Jochen Zeitz "Kein Blatt vor den Mund"

Der frühere Puma-Chef und jetzige Vorstand des Pariser Luxuskonzerns PPR über kulturelle Klischees, den französischen Managementstil und Projekte, die man beim Essen bespricht.

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Jochen Zeitz (r), noch als Puma-Chef und der Chef des französischen Luxusgüterkonzerns PPR, François-Henri Pinault, im April 2007. Mittlerweile hat PPR Puma übernommen. Zeitz ist Mitglied im Vorstand des Konzerns. Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Herr Zeitz, Puma hatte in den vergangenen 20 Jahren diverse internationale Mehrheitseigner: die schwedische Beteiligungsfirma Proventus, das US-Medienunternehmen New Regency, den deutschen Tchibo-Erben Herz und seit 2007 PPR aus Frankreich. Wie unterscheiden sich Franzosen von anderen Investoren?

Zeitz: Ich schätze die verschiedenen Kulturen, schaue aber grundsätzlich weniger auf kulturelle Klischees als auf den Menschen, der dahintersteht. Dennoch gab es natürlich Unterschiede: Die Schweden waren in ihrem Ansatz sehr pragmatisch, als sie mich mit nicht einmal 30 Jahren in die damalige Position als Vorstandschef von Puma gebracht haben. Das US-Unternehmen Regency hat uns mit seinem Verständnis für Marken und Medien geholfen, den amerikanischen Markt aufzubauen, und wichtige Kontakte etwa in der Filmbranche ermöglicht. Und bei PPR ist Puma nun in einen starken Konzern integriert, der sich selbst gerade deutlich verändert, mit klarem Fokus auf Sport, Lifestyle und Fashion.

Wie hätte sich Puma unter einem amerikanischen Eigentümer entwickelt?

Es ist das Management der Marke, das für den Erfolg sorgt und nicht allein der Anteilseigner. Letztlich ist es egal, wo der Eigner herkommt, wenn die Chemie stimmt und hinsichtlich der langfristigen Ausrichtung und Strategie generell Übereinstimmung herrscht. Das Management kennt, lebt und führt die Marke. Und das wird von PPR auch so gewährleistet. Insofern hatte Puma in seiner Unternehmensentwicklung bisher immer den richtigen Anteilseigner zum richtigen Zeitpunkt. Heute hilft PPR Puma mit seinem Know-how und denkt sehr langfristig, das kommt der Marke sehr zugute. Daher ist PPR der ideale Partner.

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Franzosen wird in Deutschland gern nachgesagt, mit elitärem Dünkel zu agieren – sind Sie darauf auch gestoßen?

Nein, diese Vorurteile kann ich nicht bestätigen. Es stimmt, dass es damals kritische Stimmen gab, wonach die Zusammenarbeit zwischen Puma und PPR sicher nicht gut gehen werde, weil die Mentalitäten so unterschiedlich seien und die Franzosen Puma angeblich dominieren wollten. Nichts davon kam zum Tragen, kein Chauvinismus, keine Arroganz. Das hatte ich auch nie erwartet, da ich PPR-Eigner François-Henri Pinault schon vorher kannte. Unsere Zusammenarbeit ist geprägt von gegenseitigem Respekt, Offenheit und einer positiven Grundeinstellung.

Das müssen Sie ja sagen...

Nehmen Sie nur unsere vier Schlüsselwerte: fair, ehrlich, positiv, kreativ. PPR hat diese Werte als Leitbild für die gesamte Gruppe übernommen und profitiert natürlich auch von Pumas Know-how und Erfahrung im Bereich Nachhaltigkeit. Es war zu keinem Zeitpunkt so, dass PPR sagte: Wir können es besser. Stattdessen gibt es bei PPR eine große Offenheit gegenüber Ideen, die aus allen internationalen Bereichen des Konzerns eingebracht werden, um sie im Konzern zu multiplizieren.

Also ist inzwischen alles global glatt- gebürstet, auch die Managementstile?

Da gibt es schon noch Unterschiede zwischen dem französischen, dem deutschen und dem angelsächsischen Stil. Der angelsächsische Stil ist stark geprägt durch Arbeit im Team. Man arbeitet gern in Gruppen, um gemeinsam Lösungen herbeizuführen. Er findet Ausdruck in Workshops und ficht auch unterschiedliche Ansätze gern aus. In Frankreich findet das öfter in Einzelgesprächen statt.

PPR im Umbruch

Jochen Zeitz mit dem 100-Meter-Goldmedaillen-Gewinner der Olympischen Spiele von Peking 2008 (und London 2012), Usain Bolt. Quelle: REUTERS

Wie bringt PPR diese unterschiedlichen Managementkulturen unter einen Hut?

PPR hat sich in den vergangenen Jahren sehr stark geöffnet. Wir pflegen eine internationale Unternehmenskultur, die sich aus den unterschiedlichen kulturellen Hintergründen und Herangehensweisen der verschiedenen Marken ergibt. Hier kommen viele unterschiedliche Kulturen zusammen, Franzosen, Italiener, Deutsche, Amerikaner. Deshalb gibt es Diversifikationsprogramme in der Personalentwicklung, die die unterschiedlichen Managementstile auch benennen, damit sich alle dieser Vielfalt im Konzern bewusst sind. Keiner begreift seinen Weg als den einzig richtigen, auch die Franzosen nicht.

Mittlerweile gibt es sogar eine Pressesprecherin, die Englisch spricht...

PPR steckt in einem Umbruch, definiert sich immer stärker als global tätiges Unternehmen, ohne seine französischen Wurzeln zu vergessen.

Man kennt Sie in Deutschland als Freund offener Worte – kommen Ihre Kollegen damit klar?

Ich denke schon. Auch bei PPR bin ich natürlich bekannt dafür, dass ich Dinge offen und direkt anspreche. Ich nehme kein Blatt vor den Mund und rede nicht gern um den heißen Brei herum. Ein anderer drückt die gleiche Botschaft womöglich etwas ausschweifender aus, aber am Ende zählt natürlich das Ergebnis.

Oder der Rotwein, der schon mittags um ein Uhr auf den Tisch kommt und stundenlange Businessgespräche begleitet?

Im französischen Kulturkreis gehört es eben ab und an dazu, dass man auch mal gemeinsam Essen geht und wichtige Dinge bei Tisch bespricht. Das klingt nach Klischee, ist aber auch nicht die Regel. Mir gefällt das – während man bei uns in Deutschland oft schnell durch die Kantine hastet, nimmt sich der Franzose gern mal Zeit für ein gutes Essen. Da spricht auch nichts dagegen: Man kann auch zwischen zwei Gängen sehr konstruktive Gespräche führen und gute Ideen haben. Daran könnten wir uns als Deutsche durchaus ein Beispiel nehmen. Wenn ich jemanden besser kennenlernen will, ist es oft viel aufschlussreicher und lockerer, mit ihm oder ihr essen zu gehen, als im Büro zu sitzen.

Es liegt ja wohl nicht an der Esskultur, dass so wenige französische Manager in Deutschland arbeiten und so selten deutsche Manager nach Frankreich wechseln?

Tatsächlich gibt es innerhalb Europas noch recht wenig echte Grenzgänger. Womöglich sind die Engländer uns und den Franzosen da einen Schritt voraus. Allerdings beobachte ich auch hier deutliche Veränderungen: Immer mehr Ausbildungswege öffnen sich, junge Deutsche studieren und lernen immer öfter jenseits der Landesgrenzen, sodass mit den folgenden Generationen die Herkunft der Manager immer weniger eine Rolle spielen wird. Bei Puma etwa müssen Länderchefs nicht zwangsläufig aus dem Land kommen, in dem sie das Geschäft leiten.

Was unterscheidet den französischen Konsumenten vom deutschen?

Was die Mode angeht – da sind die Franzosen den Deutschen noch immer eine Nasenlänge voraus. Bei Trends reagieren sie oft schneller, greifen sie konsequenter auf, setzen sie schneller um. Und legen sie aber auch schneller wieder ab, bevor sie in Deutschland überhaupt sichtbar werden.

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