Manager im Elfenbeinturm Wenn Chefs ihre Macht ausnutzen

American-Apparel-Chef Dov Charney machte jahrelang mit Sexskandalen Schlageilen. Erst jetzt hat ihn der Aufsichtsrat des Modekonzerns entlassen. Warum Chefs oft viel zu lange Narrenfreiheit genießen.

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Nach jahrelangen Skandalen wegen sexueller Belästigung musste American-Apparel-Chef Dov Charney nun das Handtuch werfen. Quelle: REUTERS

Ein Bewerbungsgespräch steht an und der künftige Arbeitgeber erscheint lediglich in einem umgewickelten Handtuch. So geschehen 2011 zwischen American-Apparel-Chef Dov Charney und der Bewerberin Kimbra Lo. Die 19-Jährige wollte als Fotografin für den Modekonzern arbeiten, Dov Charney wollte Sex. Es folgte eine von vielen Klagen gegen den heute 45-Jährigen. Nun hat der Aufsichtsrat des Unternehmens den exzentrischen Chef entlassen.

Auch die Modefirma Abercrombie & Fitch ließ im Mai ihren Chef Mike Jeffries nach einer unpassenden Aussage fallen: „Ehrlich gesagt, wir gehen nach den coolen Kids. Wir wollen die typisch amerikanischen Kids mit einer tollen Ausstrahlung und vielen Freunden. Dazu gehören viele nicht.“ Diese Einstellung ist allerdings nicht neu:  Schon 2010 schrieb Wirtschaftsautor Robin Lewis in seinem Buch „The New Rules of Retail“, Jeffries wolle „keine dicken Menschen in seinen Shops einkaufen sehen. Er möchte dünne und schöne Leute“.

Warum Narzissten schneller Karriere machen
Narzissten sind selbstbewusstSelbstbewusstsein und die dazugehörige Portion Rücksichtslosigkeit macht Narzissten so erfolgreich - und Unternehmen häufig erst innovativ. Eine Studie deutsch-amerikanischer Forscher um Wolf Christian Gerstner und Andreas König von der Universität Erlangen-Nürnberg zeigt: Unternehmen investieren umso häufiger in neue Technologien, je narzisstischer der jeweilige CEO ist. Dennoch ist Vorsicht angebracht: Zu viel Risikobereitschaft kann dem Unternehmen auch schaden. Quelle: AP
Narzissten sind ideale ChefsNarzissmus ja, aber bitte nicht zu viel. So lautet die Beschreibung für den idealen Chef. Wissenschaftler um Emily Grijalva von der Universität von Illinois fanden heraus, dass der Zusammenhang zwischen Narzissmus und dem Erfolg als Führungskraft die Form eines umgekehrten U annimmt. Soll heißen: Extremer Narzissmus hilft ebenso wenig weiter wie überhaupt kein Narzissmus. „Der ideale Chef ist in Maßen narzisstisch“, sagt Grijalva. Quelle: Fotolia
Narzissten sind ehrgeizigVor allem in Chefetagen sind Narzissten keine Seltenheit. Kein Zufall: Zum einen sind Narzissten ehrgeizig, motiviert und machtgierig. Zum anderen verfügen sie über die nötige soziale Intelligenz, um ihre Untergebenen und Kollegen zu umschmeicheln. Das beweist auch eine Studie von der Ohio State Universität aus dem Jahr 2008. Die ergab: Narzisstische Studenten sind nicht nur besonders dominant bei Diskussionen, sondern wurden auch häufig in den Vorsitz von Studentenvereinigungen gewählt. Quelle: dpa
Narzissten machen steiler KarriereEgo hin oder her: Dass Narzissten schneller die Karriereleiter erklimmen, ist bekannt. Rücksichtslos und konsequent egoistisch lassen sie alle Hindernisse links liegen und ziehen durch, bis sie in der Chefetage angekommen sind. Dieses Charisma kann manchmal sogar ansteckend wirken - und Mitarbeiter dazu verleiten, selbst ein bisschen mehr Ehrgeiz an den Tag zu legen. Quelle: dpa
Quelle: Fotolia
Narzissten sind sympathischZumindest auf den ersten Blick. Das zeigt eine Studie der Universität Münster. Befragte Kommilitonen gaben bei Narzissten oft an: „Finde ich sympathisch, würde ich gern besser kennenlernen.“ Langfristig machen sich Narzissten dagegen keine Freunde – wer länger mit ihnen zu tun hat, dem werden Narzissten auf Dauer unsympathischer.   Quelle: Fotolia
Narzissten sind extrovertiertVor allem mit ihrer Extrovertiertheit können Narzissten oft punkten. Die kann schon beim Bewerbungsgespräch zum entscheidenden Vorteil werden - wenn der Narzisst es schafft, bereits bei diesem ersten Treffen zu glänzen. Quelle: Fotolia

Obwohl viele Chefs immer wieder negativ auffallen, reagieren Unternehmen oftmals sehr langsam. Persönlichkeiten, die offensichtlich unhaltbar sind, schaffen es vielfach nicht nur in die höchsten Führungsebenen aufzusteigen, sondern sich dort auch lange zu halten. Darunter sind oftmals Narzissten, Psychopathen, Machiavellisten oder eine Mischung aus allem.

Jürgen Weibler, Professor für Personalführung und Organisation an der Fernuniversität in Hagen, beschreibt sie als selbstherrlich, machtgetrieben, manipulativ und überheblich. „Wir finden diese Persönlichkeiten in Wirtschaftsorganisationen empirischen Studien zufolge überproportional häufig vor“, sagt der Personalexperte. Der Grund: Die hierarchischen Strukturen in der Wirtschaft, sowie Anreize, wie Boni, Dienstwagen und Co., begünstigen ihren Aufstieg.

Oben angekommen ist es schwer, sie wieder los zu werden. „Wie schwierig die Personen sind, offenbart sich erst nach ihrem Scheitern“, sagt Weibler. „Dann fällt ihre Maske und die Umgebung bricht ihr Schweigen.“ Das zeigt sich am Extrembeispiel American Apparel: Immer wieder prozessierten sexuell belästigte Frauen gegen Charney, der dafür bekannt war, nur in Unterhose durch die Firma zu flanieren. Seine Entlassung kam jedoch erst jetzt, nach dem dritten Verlustjahr in Folge für den Bekleidungshersteller.

Das Unternehmen leitete eine Untersuchung ein, um Entlassungsgründe für den Chef und Gründer zu finden. Das war nicht schwer: Bei der Prüfung kam ans Licht, dass Charney Flüge für seine Eltern auf Unternehmenskosten buchte und Freunde gelegentlich in Firmenappartments übernachten ließ. Außerdem kam ans Licht, dass er den Blog eines American-Apparel-Angestellten nicht einstellen ließ, in dem Nacktfotos der ehemaligen Verkäuferin Irene Morales veröffentlicht wurden. Sie hatte Charney ebenfalls wegen sexueller Belästigung verklagt.

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