Managertypen So werden Psychopathen im Chefsessel nicht zum Risiko

Thomas Middelhoff, Richard Fuld und Jeffrey Skilling Quelle: Illustration

Eine neue Studie der Wirtschaftsuniversität Wien untersucht, ob Unternehmensskandale tatsächlich psychopathischen Chefs angelastet werden können und kommt zu einem überraschenden Ergebnis.

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Einer der bekanntesten Häftlinge Deutschlands ist seit November wieder in Freiheit. Thomas Middelhoff war 2014 zu einer dreijährigen Haftstrafe wegen Untreue zulasten des Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor verurteilt worden und ist nun vorzeitig entlassen worden. Viele Beobachter erklären den tiefen Fall des einstigen Top-Managers auch mit seiner Persönlichkeit. Hybris und Narzissmus hätten zu seinem Absturz und der Insolvenz des Konzerns beigetragen.

Kein Wunder also, dass Management-Professor Günter Stahl von der Wirtschaftsuniversität Wien auch den Fall Middelhoff in seiner aktuellen Studie zu Psychopathen in der Chefetage untersucht.

„Viele Wissenschaftler vertreten die Theorie, dass es sich bei einem Großteil der Manager, die an Unternehmenspleiten schuld sind, um Psychopathen handelt“, sagt der 50-jährige Wissenschaftler. Er selbst hält nichts von dieser Theorie. Und das will er nun beweisen.

Dazu untersuchte der Forscher in den vergangenen zweieinhalb Jahren gemeinsam mit zwei Co-Autoren die Biografien von sechs Managern, die immer wieder als Beispiele für wahnsinnige Chefs herhalten müssen: Etwa Jeffrey Skilling, einstiger CEO des bankrotten Energiekonzerns Enron, der ursprünglich zu 24 Jahren Haft wegen Bilanzbetrugs verurteilt wurde oder Richard Fuld der die US-Bank Lehman Brothers in die Pleite steuerte.

Um herauszufinden, ob die Manager – wie immer wieder behauptet – tatsächlich Psychopathen sind, untersuchte Stahl gemeinsam mit seinem Team tausende Seiten Material: von Gerichtsakten, über Jahrbücher aus der Schule, bis hinzu Interviews mit Freunden und Verwandten. Anhand dieser biografischen Daten füllten sie eine Checkliste aus, die Stahls Co-Autor Robert Hare schon in den Siebzigerjahren entwickelt hatte. Seitdem gilt der Fragebogen des kanadischen Psychologen als Standardinstrument für die Bestimmung von Psychopathie. Darin wird zum Beispiel abgefragt, ob der Betroffene Verantwortung für seine Fehler übernimmt, schon mal eine Jugendstrafe verbüßt hat oder seine Mitmenschen manipuliert, um einen Vorteil zu erlangen.

Manager sind keine Psychopathen

Obwohl solche Ferndiagnosen im Zusammenhang mit dem Geisteszustand des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump jüngst immer wieder kritisiert wurden, verteidigt Stahl seine Herangehensweise. „Gerade Psychopathen sind geschickte Manipulatoren“, sagt der Managementprofessor, „deshalb empfehlen Psychologen häufig sogar eine solche Ferndiagnose.“ Voraussetzung sei natürlich, ausreichend Daten über das Leben der Betroffenen zu haben.

Nach der Auswertung der Daten kam Stahl zu einem eindeutigen Ergebnis: Kein einziger der untersuchten Managim klinischen Sinn ein Psychopath.

„Die Theorie vom Psychopathen in der Vorstandsetage, der sein Unternehmen in den Ruin treibt, ist damit widerlegt.“ Allenfalls dem Ex-Chef von Lehman Brothers könnten „milde Züge der Psychopathie“ bescheinigt werden. Alle anderen seien zwar hochgradig narzisstisch, aber keinesfalls Psychopathen.

Sind Narzissten im Chefsessel also prinzipiell eine Gefahr für Unternehmen? Soweit würde Professor Stahl nicht gehen. Denn sie haben auch eine Reihe nützlicher Eigenschaften, wie das Beispiel des Apple-Gründers Steve Jobs zeigt.

So gehen Sie mit einem narzisstischen Chef am besten um

„Sein Selbstbewusstsein hat ihm geholfen, Mitarbeiter und Kunden in seinen Bann zu ziehen“, sagt Stahl. „Er war ein Charismatiker und Apples Erfolg stark mit ihm verknüpft.“ Allerdings sei dies eher die Ausnahme. „Normalerweise geht es mit einem Narzissten an der Spitze nicht auf Dauer gut. Ihnen geht es irgendwann mehr um das eigene Ego als um den Erfolg des Unternehmens. Das führt zu zunehmendem Realitätsverlust und Fehlentscheidungen.“ Kommt dann noch die falsche Unternehmenskultur hinzu, führt dies schnell zu Korruption, Skandalen und Pleiten – wie die von Professor Stahl untersuchten Fälle zeigen.

„In allen Beispielen kamen zu einem narzisstischen Chef noch bedenkliche kulturelle Faktoren hinzu“, sagt Stahl. Etwa ein schwacher Aufsichtsrat oder Bonussysteme, die überwiegend an kurzfristigen Zielen ausgerichtet waren und so extrem riskante Entscheidungen belohnten.

Diese toxische Mischung gilt es zu verhindern. Unternehmen, die Narzissten ins Top-Management befördern, müssen sich dessen bewusst sein und Gegengewichte bilden. Bei Apple sei das gelungen, weil Jobs mit seinem Nachfolger Tim Cook schon zu Lebzeiten einen starken Counterpart hatte, der viele der operativen Entscheidungen traf.

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