Management Nicht wachsen - und dennoch gewinnen

Wachstum gilt in den meisten Unternehmen als Selbstzweck. Mittlerweile bekennen sich aber auch einige zu anderen Zielen und verzichten auf Expansion. Eine Rendite können sie trotzdem einfahren.

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Wachstum ist kein Selbstzweck: Der Inhaber der Bio-Brauerei

Zwischen sieben und acht Prozent Umsatzwachstum verzeichnete die kleine Brauerei „Neumarkter Lammsbräu“ aus der Oberpfalz in den vergangenen Jahren. Da könnte auch ein Investor schon mal hellhörig werden. Doch sein Durst dürfte schnell gelöscht sein, wenn er hört, wie Geschäftsführerin Susanne Horn diese Zahlen kommentiert: „Wachstum ist für uns aber kein Selbstzweck, sondern Mittel zu einem anderen Zweck: Unser Ziel ist die Ausbreitung des ökologischen Landbaus.“ Das Bio-Bier und die Bio-Limonaden der bald 400 Jahre alten Traditionsbrauerei sind zwar deutschlandweit vor allem in Bio-Supermärkten und Gaststätten zu kaufen, aber zum großen Getränkekonzern will Lammsbräu nicht werden.

„Wir beschränken unsere Wachstumsmöglichkeiten zwangsläufig dadurch, dass wir beim Großteil der Rohstoffe nur mit Landwirten in der Region zusammenarbeiten“, sagt Horn, die von Inhaber Franz Ehrnsperger vor drei Jahren zur Geschäftsführerin berufen wurde.

Gibt’s das, ein Unternehmen, das nicht wachsen will? Ja, und Neumarkter Lammsbräu ist nicht das einzige. Wachstumsneutrale Unternehmen gibt es bereits in nicht geringer Zahl, auch wenn sich nur wenige offensiv dazu bekennen. „Das Thema beschäftigt viele Unternehmen. Aber weil nicht zu wachsen immer noch als fehlender Erfolg angesehen wird, kommunizieren sie das nicht“, sagt die Ökonomin Jana Gebauer vom  Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in Berlin. In ihrer Pilotstudie für das Forschungsprojekt „Wachstumsneutrale Unternehmen“ haben Jana Gebauer Jana Gebauer, Andrea Liesen und Christian Dietsche nach der Analyse von 83 Nachhaltigkeitsberichten deutschen Mittelstandsbetriebe 14 bekennende wachstumsneutrale Unternehmen festgestellt. Also solche, die nicht wachsen wollen, bei denen Wachstum von Gewinn, Unternehmensgröße oder Umsatz kein Ziel ist. Neben Lammsbräu gehören in die Gruppe zum Beispiel die Technologie- und Managementberatung b.r.m., der Möbelhersteller Richard Henkel GmbH oder die Elektrizitätswerke Schönau. Und die IÖW-Forscher erwarten, dass diese Gruppe bald noch sehr viel größer wird – werden muss.

Trotz einer anwachsenden Flut von Büchern und Debatten über das anstehende Ende des Wirtschaftswachstums in den früh industrialisierten Ländern, kommt die mikroökonomische Perspektive der Unternehmen in diesem Diskurs meist nicht vor. Gebauer und Kollegen betreten mit ihrer Studie, der demnächst eine große Umfrage unter wachstumsneutralen Firmen über ihre Managementmethoden folgen soll, ein wirtschaftswissenschaftlich kaum beackertes Feld.

Die Ansicht, dass zumindest den hochentwickelten Volkwirtschaften in absehbarer Zeit ein grundlegender Paradigmenwechsel bevorsteht, weil die Wachstumsraten der vergangenen Jahrzehnte vor allem aus ökologischen und demographischen Gründen nicht fortsetzbar sind, hat sich unter Wissenschaftlern zwar weitgehend etabliert. Aber die Vordenker dieses Postwachstumsdiskurses haben meist als Soziologen die gesamte Gesellschaft im Blick, oder sie betrachten sozialpsychologisch die Mentalitäten der Bürger, Arbeitnehmer, Konsumenten. Vernachlässigt werden dabei die Akteure, die den wachsenden oder eben bald nicht mehr wachsenden Wohlstand produzieren und sowohl Treiber als Getriebene von Wachstum(svorstellungen) sind  – die Unternehmen.

Auch in der Management- und Ratgeber-Literatur spielt die Frage einer optimalen Unternehmensgröße (noch) keine große Rolle. Ein Unternehmen hat da ganz selbstverständlich zu wachsen und die Möglichkeit einer wachstumsneutralen Unternehmensführung wird als Option nicht in Erwägung gezogen.

Viele Ökonomen, zum Beispiel André Reichel und Joachim Spangenberg, erwarten, dass auch in nicht mehr wachsenden Volkswirtschaften die meisten Unternehmen weiter das Ziel von Wachstum und Gewinnmaximierung verfolgen werden – ein Ziel, das allerdings in der Regel mangels eines expandierenden Marktes nur noch auf Kosten der Verdrängung von Wettbewerbern erreichbar sei. Für Manager und Unternehmer wäre demnach der beste Rat: Visier runterklappen und auf in den Vernichtungskampf um Sein oder Nichtsein. Von wachstumsneutralen Unternehmen wie Lammsbräu zu unterscheiden sind also solche „Postwachstumsunternehmen“, die nicht auf Selbstbescheidung setzen, sondern auf Kosten der Konkurrenz wachsen wollen.  

Jana Gebauer und ihre Kollegen machen keinen Hehl daraus, dass das nicht die Zukunft des Unternehmertums ist, die sie vor Augen haben. „Wir wollen ein neues Leitbild formulieren“, sagt sie. Und das bedeutet: Die „wahnsinnige Geschwindigkeit“, die Dynamik rausnehmen und den Akteuren klarmachen, dass das extreme Wachstum der Wirtschaft eine historisch sehr junge Entwicklung der Neuzeit ist – und kein dauerhaft geeignetes Modell für die Zukunft.

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