Jürgen Gosch Vom Maurerlehrling zum Krabbenkönig

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Erst etwas Vernünftiges lernen

Am liebsten möchte auch er zur See fahren. Weil aber seine Mutter will, „dass der Junge erst mal was Vernünftiges lernt“, wird Jünne nach Abschluss der Hauptschule Maurer. Weil „jede Mark zählt“, arbeitet er schon während der Lehre auch nach Feierabend und an den Wochenenden.

Als Geselle – Wochenlohn für eine Sechs-Tage-Woche 150 Mark – verschlagen ihn Aufträge nach St. Peter-Ording und Helgoland. Und, Mitte der Sechzigerjahre, auch nach Sylt, wo er Bauprojekte beaufsichtigen soll. Und in den Mittagspausen im Lister Hafen im Nordosten der Insel feststellt, dass die Fischer zwar frische Krabben im Angebot haben, die Touristen aber immer wieder vergeblich nach Räucheraal fragen.

„Klare Marktlücke“, denkt sich Gosch. Besorgt sich am nächsten Tag in einer Räucherei in Husum 50 Aale, investiert 20 Mark in einen Korb und Verpackungsmaterial und legt los: Verkauft Räucheraal in der Mittagspause am Lister Hafen und nach Feierabend in den Kneipen der Insel, für vier Mark pro Tier.

Die Rechnung geht auf: Schon am ersten Tag hat Gosch seine Investition drin, ist mit Mitte 20 „Jungunternehmer ohne Schulden, ohne Druck – aber mit jeder Menge Spaß“.

Die besten Restaurants Deutschlands 2014
SchwarzwaldstubeOrt: Baiersbronn Mehr geht nicht. Alle Punkte, Hauben, Sterne, Löffel, die man haben kann. Und die meisten davon seit 20 Jahren. Harald Wohlfahrt von der Schwarzwaldstube in der Traube Tonbach in Baiersbronn ist allein wegen der Dauer, mit der er erfolgreich alle Höchstauszeichungen jedes Jahr aufs Neue bestätigt bekommt der Primus inter Pares. Nicht wenige seiner ehemaligen Mitarbeiter, wie Klaus Erfort, sind heute selber ganz oben angekommen. Auch das unterstreicht Wohlfahrts Stellung und Verdienste.Schwarzwaldstube Quelle: Presse
VendômeOrt: Bergisch Gladbach Joachim Wissler hat ebenfalls von allen Testern die höchsten Noten erhalten – auch er kann nicht mehr erreichen bei deutschen Restaurantführern. Seine Küche im Vendome im Schlosshotel Bensberg bei Köln gilt aus ausgesprochen komplex und zählt zu den anspruchsvollsten der Welt.Vendôme Quelle: dpa
Victor's Gourmet-RestaurantOrt: Perl Christian Bau ist nicht unbescheiden. Bau-Stil nennt er sein jüngstes Kochbuch. Eine Wahl hat der Gast im Schloss Berg in Perl eigentlich nicht. Die Gäste müssen Bau die „Carte Blanche“ erteilen, um sich mit ihm auf eine „Voyage Culinaire“ zu begeben - der Gast wählt aus einem festen Menü die Anzahl der Gänge. Die Tester aller Restaurantführer haben die Bestnote vergeben.Victor's Gourmet-Restaurant Quelle: Victor's
La VieOrt: Osnabrück Thomas Bühner, Küchenchef des Restaurants La Vie in Osnabrück, wurde auch in diesem Jahr wieder Bestnoten ausgezeichnet. Im La Vie in Osnabrück, dessen Eigner Jürgen Großmann sicher mit Freude die Auszeichnung gefeiert hat, kocht Bühner seit Jahren erfolgreich.La Vie Quelle: dpa
Gourmetrestaurant ÜberfahrtOrt: Rottach-Egern Im Gourmetrestaurant Überfahrt kocht Christian Jürgens. Der Gault Millau hat den Koch des Überfahrthotels in Rottach-Egern im Vorjahr zu Deutschlands Küchenchef des Jahres gekürt. Christian Jürgens findet die Inspiration für die Kreation seiner Gerichte in der Natur des Tegernseer Tals. Einer seiner Klassiker sind beispielsweise die aus Kartoffel-Quark-Mousse geformten Tegernseer Kiesel, die der 44-jährige Westfale zusammen mit echten Kieseln als Amuse-Bouche serviert.Gourmetrestaurant Überfahrt Quelle: dpa
AquaOrt: Wolfsburg Wer zu einem Geschäftsessen nach Wolfsburg eingeladen wird und Glück hat, der kann im Ritz-Carlton in der Autostadt mit Sven Elverfeld einen der experimentierfreudigsten Köche erleben. Gerätschaften aus der Medizintechnik verwendet Elverfeld mit der gleichen Leichtigkeit wie die Grundlagen seines Metiers und mit einer fast kindischen Freude am Laborieren – bis es allen schmeckt. Altbekanntes präsentiert er in neuem Gewand und das ist inzwischen allen Führern bis auf einen die Höchstnote wert.Aqua Quelle: Deidi von Schaewen
SonnoraOrt: Dreis Der stille Star – Helmut Thieltges kocht. Ebenfalls mit allen Lorbeeren ausgezeichnet, die man als Koch erhalten kann. Darauf konzentriert er sich, dafür lebt er. Es gibt keine Fernsehshow, kein Kochbuch, keine ausgedehnten Kreuzfahrten mit ihm als Gastkoch. Thieltges steht im Sonnora in Dreis am Herd und beglückt seine Gäste.Sonnora Quelle: dpa

Aale für die Sylter Nackedeis

Und einträglichem Zusatzeinkommen: Mit seinen Aalen verdient Gosch so viel, dass er ein paar Monate später den Maurerjob aufgibt – was er bis heute „die beste Entscheidung meines Lebens“ nennt. Und künftig als Aal-Jürgen hauptberuflich mit Bauchladen über die Insel zieht.

Auch zu den Dünen der berühmten Buhne 16 vor Kampen, wo sich damals Promis wie Gunter Sachs oder Curd Jürgens am FKK-Strand aalen. Weil ihm das Stapfen durch den tiefen Sand mit den schweren Fischen bald zu mühselig wird, sucht sich Gosch ein günstiges Plätzchen, besorgt sich eine Bimmel, preist seine Ware in eigenwillig gereimtem Jodelsingsang an („frisch aus dem Rauch, schon in den Bauch“). Oder kurbelt den Verkauf mit einem Witzchen an: „Woran erkennt man, ob ein Aal männlich oder weiblich ist? Die weiblichen liegen auf dem Rücken, die männlichen erschöpft auf der Seite.“

Weil er vorab bewusst ein wenig aufschlägt, kann er sich von den Kunden, die schon mal nackt vor ihm stehen, immer ein bisschen runterhandeln lassen, ohne Geld zu verlieren – aber immer mehr Käufer gewinnen.

Bis zu 200 Kilo Aal verkauft er täglich, 17-Stunden-Tage sind in der Hochsaison keine Seltenheit, nachts schläft er in seinem Auto – die restlichen Aale verstaut er hinter sich, seine Einnahmen unterm Sitz, oft ein paar Tausend Mark.

Weil er das Geschäft als fliegender Aalhändler nach fünf Jahren dennoch für ausgereizt hält, lässt er sich 1972 mit einem improvisierten Verkaufsstand am Lister Hafen nieder: ein zwei mal zwei Meter großer Anhänger, mit Holz und bunten Blechschildern verkleidet.

Die besten Feinschmecker-Restaurants in Deutschland
Platz 10: Tim Raue, BerlinDer feine Gaumen findet in Deutschland reichlich Auswahl – natürlich auch in der Hauptstadt: Hier steht das „Tim Raue“ vom gleichnamigen Sternekoch auf der Liste der Feinschmecker ganz oben. 2012 erhielt das Restaurant zwei Sterne im Guide Michelin. Auf der Speisekarte: zum Beispiel Entenleber (Foto). Die Liste der zehn besten Restaurants Deutschlands basiert auf Bewertungen und Meinungen von Nutzern der Reise-Website TripAdvisor. Quelle: tripadvisor
Platz 9: Fischereihafen-Restaurant, HamburgFischliebhaber kommen im Fischereihafen-Restaurant unter Garantie auf ihre Kosten. Die Speisekarte bietet neben klassisch-regionalen Gerichten auch moderne und exotische Kreationen. Angetan sind Besucher nicht nur vom Essen, sondern auch vom Service. Quelle: tripadvisor
Platz 8: Facil, BerlinMichael Kempf, Küchenchef im Facil, ist vom Magazin „Feinschmecker“ erst kürzlich zum „Koch des Jahres 2014“ gekürt worden – für seine Gerichte, „die dynamisch und noch feiner in der Abstimmung geworden sind, mit fast japanisch anmutender Finesse“, wie die Jury urteilte. 2013 erkochte Kempf seinen zweiten Michelin-Stern. Sein Essen steht auch in der Gunst der TripAdvisor-Nutzer ganz oben. Quelle: tripadvisor
Platz 7: Wolfshöhle, FreiburgAuch in kleineren Städten wie Freiburg kann geschlemmt werden. In der Innenstadt serviert Spitzenkoch Sascha Weiss seinen Gäste eine „kreative Frischküche“. Besucher loben das Essen „auf höchstem Niveau“ sowie einen freundlichen Service. Quelle: tripadvisor
Platz 6: Im Schiffchen, DüsseldorfDas Restaurant „Im Schiffchen“ ist Düsseldorfs Nummer eins. In der Küche steht seit 1977 Jean-Claude Bourgueil, ein französischer Koch mit zwei Michelin-Sternen. Gäste loben die „Haute Cuisine auf höchstem Niveau“. Quelle: tripadvisor
Platz 5: Broeding, MünchenDas Broeding setzt auf traditionelle Gerichte, individuell verfeinert, und überzeugt viele Besucher auch dank der hervorragenden Weinbegleitung. Küchenchef ist Manuel Reheis. Quelle: tripadvisor
Platz 4: Shane's Restaurant, MünchenDas Shane's Restaurant hat sich unter Feinschmeckern aufgrund seiner modernen Fusionküche einen Namen gemacht. Gäste mögen die „Mischung aus Irisch und Österreichisch“, auch der Service und das Ambiente werden ausdrücklich gelobt. Quelle: tripadvisor

„Nördlichste Fischbude Deutschlands“ nennt Gosch seinen Stand – Beginn einer mehr als 40-jährigen Erfolgsgeschichte. Auch weil er seine Fischbrötchen zur Belustigung der Gäste wie ein anarchistischer Marktschreier anpreist – „das Wörtchen nein habe ich damals aus meinem Wortschatz gestrichen“. Weil er die Reichen und Schönen mit seinen flotten Sprüchen auf den Arm nimmt und sein Angebot stets findig improvisierend im Handumdrehen erweitert.

Ein Kunde will den Fisch im Brötchen? Erfindet Gosch eben kurzerhand das Matjes- und Krabbenbrötchen. Ein anderer wünscht ein Salatblättchen als Dreingabe? Kein Problem, Gosch fügt es hinzu.

Wieder ein anderer mag gar keinen Fisch? Schmiert er ihm eben ein Marmeladenbrot. Einer Kundin schmeckt die Kartoffelsuppe der Konkurrenz nicht? Holt sich Gosch eben unbemerkt eine Portion von eben jener Bude, verfeinert sie mit Krabben und Knoblauch, serviert sie in edlem Porzellan, verlangt 50 Pfennig mehr – schon gilt der Frau die Kartoffelsuppe als beste auf ganz Sylt.

So wie seine „wahre Fischsuppe, ohne Fisch und ohne Gräten“ – ein Mix aus Schnaps und Zitronenlimo, mit der Gosch die fehlende Alkohollizenz umgeht. Als die Hafenpolizei ihm mit Rauswurf droht, lädt ihn der Gemeinderat zur Verköstigung ins Rathaus ein – und erteilt Gosch nach diversen Probierrunden die Alkohollizenz. „Kleine Tricks“, sagt Gosch, „machen den Unterschied.“

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