Interview mit Arbeitsrechtler E-Mails dürfen nicht einfach gelöscht werden

Wenn sie es IT-Leuten überlassen, zu entscheiden, welche Mails wann gelöscht werden, riskieren sie Schadenersatzforderungen der eigenen Mitarbeiter und hohe Kartellstrafen. Interview mit Arbeitsrechtler Boris Dzida, Partner bei der Kanzlei Freshfields.

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Wann sich Top-Manager frei fühlen
Klaus Engel, Vorstandsvorsitzender der Evonik:"Als im Terminkalender für das neue Jahr noch kein einziger Termin stand." Quelle: dpa
Peter Bauer, Aufsichtsratschef Osram:"Vieles, was mir meine Disziplin zuvor verboten hatte: mitten in der Woche auf einen Berg zu gehen oder die kompletten Sommerferien mit der Familie zu verbringen, ohne dauernd erreichbar sein zu müssen." Quelle: dpa
Thomas Hegel, Vorstandsvorsitzender der LEG Immobilien AG:"Bei einem Strandspaziergang an der Nordsee in einem der letzten Strandkörbe an der Seite meiner Frau einfach mal so einschlafen zu können." Quelle: dpa
Stefan Hartung, Geschäftsführer Robert Bosch:"Als ich das erste Mal eine Cessna C150 allein gesteuert habe." Quelle: PR
Eun-Kyung Park, Geschäftsführerin Sixx:"Ein spontaner Kanu-Urlaub im kanadischen Nationalpark fernab der Zivilisation mit meinem Mann und guten Freunden mitten im Indian Summer. Paddeln, Zeltauf- und -abbau, Feuerholz sammeln und eine Begegnung mit einem Braunbären – glücklicherweise saßen wir gerade im Kanu." Quelle: PR
Stephan Zoll, Geschäftsführer Ebay Deutschland:"Ich war 15 Jahre alt und saß an einem Mittwochvormittag im Flieger nach San Francisco. Es war der Start zu meinem Schuljahr in den USA – ohne Eltern, in eine aufregende Stadt." Quelle: dpa
Rüdiger Grube, Chef der Deutschen Bahn:"Ich musste mir den Zugang zur Hochschule erst mühsam über den zweiten Bildungsweg erarbeiten. Als ich dann 1972 endlich das Studium des Fahrzeug- und Flugzeugbaus an der FH in Hamburg aufnehmen konnte, hatte ich das Gefühl: Jetzt stehen dir alle Türen offen!" Quelle: dpa

Herr Dzida, IT-Fachleute raten Arbeitnehmern ernsthaft, ihrer Überforderung durch viele Mails Herr zu werden, indem man sie am besten kurzerhand löscht. Würden Sie beipflichten oder welches Risiko geht derjenige ein, der solchem Tipp folgt?

Dzida: Arbeitnehmer, die dienstliche Mails einfach ungelesen löschen, riskieren im schlimmsten Fall eine fristlose Kündigung. Stellen Sie sich vor, beim Vertriebsleiter geht per E-Mail ein Großauftrag ein, der nur innerhalb weniger Tage angenommen werden kann. Wenn der Vertriebsleiter die Mail ungelesen löscht und der Auftrag geht an die Konkurrenz, dann ist das ein fristloser Kündigungsgrund. Die tägliche Mail-Flut aber einfach mit der Delete-Taste zu lösen klingt einfach, ist brandgefährlich.

Arbeitsrechtler Boris Dzida, Partner bei der Kanzlei Freshfields. Quelle: Presse


Und wer keine Aufträge bekommt und vielleicht im Sekretariat, als Sachbearbeiter oder Abteilungsleiter Marketing arbeitet. Welche Risiken haben die?
Dzida: Auch bei anderen Arbeitnehmern kann es eine Pflichtverletzung sein, dienstliche Mails ungelesen zu löschen. Allerdings darf der Arbeitgeber ihn deshalb nicht automatisch fristlos kündigen, sondern muss erst abmahnen. Denn es kommt auch darauf an, ob tatsächlich `etwas passiert`. Angenommen, der Chef ist auf Reisen und mailt der Sekretärin, dass sie ihn auf einen früheren Rückflug buchen soll. Wenn sie das einfach löscht, kann man sie abmahnen. Es gibt aber auch viele dienstliche Mails, die so belanglos sind, dass noch nicht mal abgemahnt werden kann. Wer aber beispielsweise nach dem Urlaub einfach alles löscht, was während des Urlaubs so eingegangen ist, fährt ein hohes Risiko, dass eben doch etwas Wichtiges dabei ist.

Was ist mit dem umgekehrten Fall: Dürfen Arbeitgeber rigoros alle Mails, die sich auf Accounts der Angestellten befinden, löschen? Ohne einzelne Vorwarnung?
Dzida: Damit kann sich der Arbeitgeber schadensersatzpflichtig machen. Wenn der Arbeitnehmer das dienstliche Mail-System auch privat nutzen durfte, dann darf der Arbeitgeber das Account nicht einfach löschen, zum Beispiel nach einer Kündigung. Denn es kann ja sein, dass der Arbeitnehmer auf diesem Account private Mails hat, die er noch braucht. Deshalb hat das Oberlandesgericht Dresden es für möglich gehalten, dass ein freier Mitarbeiter Schadensersatz beanspruchen kann, wenn sein Account am letzten Arbeitstag sofort gelöscht wird. Das Gericht entschied: Bei erlaubter Privatnutzung darf ein dienstliches Account solange nicht gelöscht werden, bis feststeht, dass der Mitarbeiter für seine privaten Daten keine Verwendung mehr hat.

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