Management Wenn die Chefin schwanger ist

Der Wirbel um die Schwangerschaft von Yahoo-CEO Marissa Mayer zeigt: Schwangere Topmanagerinnen sind selten. Auch in der mittleren Führungsebene sind Kinder in manchen Unternehmen ein Karriere-Hindernis.

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Daniela Weber-Rey kann sich vermutlich recht gut vorstellen, was Marissa Mayer, der frisch gekürten und schwangeren Yahoo-Chefin bevorsteht.  Als sie vor etwa 24 Jahren ihren zweiten Sohn Vincent zur Welt gebracht hatte, telefonierte die damals 30-Jährige schon wenige Stunden später wieder mit Geschäftspartnern und Mandanten in New York.

Weber-Rey hat gezeigt, dass Frauen durchaus Mutterschaft und Top-Karriere miteinander vereinbaren können.  "Geburten haben mich zum Glück nie belastet", sagt die heute 53-jährige Top-Juristin und dreifache Mutter. Sie ist nicht nur Partnerin in der Kanzlei Clifford Chance, sondern sitzt seit einigen Jahren auch im Verwaltungsrat der französischen Großbank BNP Paribas, berät die EU-Kommission in Sachen Unternehmensführung und ist seit 2008 als einzige Frau Mitglied der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex.  

Die Herrscherinnen des Silicon Valley
Marissa MayerMarissa Mayer ist ein Google-Urgestein, beim Suchmaschinenkonzern war sie Mitarbeiterin Nummer 20. Zuletzt arbeitete die Google-Vorzeigefrau als Produktchefin. Mit dem Wechsel an die Spitze von Yahoo steigt die Ex-Freundin von Google-Gründer Larry Page endgültig in die Spitze der US-IT-Managerinnen vor. Denn eine ganze Reihe von Spitzenpositionen bekleiden Frauen… Quelle: REUTERS
Margaret WhitmanMeg Whitman ist so etwas wie die Grande Dame des Silicon Valley. Ihren Ruhm und Reichtum begründete Whitman, die eigentlich Ärztin werden wollte, mit Ebay. Sie machte aus dem Startup mit gerade mal 30 Mitarbeitern ein global operierendes Online-Auktions- und dann ein Handelshaus mit 15.000 Angestellten und 8,5 Milliarden Dollar Umsatz. Über zehn Jahre lenkte sie Ebay und trat im März 2008 etwas amtsmüde als Vorstandschefin zurück. Die langjährige Chefin des Internet-Handelskonzerns Ebay löste Ende September 2011 überraschend den glücklosen Vorgänger Léo Apotheker an der Spitze des weltgrößten IT-Konzerns ab. Quelle: dapd
Virginia RomettyDie seit 30 Jahren in den Diensten von IBM stehende Managerin hat Anfang Januar 2012 das Steuer vom langjährigen IBM-Boss Sam Palmisano (links) übernommen. Die Informatikerin und Ingenieurin, die 1981 bei IBM anheuerte muss den von Plamisano verkündeten "Strategieplan 2015" fortsetzen. Quelle: Reuters
Sheryl SandbergChefin ist sie zwar (noch) nicht, doch kaum eine Frau im Valley ist so mächtig, wie Sheryl Sandberg. Die frühere Google-Managerin war 2008 zu Facebook gekommen und hat Zuckerberg seitdem in geschäftlichen Dingen den Rücken freigehalten, so dass er sich ganz auf die Weiterentwicklung des Netzwerks konzentrieren konnte. Sandberg sorgt in ihrer Rolle dafür, dass das Geld hereinkommt, kümmert sich um die Außendarstellung, um die Personalführung und vieles andere. Auch beim Börsengang fiel Sandberg als Architektin des geschäftlichen Erfolgs eine wichtige Rolle zu: Sie versuchte zusammen mit Zuckerberg, Investoren zum Kauf von Aktien zu bewegen. Die Nummer zwei bei Facebook hat im Juni ihre Macht im Sozialen Netzwerk ausgebaut. Die fürs Tagesgeschäft zuständige Managerin und rechte Hand von Firmenchef Mark Zuckerberg ist nun auch in den wichtigen Verwaltungsrat eingezogen. Dies ist das höchste Firmengremium - und das war bislang rein männlich besetzt. Quelle: REUTERS
Carol BartzDoch einige Frauen sind auch schon wieder gescheitert. Zwischen 2009 und 2011 sollte Carol Bartz den Umschwung bei Yahoo schaffen. „Diese Leute haben mich verarscht“, schimpfte Carol Bartz, als sie ihren Posten als Yahoo-Chefin wieder verlor. Als Verwaltungsratschef Roy Bostock ihr am Telefon das von Anwälten formulierte Kündigungsschreiben diktierte schleuderte sie ihm entgegen: „Warum hast Du nicht die Eier, es mir selbst zu sagen?“ Im Januar 2009 war die langjährige Chefin des Softwarehauses Autodesk zu Yahoo geholt worden, um endlich wieder Schwung in die Internet-Ikone zu bringen. Bartz fand ein zerrüttetes Unternehmen vor, ohne klare Management-Zuständigkeiten, Intrigen und kleinen Königtümern. Sie brachte wieder klare Strukturen ins Unternehmen, stellte verlustträchtige Projekte ein und kürzte die Kosten. Eine umstrittene Suchmaschinen-Allianz mit Microsoft sparte zwar Kosten. Doch damit gab Yahoo eigene Expertise ab Quelle: REUTERS
Carly FiorinaFiorina war lange Chefin von Hewlett-Packard, sie leitete HP von 1999 bis 2005 und war dort unter anderem für die Fusion mit Compaq verantwortlich. 2010 kandidierte sie als Senatorin für Kalifornien, verlor aber die Wahl gegen die Demokratin Barbara Boxer. Quelle: AP

Schwangere Topmanagerinnen oder Vorstandsvorsitzende sind ebenso selten wie schwangere Ministerinnen. Das liegt sicher nicht in erster Linie an Diskriminierung, sondern wohl vor allem daran, dass Frauen selten noch im gebärfähigen Alter sind, wenn sie die höchsten Positionen erreichen. Viel häufiger und weniger aufsehenerregend sind naturgemäß Frauen, die gerade die ersten Stufen auf der Karriereleiter erklimmen – und dafür auf Kinder nicht verzichten wollen. Und gerade in Deutschland scheinen die Hürden für karrierewillige Mütter besonders hoch zu liegen.

Evelyne Freitag, 45, ist als Mitglied der Geschäftsführung bei Goodyear Dunlop, verantwortlich für die Bereiche Finanzen, Einkauf, IT und Prozessmanagement in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Freitag ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern. „Als ich vor neun Jahren mit meinem zweiten Kind schwanger war, war ich bei einem US-Konzern als Vice President für Finanzen zuständig. Ich habe meinem amerikanischen Vorgesetzten gesagt, dass ich nach der Geburt acht Wochen von zu Hause arbeite. Er war nicht überrascht und sagte: Okay, bis bald." In Deutschland dagegen habe man ihr zu verstehen gegeben, dass eine Führungsposition mit Kind nicht gehe. Davon ließ sie sich aber nicht beeindrucken.

"Unternehmen, die Frau im Topmanagement sehen wollen, müssen auch ein entspanntes Verhältnis zu Schwangerschaften und Kindern haben", sagt Christine Stimpel, Geschäftsführerin der Personalberatung Heidrick&Struggles in Deutschland. Sie habe bisher auch stets die Erfahrung gemacht, dass Frauen, die für solche Positionen in Frage kommen, ihre Familien ebenso gut managen wie alles andere in ihrem Leben. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie das nötige Geld hätten, ihre Kinder betreuen zu lassen.

"Hilfe, die Chefin ist schwanger!"

Diese Fehler verbauen Frauen die Karriere
1.  Frauen lassen sich von Stellenanzeigen einschüchternKeine Frage, Bewerber sollten Stellenanzeigen sorgfältig durchlesen. Aber zu viel Sorgfalt schadet eher. Ein Problem, das vor allem Frauen betrifft. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Online-Stellenbörse Jobware. 151 Männer und 79 Frauen lasen darin 150 Stellenanzeigen. Währenddessen wurden ihre Augenbewegungen aufgezeichnet, hinterher bewerteten die Studienleiter ihre Aussagen. Das Ergebnis: Frauen klickten im Schnitt nicht nur auf mehr Jobprofile, die sie auch länger durchlasen. Mehr noch: Sie ließen sich wesentlich stärker von vermeintlich männlichen Stellentiteln und Qualifikationen beeindrucken – und wollten sich gar nicht erst bewerben. Ein Indiz dafür, dass sich Frauen von manchen Anforderungen immer noch zu stark beeindrucken lassen. Ein Problem, das schon früh beginnt... Quelle: Fotolia
2. Schon Mädchen scheuen WettbewerbMatthias Sutter und Daniela Rützler von der Universität Innsbruck untersuchten in einer Studie das Verhalten von mehr als 1000 Kindern im Alter zwischen 3 und 18 Jahren. Sie sollten verschiedene Tests lösen, etwa Wettläufe oder Matheaufgaben. Als Belohnung erhielten sie kleine Geldbeträge. Im Verlauf des Spiels konnten die Kinder dann gegen Gleichaltrige antreten und dabei mehr verdienen. Bei den Jungen entschieden sich 40 Prozent für den Wettkampf unter Gleichaltrigen. Von den Mädchen wollten das nur 19 Prozent wagen. Quelle: Fotolia
3. Frauen unterschätzen ihre LeistungErnesto Reuben von der Columbia Business School gewann für sein Experiment (.pdf ) 134 Studenten. Alle hatten zwei Jahre zuvor verschiedene Aufgaben absolviert, jetzt sollten sie ihre damalige Leistung bewerten. Das Ergebnis: Die Männer überschätzen ihre tatsächliche Leistung um rund 30 Prozent überschätzt, die Frauen hingegen um weniger als 15 Prozent. Im zweiten Schritt teilte Reuben die Teilnehmer in Gruppen. Sie sollten einen Vertreter wählen, der für die Gruppe Geld gewinnen konnte. Das Ergebnis: Weil sie zu ehrlich waren, schafften es weibliche Teilnehmer drei Mal seltener als Männer, die Rolle des Anführers zu übernehmen. Quelle: Fotolia
4. Frauen lassen sich von Klischees beeinflussenMarina Pavlova vom Universitätsklinikum Tübingen reichte für ihre Studie im Jahr 2010 83 Medizinstudenten den Abschnitt eines Intelligenztests. Dabei sollten sie eine Reihe von Bildern in die richtige Reihenfolge zu bringen. Doch vorab gaukelte Pavlova der einen Hälfte der Teilnehmer vor, dass Frauen bei dieser Aufgabe generell besser abschneiden. Die andere Hälfte erfuhr, dass Männer darin bessere Ergebnisse erzielen. Ergebnis: Die Frauen ließen sich von negativen Aussagen viel stärker beeinflussen als Männer. Deren Leistung litt kaum unter der Vorab-Information. Quelle: Fotolia
5. Frauen sind schneller zufriedenDer Soziologe Stefan Liebig von der Universität Bielefeld analysierte für seine Studie (.pdf ) Daten des Sozio-oekonomischen Panels. In dieser Langzeitstudie machen 10.000 Deutsche regelmäßig Angaben zu Ihrem Beruf und Privatleben. Liebig wollte wissen, ob sie ihr aktuelles Einkommen als gerecht empfanden - und falls nein, welches Nettogehalt angemessen wäre. Wenig überraschend: Etwa jeder dritte Befragte fand sein Einkommen ungerecht. Doch das Einkommen, das Frauen als gerecht empfanden, lag noch unter dem tatsächlichen Gehalt von Männern. Egal ob Akademikerin oder Reinigungskräfte: Frauen hatten finanzielle geringere Ansprüche. Quelle: Fotolia
6. Frauen scheuen Jobs mit WettbewerbAndreas Leibbrandt und John List schalten für ihre Untersuchung Stellenanzeigen in neun US-Städten – in zwei verschiedenen Versionen. Die eine Ausschreibung suggerierte, dass das Gehalt nicht verhandelbar sei. Die andere behauptete, dass das Gehalt Verhandlungssache sei. Fazit: Bei letzterer Stelle bewarben sich wesentlich mehr Männer. Offenbar meiden viele Frauen Jobs mit starkem Konkurrenzdenken. Quelle: Fotolia
Ein Mann hält einen Zettel mit der Aufschrift "Job gefällig?" in der Hand Quelle: dpa

Nicht immer gehen die betroffenen Managerinnen und ihre Unternehmen mit der Schwangerschaft so offen und positiv um, wie das Marissa Mayer und Yahoo zumindest nach außen tun. Der Frankfurter Personalberater Heiner Thorborg weiß von einer jungen Anwältin zu berichten, die schon als Partnerin in ihrer Kanzlei fest vorgesehen war und dann von der Liste flog, als bekannt wurde, dass sie schwanger ist. „Ihr direkter Vorgesetzter hat eine Frau mit drei Kindern, die nicht arbeitet.“ Er konnte sich offensichtlich nicht vorstellen, dass eine junge Mutter der anstrengenden und verantwortungsvollen Führungsaufgabe gewachsen ist. So etwas werde natürlich nie laut ausgesprochen, sagt Thorborg. Er empfiehlt Frauen, sofort Bewerbungsgespräche abzubrechen, wenn Sie nach ihren Kinderwünschen befragt werden. Schließlich sei das auch mit gutem Grund verboten: „Kinder zu kriegen, ist eine persönliche Entscheidung, die keinen Arbeitgeber etwas angeht.“ Stimpel ist der gleichen Ansicht: "Das Privatleben ist kein Qualifikationsfaktor."

Das sieht manch einer allerdings anders, wenn es um Topmanagerinnen geht. Als 2009 Jasmin Staiblin, die Chefin der Schweizer Tochter des Konzerns  ABB, schwanger war, machten sie selbst und ABB daraus so lange ein Geheimnis, bis es nicht mehr zu verheimlichen war. Erst im neunten Monat informierte die Managerin mit einer ganz knappen Nachricht im firmeneigenen Intranet die Belegschaft. Nach vier Monaten kehrte sie auf ihren Posten zurück. Presseanfragen zu ihrer Schwangerschaft lehnte sie ab.

Bei einigen Schweizer Journalisten löste diese Nicht-Informationspolitik Kritik aus. „Hilfe, die Chefin ist schwanger!“, schrieb die Sonntagszeitung. Schließlich hätten Anteilseigner, Gläubiger und vor allem Mitarbeiter ein legitimes Interesse daran, wie die Chefin gedenkt, die Arbeitsbelastungen mit der Mutterschaft in Einklang zu bringen.

Jasmin Staiblin jedenfalls machte auch als Mutter bei ABB eine gute Figur. Sie wird, wie vor wenigen Wochen bekannt wurde, im kommenden Jahr Vorstandschefin des Schweizer Energiekonzerns Alpiq.

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