Der Wettbewerb wird immer dynamischer. Und als Folge davon werden die strategischen Anforderungen an Unternehmen komplexer. Auch wenn viele Akteure zum Beispiel in der IT- oder Versicherungsbranche noch nicht realisiert haben, dass die Jahre des beinahe garantierten Wachstums vorbei sind: Viele Unternehmen bewegen sich in reifen, sehr umkämpften Märkten. Daher müssen sie ihre Geschäftsmodelle von Grund auf hinterfragen und an die neuen Anforderungen anpassen, wenn sie langfristig ihre Existenz sichern wollen. So sehr sich die Strategien je nach Kontext und Branche unterscheiden können, ist ihnen eines gemeinsam: Sie müssen immer schneller und klarer vom gesamten Management entschlüsselt werden.
In einer besonderen Lage steckt die Solarbranche. Die betreffenden Unternehmen sind nach jahrelangen staatlichen Subventionen im Grunde erstmals „realen“ Wettbewerbsbedingungen ausgesetzt – von den Folgen lesen wir derzeit täglich in den Zeitungen. Weniger bekannt ist, dass sich auch viele Krankenhäuser in einer ähnlichen Situation befinden: Staatliche Regulierungen wurden über die Jahre stark zurückgenommen, und private Träger dominieren nun den Markt. Auch hier sind viele Akteure zum ersten Mal gezwungen, sich mit den Dynamiken des Wettbewerbs auseinanderzusetzen und Strategien für ihre Organisationen entwickeln und umsetzen zu lernen. Gleichzeitig müssen diese einem ganz eigenen - ärztlichen - Führungsethos genügen.
Die Beispiele zeigen: Strategische Konzepte gewinnen dramatisch an Bedeutung, wo sich die Bedingungen am Markt verschärfen – doch wer entwickelt diese und wer setzt sie in den Unternehmen um? Typischerweise – besonders im Mittelstand – befassen sich nur die Spitzenentscheider mit Strategieverwirklichung, während die restliche Führungsmannschaft womöglich noch Widerstand gegen alle Veränderungsszenarien leistet.
Ganzes Management einbeziehen
Gerade in umkämpften Märkten ist es langfristig wenig aussichtsreich, Geschäftsfelder aus Prinzip und Tradition aufrechtzuerhalten. Das Know-How und die Marktkenntnis der Führungskräfte sind notwendig, um herauszufinden, ob die Stärken der Vergangenheit auch die Stärken der Zukunft sein werden. Und wenn dann eine neue Strategie festgelegt wurde, ist es entscheidend, sie auf die Organisationsstrukturen und auf die Geschäftsprozesse herunter zu brechen – bis hin zur Zielvereinbarung mit dem einzelnen Mitarbeiter. Solche umfassenden Vorhaben sind aber nur unter Einbezug des gesamten Managements umzusetzen.
Die Kompetenzen, um Strategien umzusetzen
Bleibt die Frage, inwieweit die Führungskräfte auf die anstehende Verwirklichung der Strategie überhaupt vorbereitet sind. In unserer Beratungspraxis bei der strategischen Organisationsentwicklung von Unternehmen erleben wir oft, dass ein Bewusstsein für die hohe Relevanz strategischer Fragen bei vielen Führungskräften erst noch geschaffen werden muss. Viele Manager erfüllen vorwiegend operative Aufgaben und kommen mit Fragen der strategischen Unternehmensführung im Alltag kaum in Berührung. Doch die Kompetenz der Strategieverwirklichung ist gut erlernbar. Sie lässt sich in sechs Teilkompetenzen aufgliedern, die teils separat und teils übergreifend geschult werden können:
Kompetenzen der Strategieverwirklichung
Führungskräfte müssen die gegenwärtige und zukünftige Marktentwicklung deuten und verstehen können; sie müssen die wichtigsten Kunden, Konkurrenten, den Status aktueller und potenzieller Absatzmärkte sowie wichtige externe Einflussfaktoren auf den Wettbewerb identifizieren und in Bezug auf das eigene Geschäftsmodell interpretieren können.
Führungskräfte brauchen ein grundlegendes Verständnis von strategischer Unternehmensführung. Sie sollten zentrale Grundstrategien kennen, die sich als Antwort auf bestimmte Wettbewerbssituationen eignen, und sie sollten deren praktische Konsequenzen für die Organisation abschätzen können. Nur dann können sie die konkreten Dynamiken erkennen, denen ihr Unternehmen ausgesetzt ist.
Ebenso sollten Führungskräfte zwischen unterschiedlichen Organisationsstrukturen im Vergleich mit ihrer eigenen und deren Implikationen für die Geschäftsprozesse unterscheiden und diese aktiv als Rahmenparameter gestalten können.
Alle theoretischen und empirischen Kenntnisse von Markt, Strategie und Organisation müssen konkret auf die eigene Situation angewendet werden – zunächst in der Strategieentwicklung, später aber auch in der organisatorischen Umsetzung. Dabei muss die Geschichte und Kultur des Unternehmens beachtet werden. Transferfähigkeit ermöglicht also den individuellen Zuschnitt strategischer Maßnahmen auf ein individuelles Unternehmen.
Führungskräfte müssen die neuen strategischen Anforderungen mit den fachlichen Kompetenzen und Erfahrungen abgleichen, die im eigenen Team bereits vorhanden sind. Sie müssen es verstehen, Schwächen zu ergänzen (auch die eigenen!) und Stärken auszubauen. Dies gelingt nur auf der Grundlage einer sicheren Diagnose.
Manager müssen erreichen, dass ihre Mitarbeiter strategische Richtungswechsel verstehen, mittragen und umsetzen. Hierfür ist eine offene und schlüssige Kommunikation ebenso wichtig wie Überzeugungskraft, aber auch Einfühlungsvermögen und ein gutes Selbstmanagement.
Welche Möglichkeiten gibt es für Unternehmen, bei Bedarf die Strategieverwirklichungskompetenz ihrer Manager zu schulen?
Wenn Unternehmen Führungskräfte von Anfang an in alle Prozessschritte der Strategieentwicklung und -verwirklichung einbinden, so schaffen sie automatisch einen Rahmen, in dem Strategieverwirklichungskompetenz für alle Führungskräfte relevant wird. Zusätzlich sollten die Führungskräfte die sechs genannten Kompetenzen gezielt über Seminare und Schulungen, insbesondere aber auch über interaktives Praxistraining entwickeln. Die eigentliche, reale Strategie entsteht nämlich immer erst in der Wechselwirkung mit den praktischen Umsetzungsmöglichkeiten.
Führungsinstrumente anpassen
Dabei sollten Manager auch auf die Aufgabe vorbereitet werden, ihrerseits mit den ihnen unterstehenden Führungskräften oder Mitarbeitern den konkreten Transfer der Unternehmens-, Bereichs- oder Abteilungsstrategie auf die konkreten Aufgaben ihres Zuständigkeitsbereichs herunter zu brechen. Gemeinsam im Führungsteam müssen auch die Führungsinstrumente angepasst werden.