Mitarbeiterzufriedenheit Nur jeder Dritte würde seinen Arbeitgeber empfehlen

Stress, Überstunden, schlechte Stimmung: Nur jeder Dritte würde seinen Arbeitgeber Freunden empfehlen. Um das zu ändern, müssten Unternehmen bloß öfter nachfragen, was ihre Leute wollen. Und die Antwort ernst nehmen.

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Die Zufriedenheit der Deutschen mit ihrem Arbeitgeber lässt zu wünschen übrig. Quelle: dpa

Active Sourcing, Headhunter, Speed-Datings für Bewerber: Viele Unternehmen überschlagen sich mit Programmen und Konzepten zur Mitarbeitergewinnung. Schließlich herrscht Fachkräftemangel. „Wir sprechen hier von einem Recruiting-Dilemma: Oft wird viel Geld ausgegeben und mit großen Budgets alles daran gesetzt, die richtigen Fachkräfte zu finden. Ob die sich dann aber im Unternehmen auch wohl fühlen und bleiben, ist egal“, sagt Frank Rechsteiner. Er ist Inhaber der HYPE Group, einer Personalberatung, die sich auf Recruiting und HR-Strategien für IT-Unternehmen spezialisiert hat.
Tatsächlich fühlen sich viele Deutschen bei ihrem Arbeitgeber nicht besonders gut aufgehoben, wie die Studie „Mitarbeiterzufriedenheit in Deutschland“ von Netigate zeigt. Das Unternehmen bietet Tools für Online-Umfragen in den Bereichen Kundenbefragungen, Mitarbeiterfeedback und Market Research an. Von den mehr als tausend Befragten Arbeitnehmern würde nur jeder Dritte seinen Arbeitgeber Freunden oder Verwandten empfehlen.

Gründe für diese geringe Empfehlungsquote sind unter anderem die mangelhafte interne Kommunikation und eine schlechte Arbeitsatmosphäre. Außerdem klagen die Teilnehmer der Umfrage über zu viel Stress, zu viele Überstunden und zu wenig Geld. „Nicht alle Arbeitnehmer wollen sich mit dieser Situation abfinden. Jeder fünfte Beschäftigte denkt häufig darüber nach, seinen Arbeitgeber zu wechseln,“ sagt Ronald Flores, der bei Netigate für den deutschsprachigen Markt zuständig ist. Und schon wird wieder Geld in die Hand genommen, um neue Mitarbeiter an Bord zu holen, die genauso unzufrieden sein und irgendwann wieder das Weite suchen werden.

Bewerbern wird eine andere Kultur vorgegaukelt

„Warum kommen Leute zu Ihnen – und warum bleiben sie? Das ist doch die Frage, die sich alle Unternehmen stellen müssen. Und die Antwort ist: wegen der Kultur“, sagt Rechsteiner. Was aber nicht heißt, dass jedes Unternehmen Feelgood-Manager und Gratisobst braucht. Es gibt schließlich auch Arbeitnehmer, die darauf keinen Wert legen. Viel wichtiger sei es deshalb, Bewerbern in Stellenanzeigen, auf der Karriereseite oder im Vorstellungsgespräch eine Arbeitswelt zu versprechen, die es im Arbeitsalltag so überhaupt nicht gibt, sagt Rechsteiner. „Jedes Unternehmen hat eine eigene IST-Kultur, nach draußen kommuniziert wird aber maximal die Wunsch-Kultur. Deshalb schlagen manche Bewerber nach vier Wochen im Betrieb die Hände über dem Kopf zusammen“, sagt er.

„Hinzu kommt, dass man sich nach außen gerne besser dar stellt, als man ist. Aber oft sorgt das nur dafür, dass neue Mitarbeiter noch in der Probezeit das Weite suchen.“ tut sich vermutlich schwer, das ehrlich zu kommunizieren. Statt hübsche Umschreibungen für den Status quo zu finden, wäre es dann vermutlich ratsamer, ihn zu verändern. Der erste Schritt ist dabei, nachzufragen, was sich die Mitarbeiter wünschen, anstatt sie vor vollendete Tatsachen a lá „ab morgen ist hier Kulturwandel und ihr seid gefälligst zufrieden“ zu stellen.

360 Grad-Feedback statt einmaligem Jahresgespräch

Um zu erfahren, wann Mitarbeiter zufrieden oder unzufrieden sind, rät Wolfgang Sölch, verantwortlich für das Deutschlandgeschäft von Qualtrics, einem Umfragespezialisten aus Utah, zum sogenannten 360 Grad-Feedback. „Statt der jährlichen Befragung steht heute viel mehr der Lebenszyklus eines Mitarbeiters im Vordergrund: wie war das Recruiting, wie hat Ihnen das erste halbe Jahr im neuen Unternehmen gefallen, wie hat das letzte Projekt funktioniert, wie die Zusammenarbeit mit Kunden, wie waren die letzten zwei Jahre, warum kündigst du?“

Wer nur einmal pro Jahr eine Viertelstunde mit seinen Leuten über Ziele und Leistungen spricht, erfährt nicht, wo es hakt und knirscht.

Mitarbeitergespräche: Zehn Tipps für Arbeitgeber

Nur nachfragen alleine helfe aber auch nicht. In Deutschland passiert mit dem Feedback der Mitarbeiter oft gar nichts“, erzählt Sölch. Er empfiehlt deshalb, Manager, Abteilungs- und Teamleiter auch danach zu bewerten, ob sie die im Feedback genannten Kritikpunkte auch ändern und verbessern.
Die Zufriedenheit der Belegschaft ist schließlich Umsatzfaktor. Nicht nur, dass motivierte Mitarbeiter produktiver und seltener krank sind – sie empfehlen ihr Unternehmen anderen auch eher als Arbeitgeber und machen so die beste Werbung. Oder umgekehrt, wie Sölch sagt: Wenn ich sehe, dass von 20 Bewertungen eines Unternehmens 15 schlecht sind, bewerbe ich mich da nicht.

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