Malcolm Gladwell Wenn die Schwachen die Starken besiegen

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Zügellose Kritiker

Malcolm Gladwell Quelle: Peter Rigaud

Ihr letztes Buch erschien vor fünf Jahren. Wie lange saßen Sie denn an „David und Goliath“?

Etwa drei Jahre. Interessanterweise brauche ich länger, je mehr Spaß ich habe. Deshalb hat dieses Buch lange gedauert – auch wenn ich nicht jeden Tag daran gearbeitet habe.

Sie leben den Traum vieler Journalisten. Seit 1996 sind Sie beim renommierten Magazin „New Yorker“, Ihre Bücher sind weltweite Bestseller. Sie wissen aber schon, wie gut Sie es haben?

Na klar. Von 1987 bis 1996 war ich bei der Washington Post. Dort bin ich auch jeden Tag ins Büro gegangen und hatte einen Chef, der mir gesagt hat, was ich tun soll.

Und wie sieht heute ein normaler Arbeitstag aus?

Morgens versuche ich zu schreiben. Produktiv und konzentriert geht das aber nur zwei bis drei Stunden, mehr schafft kaum jemand. Ich schreibe meistens in Cafés, Bibliotheken oder in meiner Wohnung. Nachmittags organisiere ich Interviews, recherchiere, denke nach.

Haben Sie überhaupt einen Schreibtisch beim „New Yorker“?

Nein, ich bin so gut wie nie dort. Ich mag Büros nicht besonders, institutionelle Umgebungen schränken mich ein.

Ihr Erfolg hat Ihnen nicht nur berufliche und finanzielle Freiheit gebracht, sondern auch Gegner, Skeptiker und Feinde. Einige kritisieren Sie, andere sezieren Ihre Bücher in fast manischer Akkuratesse. Wie erklären Sie sich das?

Das wirkt manchmal tatsächlich etwas obsessiv. Ich glaube, dahinter steckt ein psychologisches Phänomen. Je erfolgreicher jemand ist, desto zügelloser sind seine Kritiker. Das ist menschlich völlig nachvollziehbar. Wenn man das Erstwerk eines unbekannten Autors rezensiert, ist man noch gnädig. Man versteht, wie verwundbar er ist, denn er hat noch keine Reputation. Doch wenn es um jemanden geht, der Status hat und Erfolg – dann muss man nicht nett sein. Denn man weiß, dass die andere Person die Kritik verkraftet. Und ich kann damit sehr gut leben.

Ärgern Sie sich gar nicht drüber, wenn jemand Ihr Werk verreißt?

Kaum. Zunächst einmal ist die Anzahl der Menschen, die diese langen Rezensionen wirklich bis zum Ende lesen, überraschend gering. Meine Leser interessiert das kaum. Man darf den Einfluss der Kritiker also nicht überschätzen. Mich bringen sie nicht um den Schlaf.

Ist es überhaupt möglich, ein Buch zu schreiben, dass sowohl Wissenschaftlern als auch dem Publikum zusagt?

Ich glaube nicht. Mir wird das jedenfalls nie gelingen. Aber ich kenne das von mir selbst. Ich bin ein sehr ernsthafter Läufer. Jedes Mal wenn ich Artikel darüber lese, rege ich mich über Ungenauigkeiten auf. Dann muss ich mich kneifen und mir immer wieder sagen: Hey, der Text ist nicht für mich, sondern für Laien! Genauso ist es auch mit meinen Büchern.

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