auf die Vermittlung von Führungskräften und Interim Managern spezialisiert haben. Die Studie basiert auf den Aussagen von 2400 Interim Managern weltweit.
Interim Manager erhalten weiterhin den Großteil ihrer Interim-Aufträge über das eigene Netzwerk (63 Prozent). Über Vermittler wie EO kommen 37 Prozent der Aufträge zustande.
Der durchschnittliche Tagessatz der befragten Manager ist deutschlandweit von 927 Euro im Jahr 2014 auf 949 Euro gestiegen.
Die Nachfrage bleibt stabil. 43 Prozent der Befragten gaben an, genauso viele Aufträge zu haben, wie noch vor zwei Jahren.
Interim Manager arbeiten weniger mit kleinen und mittelständischen Unternehmen und immer häufiger mit größeren Betrieben zusammen.
Interim Manager werden weiterhin vorrangig für das Change Management beauftragt (32 Prozent). Krisenmanagement (13 Prozent) und temporärer Fachkräftemangel (13 Prozent) sind weitere wichtige Gründe für ein Mandat.
67 Prozent der Interim Manager waren 2016 für sechs Monate oder länger bei einem Auftraggeber im Unternehmen. 2014 waren 65 Prozent mindestens sechs Monate gebunden. Allerdings ist eine leichte Verschiebung bzgl. der Länge der Mandate im Vergleich zu 2014 zu verzeichnen: 2014 war die durchschnittliche Dauer der Mandate über alle Bereiche hinweg gleichmäßig verteilt. 2016 gibt es dagegen nun einen Anstieg der „mittelfristigen“ Mandate mit einer Dauer von 3 bis 12 Monaten.
Die Herausforderung für den Interimer: Er muss in sehr kurzer Zeit ein fremdes Unternehmen oder ein einzelnes Team fit machen. Und zwar dauerhaft. Schließlich muss es auch nach seinem Weggang laufen. Damit das klappt, muss man schon eine ganz bestimmte Sorte Mensch sein.
Das Persönlichkeitsprofil des Interim Managers
Der Interim Manager an sich unterscheidet sich in seinen Persönlichkeitsmerkmalen signifikant vom klassischen Linienmanager, wie Norbert Bach, Leiter des Fachgebiets Unternehmensführung und Organisation an der Technische Universität Ilmenau und Andreas Pauli von der Justus-Liebig-Universität Gießen herausgefunden haben. Sie haben die Persönlichkeitsprofile von 60 Interim Managern und 164 Linienmanagern erstellt und miteinander verglichen.
Ihr Ergebnis: Interim Manager sind (im Mittel) signifikant offener für Erfahrungen als Linienmanager.
Sie sind deutlich seltener neurotisch, als gewöhnliche Manager, dafür sind sie gewissenhafter, extrovertierter und weniger harmoniebedürftig. Und sie sind deutlich eher bereit, für ihre eigenen Interessen zu kämpfen, Sachverhalte kritisch zu hinterfragen. Außerdem sind sie skeptischer als Linienmanager. Wer sich zum Beruf gemacht hat, von Unternehmen zu Unternehmen zu ziehen und dort Probleme zu lösen, indem er tradierte Muster aufbricht, muss allerdings auch genauso sein. Wer es jedem Recht machen will, macht seinen Job falsch. Was allerdings nicht heißt, dass die Manager auf Zeit mit der Brechstange agieren können, wie Doerfler sagt: „Nur weil der nach sechs Monaten wieder weg ist, darf er sich nicht verhalten, wie die Axt im Walde.“
Laut dem Interim Management Report 2017 von Executives Online (EO), müssen Interim Manager deshalb vor allem eines sein: erfahren. EO hat sich auf die Vermittlung von Führungskräften und Interim Managern spezialisiert und mehr als 2400 Interim Managern weltweit zu ihrer Rolle und den Herausforderungen ihres Berufes befragt. Die Befragten kommen in der Regel von gehobenen Führungspositionen und haben mitunter schon erfolgreich ihre eigenen Unternehmen geführt. Ein großer Erfahrungsschatz, fachspezifische Kompetenzen sowie die Fähigkeit, Mitarbeiter schnell für sich und das neue Projekt zu gewinnen, sind laut den Befragten wichtige Eigenschaften eines Interimers.
Auch Doerfler zufolge sind die persönlichen Kompetenzen noch wichtiger als das fachliche Wissen. „Ein Interim Manager muss sich sehr, sehr schnell einarbeiten und das Vertrauen aller Stakeholder erwerben. Wenn ein angestellter Manager 100 Tage dafür Zeit hat, hat der Interim Manager vielleicht 100 Stunden“, sagt er. „Ohne ausgezeichnete Kommunikationsfähigkeiten funktioniert das nicht.“
Außerdem dürfe sich beispielsweise ein Interim Finanzvorstand auch nicht zu fein sein, selbst Buchungssätze einzugeben. Doerfler: „Der Interim Manager wird geholt, um Projekte und Strategien auch umzusetzen, entsprechend braucht er eine ausgeprägte Hands on-Mentalität.“ Seiner Erfahrung nach machen die Unternehmen ihre Entscheidung für oder gegen einen Kandidaten jedoch davon abhängig, ob der oder die neue zum Unternehmen passt. Schließlich fehlt für eine Eingewöhnung die Zeit.
Fehler, die Unternehmen machen
Damit ein Interim Manager erfolgreich sein kann, darf der Fokus aber nicht nur auf dem Kandidaten liegen. Auch das Unternehmen muss offen sein für das, was der Externe an Ideen mitbringt. Und ihm dürfen keine Steine in den Weg gelegt werden, was offenbar noch nicht überall selbstverständlich ist. So zeigt die Befragung von EO, dass viele Unternehmen ihre Externen nicht aussagekräftig briefen, so dass diese den Kern der zu besetzenden Position nicht erfassen können.
Anders ausgedrückt: Was die Unternehmen in Auftrag geben, ist gar nicht das, was der Interimer eigentlich tun soll. Andere sagten, dass Mitarbeiter und Manager, die Interimer als überbezahlt und unnötig einschätzen und um ihren eigenen Job fürchten, zu den größten Herausforderungen ihres Berufes gehören. Und in Frankreich scheinen besonders viele Unternehmen das Interim Management als eine Variante der Festanstellung zu missverstehen.
Intransparente Informationen
Auch bei der Verfügbarkeit der vorhandenen Informationen könnte es manchmal besser laufen, wie Daniel Fallmann, Gründer und Geschäftsführer des Big Data-Spezialisten Mindbreeze, weiß. Sein Unternehmen hat sich auf Enterprise Search spezialisiert und stellt so unter anderem Interim Managern die im Unternehmen vorhandenen Daten zur Verfügung. „Interim Manager haben schon qua Jobbeschreibung spannende und oft nicht einfache Herausforderungen“, sagt er. Wer sich dann noch die für sein Projekt nötigen Informationen aus E-Mail-Korrespondenzen, Word-, Excel- oder PowerPoint-Dateien, Clouds und Aktenordnern zusammen suchen muss, wird in der Zeit seines Mandats alles, nur nicht mit der Arbeit fertig.
„Das initiale Thema der Interim Manager ist Wissensarbeit, deswegen ist das explorative Navigieren in den Daten des Unternehmens so wichtig“, sagt er. Seine Kunden seien vor allem faktenorientierte Manager, die ihre Entscheidungen datenbasiert treffen müssen, weil sie sich nicht auf ihr Bauchgefühl verlassen können und wollen. „Nur mit dem Bauchgefühl alleine ist man in einem Unternehmen fehl am Platze. Da die Einsätze dieser Manager zeitlich enorm begrenzt sind, bleibt keine Zeit, beispielsweise 20 Terabyte Daten manuell zu analysieren“, sagt er. Wer einen Interimer an Board holt, muss also die für ihn notwendigen Informationen transparent machen.
Und: Unternehmen müssen sich bewusst machen, dass ein Interim Manager nicht billig ist. Die von der DDIM befragten Interim Manager rechneten für dieses Jahr mit Tagessätzen zwischen 1000 und 1300 Euro, die von EO befragten Manager verdienen im Mittel 949 Euro am Tag. Die Tagessätze variieren im Interim Management allgemein sehr stark und sind von vielen Faktoren wie Aufgabenstellung, Funktion, Einsatzdauer und Unternehmensgröße sowie vielen weiteren abhängig, wie es bei der DDIM heißt. In schwierigen Mandaten werden auch Honorare von 2500 Euro und mehr pro Tag gezahlt.
Geld ist immer Thema
Den Erfahrungen der von EO Befragten zufolge gehören regelmäßige Diskussionen, ob diese Preise angemessen sind, allerdings zum Alltag. Natürlich seien die Sätze für sich genommen eine Hausnummer, wie Doerfler einräumt. Dem gegenüber stünden aber immer sehr konkrete erzielte Ergebnisse. „Kein Unternehmer trennt sich gerne von Geld, aber ich kenne zig Beispiele wie das Photovoltaikunternehmen, wo sich die Kosten sehr schnell amortisiert haben“, sagt er. Und auf Senior Level-Ebene sei ein Interim Manager nicht viel teurer, als ein festangestellter Manager. „Dafür ist das Unternehmen deutlich flexibler.“