Mikael Helle geht zwei bis drei Mal die Woche in die Sauna. Der stellvertretende Geschäftsführer der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in Helsinki gehört damit zum finnischen Durchschnitt. Mehr noch: Saunagänge mit Kollegen und Geschäftspartnern sind in Finnland gang und gäbe.
„Je größer die Firma ist, desto wahrscheinlicher hat sie auch eine eigene Sauna“, sagt Helle. Dort entspannen Mitarbeiter nach Feierabend, halten Teammeetings ab und führen Kundengespräche.
In Deutschland bevorzugen Geschäftsleute jedoch, Hose und Hemd anzulassen. Saunagänge bleiben dem Privatleben vorbehalten. „Ich persönlich würde nie mit Vorgesetzten oder Kollegen in die Sauna gehen“, sagt etwa die Berliner Karriereberaterin Martina Bandoly. Sollten sich Kollegen hierzulande zu einem Saunabesuch nach Feierabend verabreden, müsste zwischen ihnen schon ein enges, vertrauliches Verhältnis bestehen.
„Je nackter man ist, desto schutzloser fühlt man sich auch“, sagt Bandoly. Denn Kleidung schaffe eine berufliche Identität. „In einem Anzug nehmen Menschen eine andere Haltung ein als im Jogging-Anzug.“ Im beruflichen Kontext sogar nackt zu sein, schaffe eine ungewöhnliche Situation.
Saunabesuche schaffen Verbundenheit
Alle Kleider abzulegen, sehen die Finnen hingegen als Gewinn – denn nackt sind alle (fast) gleich. „Das stärkt den Teamgeist“, sagt der stellvertretende AHK-Chef Mikael Helle. Dafür sorgen die optisch wegfallenden Hierarchien und die entspannte, vertrauliche Atmosphäre.
„Die Kollegen lernen sich besser kennen, stärken ihre Beziehungen untereinander und kommen auf neue Ideen.“ Diese Vorteile gelten außer für Kollegen auch für Geschäftspartner. Ein gemeinsamer Saunabesuch signalisiert gegenseitiges Vertrauen und stärkt dieses.
Diesem positiven Zweck schadet es daher, seine schlechte Laune oder negative Einstellung kundzutun. „Das gehört nicht in die Sauna“, sagt Helle. Saunagänger sollen nicht nur ihre Kleidung, sondern auch ihre negativen Gedanken ablegen.
So entsteht eine konstruktive Atmosphäre, die die Finnen nutzen, um einen, nun ja: neuen Blick auf alte Probleme zu werfen. In der Sauna solle man sich völlig normal verhalten. „Es gibt keine Regel, wer das Wasser nachgießt oder wie lange man in der Sauna bleibt“, sagt Helle. „Das ergibt sich automatisch.“
Zwickmühle Ablehnung
Bis 2007 hat der AHK-Vize in finnischen Unternehmen der Banken- und Telekommunikationsbranche gearbeitet. Bei Besuchen deutscher, US-amerikanischer oder japanischer Geschäftspartner gehörte eine Einladung in die Sauna oft dazu.
„Ausländische Geschäftsleute sollten das als freundliche Geste ansehen, die man annehmen oder auch ablehnen kann. Da ist niemand beleidigt“, sagt Helle. So locker wie mit dem Saunabesuch gehen die Finnen auch damit um, wenn es jemandem zu unangenehm sein sollte.
Zumindest, wenn ein lukrativer Geschäftsabschluss lockt, rät Martina Bandoly dazu, seinen inneren Schweinehund im Ausland zu überwinden. In allen anderen Fällen gilt: „Bevor man sich zu verklemmt verhält, sollte man den Saunabesuch lieber sein lassen“, sagt Bandoly.
Wer sich dazu durchringt, solle sich immer vor Augen halten, dass Kollegen, Vorgesetzte oder Geschäftspartner anwesend sind. „Nur weil wir unsere Kleider fallen lassen, heißt das nicht, dass wir unsere Konventionen fallen lassen“, sagt Bandoly. „Irgendwann gehen schließlich wieder alle aus der Sauna raus.“