Kreativität So sprudeln die Ideen im Büro

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Ideen über soziale Netzwerke austauschen

Das funktioniert sogar nach dem Stechuhrprinzip. Das Bild vom Kreativen, den plötzlich die Muse küsst, ist falsch. Originalität ist Arbeit. Ideen lassen sich produzieren, bewerten, verwerfen und weiterentwickeln wie andere Produkte auch.

Doch dazu muss eine kreative Grundstimmung im Unternehmen herrschen, sagt Sandra Ohly, Wirtschaftspsychologin an der Universität Kassel. Als Expertin für Kreativität berät sie Unternehmen, die das innovative Potenzial ihrer Mitarbeiter wecken wollen. „Dazu müssen sie vor allem erleben, dass ihre Vorschläge ernst genommen werden“, so Ohly. „Ideengeber wollen Feedback, selbst wenn es eine Absage ist, sonst werden sie entmutigt.“

Die kreativsten Bewerbungen aus dem Netz
Der Vordruck für eine Anonyme Bewerbung ohne Foto, Name und Alter der Person liegt am 08.11.2010 in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) auf Zeitungsseiten mit Stellenangeboten. Quelle: dpa
Screenshot der Seite DearLisaRudgers.com Quelle: Screenshot
Portrait auf einer Milchtüte Quelle: Screenshot
Storytelling für Personaler Quelle: Screenshot
Lebenslauf als Spiel Quelle: Screenshot
Bewerbung auf einer Anzeigentafel Quelle: Screenshot
Fotoalbum für Personaler Quelle: Screenshot

Der Briefkasten neben dem Büro des Innovationsmanagements bringe deshalb wenig, sagt auch Oliver Mauroner, Wirtschaftsprofessor an der Hochschule Mainz. Viel effektiver ließen sich Ideen über soziale Netzwerke austauschen, die für alle Mitarbeiter zugänglich sind. Dort können sie Vorschläge einbringen, die Ideen anderer bewerten oder weiterentwickeln. „Wenn dort offen diskutiert werden kann und auf Ideen rasch reagiert wird, bringen nach und nach immer mehr Mitarbeiter Vorschläge ein – denn Kreativität ist ansteckend“, so Mauroner.

Doch dazu bräuchten Mitarbeiter vor allem Zeit. Nur wer einen Gedanken auch mal schweifen lässt, kann Neues entdecken. Damit sind nicht nur kreative Auszeiten während der Arbeit gemeint, sondern echte Freizeit. Denn Überstunden und Erschöpfung sind keine gute Muse für Gedankensprünge. Wer aber neben seinem Beruf kreative Hobbys pflegen kann, Sprachen lernt, in fremde Länder reist oder inspirierende Freunde trifft, ist nachweislich mobiler im Kopf – und kreativer im Job.

So steigern Sie Ihre Kreativität
Yoshiro NakamatsuYoshiro Nakamatsu gilt als einer der größten Erfinder Japans. Er ließ sich im Jahr 1952 die Floppy Disk patentieren und hat seitdem 3300 Patente angemeldet – unter anderem eines für die Karaoke-Maschine und die Digital-Uhr. Um seine Kreativität zu wecken, trieb er sein Hirn und seinen Körper ans Limit. In der Regel ging er schwimmen und hielt seinen Kopf unter Wasser, bis er kurz davor war, bewusstlos zu werden. „Um sein Gehirn von Sauerstoff zu befreien“, hat er einmal erklärt, „muss man tief im Wasser untertauchen, sodass der Unterdruck das Blut aus dem Hirn treibt. Eine halbe Sekunde vor dem Tod fällt mir eine Erfindung ein.“ Im Bild ist er auf einem Elektromobil zu sehen, das er 2004 entwarf. Quelle: REUTERS
Jonathan FranzenDer Schriftsteller Jonathan Franzen ist vor allem bekannt für seine Romane Die Korrekturen und Freiheit, in denen er den Alltag amerikanischer Mittelklasse-Familien beschreibt. Um seine 500-Seiten-Romane zu schreiben, schottet sich Franzen von der Welt ab. Er blockiert alle sensorischen Stimuli. Beim Schreiben trägt er Ohrstöpsel und – wenn er sich besonders stark konzentrieren will – sogar eine Augenbinde. Quelle: dpa
Ludwig van BeethovenObwohl Ludwig van Beethoven taub war, war er einer der einflussreichsten Komponisten der Welt. Einen großen Anteil daran hatte sein Badezimmer. Sein Schüler und Sekretär, Anton Schindler, schrieb, dass Beethoven vor seinem Waschbecken gestanden und Wasser über seine Hände gegossen habe. Dabei gab er hohe und tiefe Töne von sich oder summte laut vor sich hin. Danach ging er durch das Zimmer, machte Notizen, goss weiter Wasser über seine Hände und sang. Schindler bezeichnete das als Momente tiefster Meditation. Quelle: dpa
Thomas EdisonThomas Edison versuchte so wenig zu schlafen wie möglich – nur drei Stunden pro Nacht. Er hielt Schlaf für Zeitverschwendung. In einem Brief schrieb er, Schlaf sei ein Verlust von Zeit, Lebenskraft und Möglichkeiten. Manchmal blieb er drei Tage am Stück wach. Er gilt als der Erfinder der Glühbirne – auch wenn ihm dieser Titel mittlerweile aberkannt wurde. Sein Platz in den Geschichtsbüchern ist trotzdem gesichert: Er entwickelte die Schreibmaschine, den Kinematographen, die erste Filmkamera, die Alkali-Batterie, den Phonographen mit Edison-Walze und machte als Unternehmer Karriere. Quelle: dpa
Charles DickensWenn Charles Dickens gerade nicht an Jahrhundert-Romanen wie Große Erwartungen, David Copperfield oder Oliver Twist schrieb, begab er sich in die Pariser Leichenhalle und starrte tote Körper an. In seiner Phantasie spielte er Detektiv und versuchte, Fälle zu lösen. Literaturexperten schreiben, dass er damit seinen kritischen Geist entwickelte, den er für seine komplexen Romane brauchte. Die Faszination des Schreckens brachte ihn auch zu den Kriminalszenen in seinen Romanen. Quelle: dpa
Maya AngelouMaya Angelou produzierte in über 50 Jahren zahlreiche Autobiografien, Gedichtbände, Filme und Fernsehshows. Das Geheimnis ihrer Kreativität: Ein kleiner Hotelraum, in dem sie von sieben Uhr morgens bis 14 Uhr am Nachmittag mit einem Wörterbuch, einer Bibel und einer Flasche Sherry in Ruhe arbeitete. Quelle: AP
Francis BaconIn Francis Bacons Bildern spielen Gewalt, Zerstörung und Verfall eine zentrale Rolle. In seinem Leben ebenfalls – flaschenweise Wein, Bier im Pub und danach Drinks in privater Runde gehörten zu seiner Tagesroutine. All das beflügelte seine Kreativität. „Ich arbeite gerne verkatert“, sagte er. „Mein Gehirn ist dann mit Energie gesegnet und ich kann klar denken.“ Quelle: Reuters

Einen ähnlichen Geist können auch neue Mitarbeiter einbringen, sagt Psychologin Ohly, denn sie seien noch immun gegen die Betriebsblindheit. Doch vor allem in großen Unternehmen würden sie oft ausgebremst von einem zu starken Hierarchiegefälle: Dann sieht manch ein Vorgesetzter in jedem Verbesserungsvorschlag nur eine Kritik am Status quo.

Widerspruch erwünscht

Zusätzlich herrsche in Deutschland eine Kultur, die Fehler kaum verzeiht, sagt Mauroner. Das hemme Innovationen: „Versuch und Irrtum müssen erlaubt sein. Viele heute bewunderte Geschäftsideen waren doch anfangs auch nichts anderes als ein verrückter Gedanke.“ Manager aber strafen kreative Mitarbeiter eher ab: Wer unbekümmert Ideen und auch Widerspruch äußert, muss um die Gehaltserhöhung oder die Beförderung fürchten. Führungskräfte neigen nun einmal dazu, Gleichgesinnte um sich zu scharen. Die aber stimmen ihnen oft blind zu. Forscher der Stern Business School fanden heraus, dass bei Beratungen oder Finanzdienstleistern 85 Prozent der Mitarbeiter selbst schwere Bedenken ihrem Chef gegenüber nicht äußern – aus Angst um Image oder Karriere.

Wo erfolgreichen Menschen die besten Ideen kommen
Stress, nervige Kollegen, besserwisserische Vorgesetzte - es gibt viele Gründe für Einfallslosigkeit am Arbeitsplatz. So ist es nicht erstaunlich, dass gerade einmal 3,4 Prozent aller Deutschen finden, ihr Arbeitsumfeld fördere Kreativität. Satte 9,9 Prozent weichen zum Grübeln und Überlegen folgerichtig auf das stille Örtchen aus: Sie haben ihre besten Ideen auf der Toilette. Fotos: dpa, Reuters, ap, PR
Er gilt als einer der berühmtesten US-amerikanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts: Seine geistigen Ergüsse schrieb der Literaturnobelpreisträger Ernest Hemingway am Stehpult nieder - mit einem Drink in der Hand.
Sein umfangreiches Werk gehört zu den bedeutendsten im Repertoire der klassischen Musik: Das Wunderkind Wolfgang Amadeus Mozart hatte seine besten Ideen - im Bett. Im gemütlichen Zettel-Chaos lief der Komponist erst so richtig zur Hochform auf.
Sir Isaac Newton war ein englischer Physiker, Mathematiker, Astronom, Alchemist, Philosoph und Verwaltungsbeamter. Bis heute gilt er als einer der größten Wissenschaftler aller Zeiten, mit seiner Prinzipia legte er den Grundstein für die klassische Mechanik. Gearbeitet hat Newton am liebsten im Garten.
Seine Dramen gehören zum besten, was die deutsche Sprache zu bieten hat. Aber auch als Lyriker hat sich Friedrich Schiller einen großen Namen gemacht. Um sich zu entspannen und der Kreativität freien Lauf zu lassen, stellte der Stürmer und Dränger seine Füße gerne in kaltes Wasser.
Das Badezimmer scheint auch für Regisseur Woody Allen ein besinnlicher Ort zu sein: Inspiration findet der US-Amerikaner beim Rasieren. Angesichts von über 50 Filmen als Drehbuchschreiber und Regisseur scheint dies eine recht vielversprechende Form kreativer Entspannung zu sein.
Dirk Engehausen, in der Mitte des Bildes, ist der Deutschland-Chef von Lego. Seine besten Ideen hat der Manager im Swimmingpool: Beim Drehen der Bahnen lässt er seine Gedanken kreisen.

Wie sehr Mitarbeiter mit einem eigenen Kopf Unternehmen voranbringen können, konnte der Datenanalyst Michael Housman in einer kuriosen Studie im Jahr 2013 zeigen. Er untersuchte die Leistung von 30 000 Kundenbetreuern quer durch sämtliche Branchen. Erstaunlicherweise gab es eine eindeutig identifizierbare Gruppe besonders erfolgreicher Arbeitskräfte. Sie fehlten seltener, verkauften mehr und hatten zufriedenere Kunden.

Was sie gemeinsam hatten? Jene Mitarbeiter gaben sich nicht mit dem vorinstallierten Browser ihres Computers zufrieden. Lieber luden sie sich die Alternativprogramme Firefox oder Chrome herunter. Mit anderen Worten: Sie waren bereit, buchstäblich eigene Wege zu gehen – und dadurch waren sie kreativer und produktiver. Offenbar reicht ein Blick auf den Rechner, um Rückschlüsse auf seinen Benutzer zu ziehen.

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