Machtspiele Wenn Manager über Leichen gehen

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In Führungspositionen sind Intrigen Alltag

Ob geglückt oder nicht – Situationen wie diese gibt es häufig. Wie häufig, legen auch die Stimmen derer dar, die es nach ganz oben geschafft haben. Ex-EnBW-Chef Utz Claassen ließ in einem Interview verlauten: „Mit jeder Hierarchiestufe verbringen Sie tendenziell mehr Zeit mit sachfremden Dingen, illegitimen Einwirkungen Dritter und Abwehr von Intrigen.“

Und FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß sagte einst: „Die größte Herausforderung ist es, ganz oben zu bleiben.“ Klingt hart, ist es auch. Und offenbart zudem ein großes Problem. Denn die wohl gravierendste Auswirkung der Intrige, abgesehen vom Schicksal des Opfers, ist die folgende: Intrigen lenken ab. Mit der Folge, dass die eigentliche Arbeit darunter leidet.

Ohne Intrigen ginge es der Deutschen Bank heute besser

So vermutet auch mancher Insider der Deutschen Bank, dass es dem Institut heute besser ginge, wenn sich sein Topmanagement mehr auf seinen eigentlichen Job konzentriert hätte, statt seine Kräfte vor allem dafür aufzuwenden, sich intern zu bekämpfen. Hinzu kommt: Unternehmen, in denen Machtspiele an der Tagesordnung sind, leiden unter verseuchtem Betriebsklima. Überall dort, wo Misstrauen und Angst reagiert, leidet die Produktivität.

Das weiß CSU-Politiker Erwin Huber nur zu gut. „Ab einer gewissen Ebene ist man mehr mit dem Machterhalt beschäftigt als mit der Ausübungen der Macht“, sagt er. „Das ist wahnsinnig anstrengend.“ Denn nicht erst seit Kevin Spaceys Rolle des intriganten Politikers Frank Underwood wissen wir, dass die Hinterlist in der Politik ein besonders lauschiges Plätzchen gefunden hat.

So verscherzen sich Manager das Vertrauen ihrer Angestellten
Talk the Walk & Walk the Talk Ohne Vertrauen geht es nicht: Wenn niemand weiß, wie es hinter der nächsten Wegbiegung aussieht und Zielvorstellungen morgen schon überholt sein können, müssen Mitarbeiter und Partner dem Management blind vertrauen können. Denn Glaubwürdigkeit wird Managern zugeschrieben, die nachvollziehbar den Nutzen des Unternehmens mit echter Wertschätzung für die Menschen verbinden. Das heißt Respekt und Augenhöhe, Sprechen und Handeln nach klaren Werten: Talk the Walk & Walk the Talk. Peter Wollmann, Programmdirektor bei der Zurich Insurance Company und Berater Frank Kühn erklären in „Leading international projects“, welche Bedeutung Vertrauen für Unternehmen heutzutage hat – und wie Top-Manager es zerstören. Quelle: Presse
Narzissmus im Management Narzissten haben einen desaströsen Einfluss auf die nächsten Organisationsebenen. Das erleben wir bei Führungskräften, die an bizarren Entscheidungen ihrer Vorgesetzten verzweifeln. Daran sind – aus Sicht des Narzissten – diese Führungskräfte natürlich selbst schuld. Deshalb vertraut der Narzisst am liebsten sich selbst. Dem zutiefst geprägten Narzissten gehen Sie am besten aus dem Weg. Er lohnt Ihre Annäherung nur, wenn Sie ihm huldigen. Das hilft aber dem Unternehmen nicht, also lassen Sie es. Sie riskieren nur das Vertrauen derer, für die es sich ehrlich lohnt. Quelle: Fotolia
Fehlende Offenheit und TransparenzVerschlossene Topmanager haben ein mehrfaches Problem. Sie müssen ständig auf der Hut sein, was sie veröffentlichen wollen. Wenn es an „ihr Verschlossenes“ geht, argumen-tieren sie umständlich, nebulös oder genervt. Das kostet Kraft und Glaubwürdigkeit. Wir erleben auch Topmanager, die Zurückhaltung von Informationen als hierarchisches Prinzip sehen. Wer das Vertrauen seiner Mitarbeiter gewinnen will, muss das Paradigma, dass Wissen Macht sei, umkehren und Transparenz schaffen. Das ist Voraussetzung dafür, dass die Menschen in der Organisation überhaupt verantwortlich handeln können. Quelle: Fotolia
Unklare Prinzipien und WerteUnklar formulierte oder unpersönlich gehaltene Werte und Prinzipien, die dem Topmanagement wichtig sind, führen zwangsläufig zu Rätselraten. Klar geäußerte persönliche Werte schaffen dagegen Vertrauen. Vereinbarte Prinzipien schaffen Verhaltenssicherheit – wenn sie auf allen Ebenen spürbar sind und ernstgenommen werden. Wenn auch der CEO beim Werksrundgang den Helm aufzieht, wird sichtbar, dass Sicherheit wichtig ist. Wenn er kritisch-konstruktive Rückfragen ehrlich und sichtbar wertschätzt, zeigt er, dass ihm Feedback wichtig ist. Für Manager bedeutet das: Sprechen Sie an, was Sie ärgert und worüber Sie sich freuen. Sagen Sie, mit welchen Motivationen und Interessen Sie die Dinge angehen. Vereinbaren Sie Prinzipien für die Führung und Zusammenarbeit im Unternehmen. Und vor allem: gehen Sie mit gutem Beispiel voran. Quelle: Fotolia
Willkürliches VerhaltenMangelnde Disziplin beziehungsweise willkürliches Benehmen im Topmanagement ist ärgerlich: Verspätung zum Meeting oder Nichteinhaltung von Zusagen gehen gar nicht. Als Machtdemonstration ist das obendrein lächerlich und von den Mitarbeitern längst durchschaut. Insbesondere agile Organisation setzen darauf, dass formulierte Praktiken für lebendige Informationsplattformen, dezentrale Entscheidungsfindung und kollegiale Konflikthandhabung zuverlässig gelebt werden. Ohne Ausnahme, auf allen Ebenen, in allen Bereichen. Wenn unsere dynamische Zeit schnelles Handeln erfordert, sind pünktliches Erscheinen und disziplinierte Meetings ein Muss. Wenn Sie das als Top-Manager nicht eingehen wollen, lassen Sie die Finger von agilen Ansätzen.
DesinteresseMenschen beklagen oft mangelndes Interesse an ihnen und Ihrer Arbeit. Wie sollen sie Vertrauen in eine Führung aufbauen, der sie egal sind? Top-Manager müssen sich darüber klar sein, dass es die Mitarbeiter sind, die in den täglichen Kundensituationen das Unternehmen erfolgreich machen. Organisation und Führung sind dazu da, das bestmöglich zu unterstützen. Entwickeln Sie dies als eine ehrliche Überzeugung und schaffen Sie Gelegenheiten zum Kontakt und Austausch mit Ihren Leuten. Gehen Sie in Projektmeetings und hören Sie zu; seien Sie wohlwollend und respektvoll, auch wenn Sie mal intervenieren müssen. Beziehen Sie die Menschen aktiv in Veränderungsprojekte ein, profitieren Sie von ihren Erfahrungen und ihren Erwartungen. Quelle: Fotolia
Der Mitarbeiter als Kostenfaktor„Humankapital?“ Das mag positiv gemeint sein, kann aber schräg rüberkommen: Viele Mitarbeiter haben das Gefühl, dass sie vor allem als Kostenfaktoren betrachtet werden. Menschen wollen nicht nur Personalnummer und Budgetposten sein. Hier ist das Top-Management gefragt: Sprechen Sie die Menschen persönlich und namentlich an. Binden Sie sie mit Anerkennung ihrer Erfahrungen und Fähigkeiten ein. Unterscheiden Sie Kostenfaktoren (Materialverschwendung, schlechte Arbeitsbedingungen, schlecht vorbereitete Meetings, umständliche Prozesse) und Menschen (Andy, Petra) ausdrücklich. Quelle: Fotolia

Huber spricht gerne in Metaphern. Meistens nutzt er Vergleiche aus dem Sport, manchmal wird der CSU-Politiker technisch, etwa wenn er vom Politikbetrieb als „Tretmühle“ spricht. Beim Thema Intrigen färbt sich seine Sprache kriegerisch. „Wer in einer Führungsposition ist, muss ständig seinen Radar eingeschaltet haben, er muss definieren, woher die Attacken kommen oder wo sich fremdes Feuer entzündet.“

Ohne Misstrauen geht es in der Politik nicht

Huber mischte jahrelang ganz oben mit. Zunächst als bayrischer Staatsminister für Finanzen, später als CSU-Chef. Doch sein Triumph sollte nicht lange andauern. Nur ein Jahr später erzielte die CSU ein historisch schlechtes Wahlergebnis. Zurücktreten wollte Huber dennoch nicht. Zwei Tage später erklärte er ihn trotzdem, die Rufe nach Konsequenzen aus dem Wahldebakel werden zu laut. Vor allem von den Parteifreunden. „Attacken aus den eigenen Reihen sind die schmerzhaftesten“, sagt er.

Heute ist Huber einfacher Abgeordneter. Mit der Distanz fing Huber an nachzudenken. Über die Macht und den Machterhalt, über List und Tücke. Der 70-Jährige hat in den rund 50 Jahren seiner politischen Karriere viele Intrigen miterlebt. Nicht wenige sagen, auch aktiv. Das hat ihn verändert. „Ich bin raffinierter geworden, wachsamer auch“, sagt er. Und: „Misstrauen ist in der Politik überlebenswichtig.“

Diese Ressourcen helfen, den Alltag als Führungskraft zu überstehen

Ob er nach all den Jahren ein Frühwarnsystem für Intrigen entwickelt hat? „Nein. Aber Achtsamkeit hilft“, sagt Huber. Hellhörig würde er immer dann, wenn einer häufig seine Meinung wechsele, sagt er. Außerdem grübelt er über die Motive des Gegenübers nach. Um das herauszufinden, führt Huber viele Gespräche. Welchen Eindruck haben die Kollegen? Was hat die Person anderen gegenüber gesagt?

Was der CSU-Politiker intuitiv macht, nennt Regina Michalik, die ein Buch über die Hinterlist geschrieben hat, das Erstellen eines Intrigograms. Die Psychologin sagt: „Eine Welt ohne Intrigen wird es nicht geben. Umso wichtiger ist Intrigenkompetenz.“ Denn wer weiß, dass er Opfer einer Intrige geworden ist, geht strategischer vor. Sucht sich Bündnispartner und erhöht so die Chancen auf ein Scheitern der Gegner. In diesem Sinne: eine kurze Abhandlung zur Theorie und Praxis der Hinterlist.

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