Michael Hatscher "Nichtraucher sind im Vorteil"

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"Ich bin wesentlich härter geworden"

Manager, die im Gefängnis waren
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Es ist also ein Nachteil, Wirtschaftsstraftäter zu sein?

Nein, ein Vorteil. Ich hatte von Anfang an eine höhere Stellung, sowohl bei den Mitgefangenen als auch bei den Wärtern.

Wie das?

Manche der rund 50 Beamte kamen direkt auf mich zu und fragten, ob ich der von Kino.to bin. Zwei von drei kannten die Plattform, und die Hälfte hatte sie schon mal benutzt – oder deren Kinder. Ich hatte auch das Gefühl, dass sie froh waren, sich mit jemand normal unterhalten zu können.

Und bei den Mithäftlingen?

Bei denen war ich von vornherein hoch angesehen, habe vielen geholfen, Briefe zu schreiben, zum Beispiel an Anwälte, und Anträge zu stellen – für Fernseher oder Radio auf der Zelle.

Sie hatten zuvor ein recht luxuriöses Leben geführt. Wie hart war die Umstellung?

Das Essen war für mich ein Problem, da ich da etwas penibel bin. Binnen drei Monaten hatte ich von 91 Kilogramm 14 abgenommen. Mit anderen Häftlingen habe ich dann immer mal wieder Essen getauscht und war froh, als ich im offenen Vollzug Selbstversorger wurde.

von Harald Schumacher, Kristin Rau, Claudia Tödtmann

Und wie dreckig war es im Gefängnis?

Sauberkeit gilt dem Personal als sehr wichtig. Wer seine Zelle nicht sauber hält, hat geringere Chancen, vorzeitig entlassen zu werden. Auch läuft er Gefahr, dass man ihm etwa den Fernseher einige Tage entzieht. Die Gefangenen müssen ihre vier Wände selbst putzen. Es gab aber auch welche, die sich ihre Zelle für ein paar Zigaretten putzen ließen.

Wie hat Sie das Gefängnis verändert?

Ich bin wesentlich härter geworden. Früher habe ich bei Konflikten den Mittelweg gesucht. Heute nehme ich mir die Zeit für Diplomatie nicht mehr. Wäre ich noch länger im geschlossenen Vollzug geblieben, wäre ich wohl erst recht kriminell geworden.

Warum?

Man kommt im Gefängnis irgendwann an den Punkt, an dem man sich entweder aufgibt oder die Dinge in die Hand nimmt. Möglichkeiten gibt es genügend: Man kann Drogen oder Handys schmuggeln. Das war am Ende eine der erschreckendsten Erkenntnisse, die ich dort gemacht habe.

Wie haben Sie sich körperlich und geistig fit gehalten?

Ich bin täglich bis zu anderthalb Stunden im 18 mal 10 Meter großen Gefängnishof gejoggt, habe Liegestütze und Yoga gemacht und zwei Mal die Woche eine Stunde Krafttraining. Das hält den Kopf frei. Zudem habe ich Bücher gelesen und meine Englischvokabeln aufpoliert – in vier Monaten das Wörterbuch von A bis K.

Wie haben sich Ihre Freunde verhalten?

In der Zeit lernt man, wer zu einem steht. Manche hatte ich gar nicht auf dem Radar.

Haben Sie die Zeit im Knast verarbeitet?

Nein, das beschäftigt mich auch knapp ein Jahr nach meiner Entlassung noch. Ich telefoniere oder treffe mich deshalb hin und wieder mit früheren, einst auch inhaftierten Kollegen. Dann unterhalten wir uns über unsere Erlebnisse im Gefängnis.

Was machen Sie jetzt?

Seit ich frei gekommen bin, programmiere ich eine neue Internet-Plattform – diesmal ist alles absolut legal, dafür habe ich eine ganze Reihe Anwälte beschäftigt. Der Start soll aber nicht von der Vergangenheit belastet sein. Deswegen tauche ich unter den Gründern offiziell nicht auf.

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