Malcolm Gladwell Wenn die Schwachen die Starken besiegen

Malcolm Gladwell ist einer der erfolgreichsten Sachbuchautoren der Welt. In seinem neuen Buch "David und Goliath" schildert er, wie sich vermeintliche Schwächen in Stärken verwandeln lassen. Ein Treffen in Berlin.

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Malcolm Gladwell Quelle: Peter Rigaud

Die Schwachen können die Starken besiegen. Diese Botschaft ist für einen Bestseller gut. Die Autoren der Bibel haben es vorgemacht: Der kleine Hirtenjunge David besiegt im Zweikampf den riesigen Krieger Goliath - mit einer Steinschleuder. Der Star-Journalist Malcolm Gladwell hat es nachgemacht: In seinem Buch "David und Goliath" präsentiert er Basketballer, arme Ehefrauen und Guerilla-Kämpfer, die ihre vermeintliche Unterlegenheit zur Stärke machten.

Zum Verkaufsstart der deutschen Übersetzung lässt sich Gladwell in Berlin interviewen. Er huscht durch die Lobby des Hotels, ein kleiner, hagerer Mann mit wilder Lockenmähne und orangefarbener Laufjacke, die „New York Times“ in der Hand. Wenig später sitzt Malcolm Gladwell entspannt an einem Tisch. Er spricht leise und wirkt so, als könnte ihn nichts aus der Ruhe bringen.

WirtschaftsWoche: Herr Gladwell, in Ihrem neuen Buch beschreiben Sie „die Kunst, Übermächtige zu bezwingen“. Wie kamen Sie auf die Idee?

Malcolm Gladwell: Im Mai 2009 schrieb ich im New Yorker einen Artikel über Vivek Ranadivé. Der indischstämmige Softwareunternehmer beschloss eines Tages, das Basketballteam seiner Tochter zu trainieren – obwohl er nie zuvor Basketball gespielt hatte. Außerdem war die Mannschaft ziemlich untalentiert. Die Mädchen waren weder besonders groß noch schnell, ihr Ballgefühl war unterdurchschnittlich. Trotzdem sorgte Ranadivé dafür, dass sich das Team für die Endrunde der Landesmeisterschaften qualifizierte.

Wie das?

Er wählte eine unkonventionelle Strategie. Ranadivé wusste, dass seine Mannschaft ihren Gegnerinnen unterlegen war – zumindest dann, wenn sie Basketball spielten wie jeder andere. Also: Bei Ballbesitz greifen alle an, danach rennen sie in die eigene Hälfte und ziehen sich in die Verteidigung zurück. Das konnte hier nicht funktionieren. Ranadivés Ansatz war daher, dass sein Team in jedem Spiel und über die gesamte Spielzeit hinweg Pressing spielen würde, wenn es nicht in Ballbesitz war. Mit dieser aggressiven Verteidigung fingen sie Pässe der Gegner ab und punkteten mit Korblegern.

Klingt skurril, aber clever.

Ja, und es funktionierte. Diese Geschichte fand ich faszinierend, deshalb blieb sie irgendwie hängen. Und mir fiel auf, dass ich noch viel mehr darüber schreiben konnte, warum vermeintlich Unterlegene ihre Schwächen manchmal in Stärken verwandeln. Und immer wenn man dieses Gefühl hat, dann ist das ein Zeichen dafür, dass man ein Buch schreiben kann.

In „David und Goliath“ behaupten Sie, dass „wir“ eine falsche Vorstellung davon haben, wer im Berufsleben, auf dem Sportplatz oder in einem Zweikampf überlegen ist. Dieses „Wir“ gibt es aber in Wahrheit gar nicht – eine ziemlich clevere Verkaufsmasche.

Dahinter steckt keine Verkaufsmasche. Ich interessiere mich nun mal für die großen Fragen des Lebens, und da gehört die Auseinandersetzung zwischen Großen und Mächtigen einerseits und Kleinen und Schwachen andererseits dazu.

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