Managerhaftung Wer haftet im Schadensfall?

Die „Dieselgate“-Affäre bei VW wirft erneut die Frage auf: Wer kann bei solchen Skandalen zur Verantwortung gezogen werden? Wer übernimmt den möglichen Schaden? Und schützt Unwissenheit vielleicht doch vor Strafe?

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Typologie der Macht
ein Männchen steht neben einem Bürostuhl mit einem roten Fragezeichen Quelle: Fotolia
eine Familie steht auf einer Brücke Quelle: Fotolia
Arbeiter mit freiem Oberkörper tragen am 20.05.2014 auf einer Baustelle in Berlin in praller Sonne ein Stahlgitter Quelle: dpa
Schüler spielen Fußball Quelle: dpa
ein Schüler meldet sich Quelle: dpa
Absolventen der HHL Leipzig Graduate School of Management werfen ihre Doktorhüte am 29.08.2015 vor der Thomaskirche in Leipzig (Sachsen) in die Luft. Quelle: dpa
Eine Frau füllt einen Antrag auf Ausbildungsförderung (Bafög) aus Quelle: dpa

Kommt es in Unternehmen zu Missständen, steht vor allem das Management im Scheinwerferlicht. Der Korruptionsskandal während der Amtszeit des früheren Siemens-Vorstandschefs Heinrich von Pierer, die Verurteilung des ehemaligen Arcandor-Chefs Thomas Middelhoff sowie die Betrugsvorwürfe gegen mehrere hochrangige deutsche Banker sind nur eine Auswahl der prominenten Fälle der letzten Jahre. Auch im Zusammenhang mit der Finanzkrise wurden vor allem die Führungskräfte der beteiligten Banken und Finanzunternehmen als Hauptverursacher genannt.

Derzeit beherrscht vor allem der beschönigend „Dieselgate“ genannte Abgasskandal im Zusammenhang mit dem Autokonzern VW die Medien. Rund 11 Mio. Fahrzeuge müssen nachgerüstet werden, VW drohen Strafzahlungen in zweistelliger Milliardenhöhe. Des Weiteren sind bereits die ersten Klagen von Privatkunden gegen VW eingegangen. Zwangsläufig stellt sich die Frage: Wer wusste intern von den behaupteten Manipulationen und wer haftet gegebenenfalls für geltend gemachte Schäden?

Die Managerhaftung ist kein in sich geschlossenes Haftungssystem, sondern besteht aus einer Vielzahl von gesetzlichen Regelungen. Je nach Stoßrichtung wird hierbei unterschieden zwischen der Innenhaftung und der Außenhaftung. Ansprüche des Unternehmens gegen den Manager werden als Innenhaftung, die Inanspruchnahme des Managers durch Dritte, außerhalb der Gesellschaft stehende Personen hingegen als Außenhaftung bezeichnet. Während sich der letztgenannte Bereich weitestgehend im allgemeinen Haftungsrecht abspielt, beruht die Innenhaftung zu einem Großteil auf von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen sowie der „Business Judgment Rule“.

Die Innenhaftung:

Unternehmerische Entscheidungen, mögen sie auch noch so sorgfältig vorbereitet und ausgeführt worden sein, tragen immer das Risiko des Fehlschlags in sich. Eine solche Entscheidung unterliegt daher zu Recht einem - gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren - unternehmerischen Ermessen. Aus diesem Grund gelten hier besondere Regeln. Die gesetzlichen Grundlagen für eine Innenhaftung stellt für Vorstände § 93 AktG und für Geschäftsführer § 43 GmbHG zur Verfügung. Beide Rechtsgrundlagen schreiben inhaltlich im Wesentlichen den gleichen organschaftlichen Sorgfaltsmaßstab vor: eine „ordnungsgemäße unternehmerische Führung“ der Gesellschaft.

Dr. Cornelia Marquardt, Partnerin im Bereich Arbeitsrecht des Münchener Büros der internationalen Kanzlei Norton Rose Fulbright.

Da dieser Sorgfaltsmaßstab zu Recht sehr weit gefasst ist, wurden diese sog. Generalklauseln durch die Rechtsprechung der deutschen Gerichte mit Leben gefüllt. Die Gerichte orientieren sich dabei an der aus dem US-amerikanischen Recht stammenden „Business Judgment Rule“. Der Manager handelt danach pflichtgemäß, wenn er sich vor einer unternehmerischen Entscheidung hinreichend informiert, kein Interessenkonflikt besteht und er darauf vertrauen darf, zum Besten der Gesellschaft zu handeln.

Der BGH billigt der Geschäftsleitung in diesem Zusammenhang einen weiten Handlungsspielraum bzw. „Haftungsfreiraum“ zu, der mittlerweile auch in dem neu gefassten § 93 Abs. 1 S. 2 AktG seinen Ausdruck findet. Nicht umsonst wird oftmals vom „safe harbor“ des Managers gesprochen.

Risikobereitschaft vs. Pflichtverletzung

Überschritten ist dieser Handlungsspielraum erst, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes und auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt werden oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss. In einem solchen Fall liegt regelmäßig eine grobe Pflichtverletzung des Betroffenen vor, die zumeist auch einen wichtigen Grund für seine Abberufung bzw. Kündigung darstellt.

Neben Straftaten wird in diesem Zusammenhang auch die vorsätzliche Täuschung von Vorstandsmitgliedern über geschäftserhebliche Tatsachen (im konkreten Fall das Verschweigen von Vorstrafen in Bezug auf Vermögensdelikte bei einem Geschäftspartner) als grober Pflichtverstoß angesehen. Ansprüche der Gesellschaft gegen Mitarbeiter der unteren Hierarchieebenen (etwa Abteilungsleiter oder einzelne Entwickler) unterliegen nicht diesen Grundsätzen. Hier gelten nur die für Arbeitnehmer entwickelten Grundsätze zum innerbetrieblichen Schadensausgleich. Verursacht der Arbeitnehmer durch eine betriebliche Tätigkeit einen Schaden des Arbeitgebers, haftet er nur im Falle von vorsätzlichem und grob fahrlässigem Handeln. Bei mittlerer Fahrlässigkeit erfolgt eine Schadensteilung zwischen dem Handelnden und dem Unternehmen und bei leichtester Fahrlässigkeit haftet er überhaupt nicht - der Schaden ist dann vom Arbeitgeber alleine zu tragen.

Die Außenhaftung:

Eine Haftung des Managers gegenüber außerhalb der Gesellschaft stehenden Personen kommt nur unter besonderen Umständen in Betracht. Dies ergibt sich aus dem gesetzlichen Leitbild: § 43 GmbHG sowie § 93 AktG konzentrieren die Pflichten des Managers ausdrücklich auf die Gesellschaft. Gegenüber Außenstehenden soll der Manager nur in Ausnahmefällen haften. Der BGH hat bereits mehrfach entschieden, dass sich aus der Stellung des Managers keine besondere Garantenstellung gegenüber Externen ergibt.

Ein Schadensersatzanspruch von Dritten gegenüber dem Manager kommt deshalb nur in Betracht, wenn letzterer bei der Erfüllung seiner Aufgaben entweder direkt in geschützte Rechtspositionen eingegriffen oder persönlich einen Vertrauenstatbestand gesetzt hat. Im Zweifel bleibt Geschädigten daher nur die Möglichkeit, das Unternehmen selbst in Anspruch zu nehmen.

Risikovorbeugung durch Compliance?

Die jüngsten Beispiele zeigen, welch große Bedeutung der Vorbeugung von Missständen in Unternehmen zukommt. Entscheidend sind insoweit eindeutige und transparente Compliance-Prozesse. Unternehmen müssen allerdings darauf achten, dass die „Verfassung“, die sie sich in Gestalt von ethischen Standards und Verhaltensrichtlinien gibt, nicht eine leere formelle Hülse bleibt, sondern aktiv und beispielhaft auch von der Führungsebene vorgelebt wird. Nur durch eine Kultur der Offenheit, in der Hinweise auf Missstände ernst genommen und ihnen nachgegangen wird, lässt sich das Risiko von Skandale mit dramatischen Folgen auch für die Reputation und die Marken eines Unternehmens reduzieren.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%