Der renommierte US-Wirtschaftspsychologe Adam Grant geht in seinem neuen Buch auf Spurensuche und zeigt: Nonkonformisten – so der deutsche Titel seines Buchs – haben nicht nur originelle Ideen, sondern auch den Mut und den Durchhaltewillen, sie umzusetzen. Und können damit ideale Vorbilder sein. Grant ist überzeugt: In jedem steckt die Kraft, unseren Alltag zu verändern.
Das Wissen um die Macht der Kreativität ist nicht neu. Seit Jahren verordnen Unternehmen ihren Mitarbeitern Ideenwettbewerbe, Rollenspiele und Denklabore. Grant aber zeigt: Es gibt keinen Königsweg zur originellen Idee. Dazu ist Kreativität zu schwer zu fassen – und zu fördern.
Was die Kreativität fördert
Der Psychologe Travis Proulx von der Universität von Kalifornien ließ Probanden sinnfreie Passagen aus Kafkas "Landarzt" lesen. In anschließenden Tests fanden sie mehr Lösungswege und schnitten besser ab als diejenigen, die eine redigierte Version gelesen hatten.
Frank Fischer von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität analysierte die Gruppenarbeiten von 300 Studenten. Vorher hatte er den Raum mit höhenverstellbaren Tischen ausgestattet. Siehe da: Teilnehmer, die zwischen Sitzen und Stehen wechselten, kamen häufiger zu richtigen Ergebnissen als nur im Sitzen - und hatten 24 Prozent mehr Ideen.
Im Schlaf findet kombinatorisches Denken statt, wie Denise Cai von der Universität von Kalifornien in San Diego 2009 bestätigen konnte. Sie ließ 77 Teilnehmer verschiedene verbale Aufgaben lösen, einige Probanden konnten zuvor ein Nickerchen halten - die lösten die Aufgaben am besten.
Der Sozialpsychologe Jens Förster von der Jacobs-Universität Bremen fand in einer Studie heraus, dass die Teilnehmer eine kniffelige Aufgabe eher lösten, wenn sie zuvor an ihren Partner gedacht hatten. Der Gedanke an Liebe lässt in die Zukunft blicken - was dabei hilft, Dinge miteinander in Beziehung zu stellen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben.
In blauer Umgebung steigt der Einfallsreichtum. Ravi Mehta und Rui Zhu von der Universität von British Columbia in Vancouver ließen Freiwillige im Jahr 2009 verschiedene Aufgaben lösen - roter Hintergrund verbesserte zwar die Leistung bei der Detailaufgabe, blau jedoch die Kreativität.
Wo der eine Mitarbeiter Ruhe braucht, sprudeln bei dem anderen die Ideen erst, wenn er abends in einer Runde mit Kollegen zusammensitzt. Wird dort auch Alkohol getrunken, kann das Vorteile für Dritte haben: Studien zeigen, dass beschwipste Teilnehmer bisweilen kreativer sind. In kompliziert wirkenden Aufgaben – Zahlenkolonnen oder Buchstabenreihen – erkennen sie geschickter Gemeinsamkeiten oder Regeln, weil sie freier assoziieren.
Kleine Schritte für ein kreatives Betriebsklima
Nun werden Unternehmen ihren Mitarbeitern kaum Drinks verordnen. Doch sie täten gut daran, mit kleinen Schritten für ein kreatives Betriebsklima zu sorgen. Denn schon minimale Änderungen können sich auszahlen: Seit der Henkel-Konzern beschlossen hat, die Einladungen zu seiner Aktionärsversammlung auf dünnerem Papier zu drucken und das Gewicht des Briefes zu senken, spart das Unternehmen jährlich Portokosten von 25.000 Euro – die Idee stammt von einem Mitarbeiter.
Ähnliche Beispiele stellt Grant in seinem Buch vor. Und räumt dabei auf mit vielen irrigen Vorstellungen über kreative Menschen und erfolgreiche Unternehmer. Dass sie besonders mutig seien. Oder dass sie unbeirrt an ihre Idee geglaubt hätten – die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin zum Beispiel wollten ihre Suchmaschine ursprünglich für zwei Millionen Dollar verkaufen und promovieren. Zu ihrem Glück fand sich kein Abnehmer.
Kreative scheuen Risiken tatsächlich genauso sehr wie alle andere Menschen – was sie aber nicht davon abhält, dranzubleiben. Sie sichern ihre Schritte stattdessen besonders gut ab. Das verleitet mitunter zu Fehlschlüssen, wie Grant selbst feststellen musste, als ihn vier seiner Studenten als Investor für ihr Start-up gewinnen wollten.