Manager unter Druck Teamleiter - kein Job für schwache Gemüter

Mittelmanager können es niemandem recht machen. Ihre Chefs befehlen, die Mitarbeiter lassen ihren Frust an den Sandwich-Chefs ab. Dieser Stress macht manche krank.

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Manager im Sandwich. Quelle: Illustration: Katharina Bourjau

Johannes Lausenmeyer hätte Schauspieler werden können, so oft wechselt er im Büro die Rollen. Lausenmeyer ist Teamleiter beim internationalen Recruitingdienstleister Hays. In der Niederlassung in Nürnberg verantwortet er eine Gruppe von 14 Mitarbeitern, die ihren Kunden Fachkräfte für die Automobilindustrie vermitteln. „Ich muss mich an jeden einzelnen Angestellten anpassen“, sagt Lausenmeyer. Für neue Kollegen schlüpft er zum Beispiel in die Rolle des Mentors, mit erfahrenen Recruitern diskutiert er fachliche Fragen.

Und das ist längst nicht alles. „Im mittleren Management stellt sich einem jede Aufgabe zweimal“, sagt Lausenmeyer. Von seinen Vorgesetzten bekommt er strategische Vorgaben, etwa, welchen Gewinn das Unternehmen erreichen will oder welche Produkte beim Kunden platziert werden sollen.

„An mir liegt es dann, die Ziele mit meinen Mitarbeitern umzusetzen“, sagt der Teamleiter. Und da beginnen die Probleme. Die Basis goutiert natürlich nicht jeden Beschluss, sagt Lausenmeyer, und „natürlich würde auch ich persönlich manche Dinge anders entscheiden“. Aber eine seiner Rollen sei es nun einmal, zu erklären, „warum es wichtig ist, genau diese Entscheidung so zu treffen und umzusetzen“.

Das Management-Dilemma: Gefangen zwischen CEO und Mitarbeitern

Es ist das klassische Dilemma des mittleren Managements: Die Chefetage entwickelt visionäre Strategien und präsentiert sie der Öffentlichkeit. Doch wenn es darum geht, die kühnen Ziele in konkrete Arbeitsanweisungen für Mitarbeiter zu übersetzen, sind Abteilungsleiter und Teammanager gefragt. Sie sind erste Adressaten von Anweisungen des Topmanagements – und erste Adressaten des Unmuts ihrer Angestellten. Auch diesen Frust der Mitarbeiter sollen die Mittelmanager umwandeln. Am besten in konstruktives Feedback für die Entscheider.

Wie Sie als Chef auf Feedback reagieren sollten

Viele fühlen sich eingezwängt von Erwartungen, die von oben auf ihnen lasten und sie von unten erdrücken. Das merkt schnell, wer mit Managern aus dem Mittelbau deutscher Unternehmen spricht: Die Sandwich-Lage überfordert und demotiviert. Fast 40 Prozent der mittleren Führungskräfte sehen in ihrem Unternehmen nur noch bedingt eine Perspektive für ihre berufliche Laufbahn, sie planen einen Karriereausstieg. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Manager Monitor des Führungskräfteverbands United Leaders Association (ULA) und der Bertelsmann Stiftung, der der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegt.

Für die Erhebung werden regelmäßig etwa 1500 Führungskräfte der mittleren Führungsebene im Alter zwischen 30 und 65 Jahren zu den Themen befragt, die sie gerade bewegen. Die Ergebnisse legen ein Stimmungstief im mittleren Management offen. „In deutschen Unternehmen macht sich ein Führungskräfteblues bemerkbar“, sagt Martin Spilker, Leiter des Kompetenzzentrums Führung und Unternehmenskultur der Bertelsmann Stiftung.

Die anspruchsvolle Position als Vermittler hat daran einen großen Anteil. Denn die Mehrfachbelastung hat Folgen. Das konnte zum Beispiel der US-Epidemiologe Seth Prins von der Columbia-Universität in New York 2015 nachweisen. Für eine Studie analysierte er die Angaben von 22.000 Arbeitnehmern und fand heraus: Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Hierarchieebene und bestimmten Krankheiten.

Mittelmanager werden öfter krank

So berichten unter Angestellten ohne Führungsverantwortung zwölf Prozent von Depressionen oder Angstzuständen, unter Unternehmern und Vorständen sind es etwa elf Prozent. Im mittleren Management dagegen fühlten sich immerhin 18 Prozent der Untersuchten depressiv oder ängstlich. Oder anders gesagt: Wer ins mittlere Management befördert wird, hat eine deutlich höhere Chance, seelisch krank zu werden.

Aber woran genau liegt das – und wie lässt es sich vermeiden? Forscher Prins glaubt, dass das mittlere Management oft zu wenig Freiheit habe, um Entscheidungen umzusetzen. Dadurch entsteht ein Gefühl von Kontrollverlust – ein Gefühl, das depressive Stimmungen verstärken könne.

Das Klischee des nutzlosen Mittelmanagers

Nun könnte man einwenden, der einfache Angestellte habe noch weniger Einfluss auf seine Arbeit. Prins vermutet aber, dass es auf der untersten Hierarchieebene zumindest stärkere Solidarität und soziale Unterstützung gibt. In der Führungsetage jedoch fehle dieser schützende Mechanismus oft: Man arbeitet dort nicht unter Gleichgesinnten mit parallelen Interessen. Sondern in einem Kreis von Ich-geleiteten Konkurrenten, in einer Zone der Nichtsolidarität.

Von oben gibt es Vorgaben, von unten null Verständnis – und von den Kollegen aus dem mittleren Management keine Unterstützung: So entsteht Stress.

Heiko Poggensee kennt die Probleme und beschäftigt sich mit deren Lösung: „Im mittleren Management muss man ein guter Übersetzer sein.“ Poggensee ist Global Category Leader Leased Cars beim Leuchtmittelkonzern Philips Lighting. Er arbeitet daran, die Firmenwagenstrategie des Unternehmens weltweit zu vereinheitlichen.

Bereits in seinem früheren Job bei einem deutschen Mittelständler half ihm vor allem seine Kommunikationsstärke, sein Talent, elegant zwischen Chef und Angestellten zu vermitteln. Heute ist das für ihn erst recht nützlich. Denn Poggensee ist mittlerweile Mittelmanager ohne direkte Untergebene: Er muss die Firmenwagenstrategie gemeinsam mit Verantwortlichen in 42 Ländern umsetzen, ohne Weisungsbefugnis. Er ist daher darauf angewiesen, die Kollegen von seinen Ideen zu überzeugen. Bisweilen geht das nur über Kompromisse.

Mittelmanager: Die Lehmschicht, die abzutragen sei

Dieses Dilemma kennen alle Mittelmanager. Und das nicht nur, weil sie in der konfliktreichen Sandwich-Position sitzen – sie erfahren auch wenig Wertschätzung. Der US-Cartoonist Scott Adams persiflierte das Klischee des nutzlosen Mittelmanagers in seinen Dilbert-Comics. Deren Arbeit, schrieb Adams kürzlich, sei so einfach, dass sie bald von Robotern ersetzt würde.

Tatsächlich nahmen Unternehmen die Probleme der Menschen in der mittleren Führungsebene lange Zeit nicht ernst. Stattdessen herrschte die Ansicht vor, sie seien das eigentliche Problem. Als der ehemalige Siemens-Chef Peter Löscher vor einigen Jahren ankündigte, Tausende Stellen zu streichen, bezeichnete er das mittlere Management als „Lehmschicht“, die es abzutragen gelte.

Der Chef kann nicht alles sein

Diese Abschätzigkeit ist für Rüdiger Winkler das falsche Signal. „Von Vertretern des Lean Management wurde immer behauptet, das mittlere Management sei nichts wert“, sagt der Geschäftsführer der Jürgen Meyer Stiftung, die sich mit den Problem- und Gemütslagen der Mittelmanager beschäftigt. Doch mittlerweile gebe es ein Umdenken. Unternehmen merkten, dass die mittleren Manager unverzichtbar sind. „Selbst in kleinen Betrieben mit 30 Mitarbeitern kann der Chef nicht alles alleine regeln“, sagt Winkler.

Die Position des mittleren Managers abzuschaffen kann sogar wirtschaftlich schädlich sein. Das zeigt eine Studie von Ethan Mollick aus dem Jahr 2012. Der Managementforscher der Wharton School der Universität von Pennsylvania untersuchte die Computerspiele-Industrie. Sie eignet sich besonders gut dazu, den Beitrag einzelner Mitarbeiter am Erfolg eines Projekts zu messen – denn bei jedem neuen Spiel ist klar, wer als Entwickler und wer als Manager tätig war. Mollick analysierte knapp 900 Spiele, die über einen Zeitraum von zwölf Jahren entstanden waren. Wie hatte sich der wirtschaftliche Erfolg verändert, wenn unterschiedliche Menschen in unterschiedlichen Positionen daran beteiligt waren?

Mittelmanager sind ausschlaggebend für den Erfolg

Und siehe da: Den größten Anteil am Erfolg hatten nicht etwa die kreativen Designer, die in der Öffentlichkeit für ihre genialen Einfälle gefeiert werden. Wenn ein Spiel sich besonders gut verkaufte, dann waren die oft übersehenen und gescholtenen Mittelmanager für fast ein Viertel der Umsätze verantwortlich. „Sie sind wichtig“, sagt Mollick, „keine austauschbaren Teile einer Organisation.“

Doch dieser Wert wird in vielen Unternehmen ignoriert – übrigens auch von den Mittelmanagern selbst. Sie sehen ihren Posten häufig nur als Durchgangsstation auf dem Weg nach ganz oben und messen ihrer eigenen Position daher nicht den Wert bei, der ihr gebührt: Wer es wirklich draufhat, bleibt nicht auf der Hälfte des Weges stehen!

Nicht nur der Chefposten ist wichtig

Matthias Fifka findet das weltfremd. „Mit Beginn des Studiums behandelt man die Menschen so, als würde jeder von ihnen im Topmanagement landen“, sagt der Professor für Betriebswirtschaft von der Universität Erlangen-Nürnberg. Er hat sich in mehreren Studien mit dem Zustand des mittleren Managements in deutschen Unternehmen beschäftigt. Und dabei erkannt, dass auch die Unternehmenskultur für das mäßige Image verantwortlich sei. Die oberste Führungsetage vermittle den mittleren Managern nicht, dass für die meisten von ihnen auf dieser Ebene Schluss ist. „Wer ständig suggeriert, dass nur das ‚ganz oben‘ zählt“, sagt Fifka, „löst in der Mitte unweigerlich Frust aus.“ Das ist nicht nur persönlich belastend, sondern kann sich auch auf die Produktivität des gesamten Unternehmens auswirken.

Unternehmen sollten daher schon aus Eigeninteresse versuchen, ihren Mittelmanagern das Leben leichter zu machen. An einigen Stellen ist das mit wenig Aufwand möglich. Zum Beispiel muss es sich für Abteilungs-, Team- und Bereichsleiter, auch für solitäre Fachkräfte lohnen, an ihrer Stelle exzellent zu sein – und zu bleiben. „Auf keinen Fall sollten die mittleren Manager das Gefühl bekommen, stehen zu bleiben“, sagt BWL-Professor Fifka.

Neue Aufgaben erhöhen die Motivation

Eine weitere Möglichkeit: Karrierewege müssen nicht unbedingt vertikal verlaufen, sondern auch horizontal. Vielleicht ließe sich manch frustrierter Mittelmanager neu motivieren, wenn er eine andere Aufgabe auf gleicher Hierarchieebene bekommt – etwa indem er ein neues Team leitet oder eine ähnliche Abteilung im Ausland aufbaut.

Eine leistungsorientiertere Bezahlung wiederum könnte dazu beitragen, dass das mittlere Management nicht mit Mittelmaß gleichgesetzt wird. „Man muss hervorragende Leistungen im mittleren Management erkennen und honorieren“, sagt Fifka. Eine Befragung der Boston Consulting Group aus dem Jahr 2010 hat ihn besonders erstaunt: Danach gaben nur 24 Prozent der deutschen Mittelmanager an, auch über leistungsabhängige Boni vergütet zu werden. Ganz klar: Egal, ob durch neue Karrieremöglichkeiten, mehr Entscheidungsspielraum oder eine bessere Bezahlung – Mittelmanager sollten die Anerkennung bekommen, die sie aufgrund ihrer tragenden Rolle im sensiblen Geflecht eines Unternehmens verdienen.

Was Unternehmen tun können, um ihre Mitarbeiter zu motivieren

Dann könnte es vielleicht mehr Vertreter dieser Gattung geben wie Jürgen Petschenka. Der Bereichsleiter des Flottenmanagementspezialisten Leaseplan nennt seine Stelle gerne Bandscheiben-Position. Er ist dafür zuständig, die Ziele der Geschäftsführung über ihm an die Abteilungsleiter unter ihm zu vermitteln. Rund 34 Angestellte gehören zu seinem Bereich. Petschenka fühlt sich wohl mit den Herausforderungen seiner Position, aber auch er kämpft mit den klassischen Problemen. Er ist zwar an der Strategieentwicklung beteiligt und kann eigene Ideen einbringen. Doch wenn die Strategie einmal feststeht, muss sich jeder dran halten.

„Kommen neue Zielvorgaben von oben, dann diskutieren wir nicht, ob wir das schaffen“, sagt Petschenka, „sondern nur wie.“ Ein Problem? Nicht für Petschenka. „Mittelmanager sind dazu da, Probleme zu lösen“, sagt er und: „Wenn alles wie von selbst laufen würde, bräuchte man uns ja nicht.“

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