Solche Herangehensweisen sind nicht nur als Erfolgsrezepte im Sinne eines klassischen "Schneller, höher, weiter" zu sehen. Sie sind vor allem Reformansätze, die frische, mutige und vor allem menschliche Haltungen fördern - und damit den Fortbestand des Unternehmens wirksamer sichern helfen als jede Verbesserung des Controllingsystems.
Haltungen, die ganz anders sind als das Verhaltensrepertoire, das in vergangenen Jahrzehnten Erfolg garantierte. Haltungen, die vielen Angehörigen der Generation Y wesentlich leichter fallen als den Älteren.
Verstehen statt Dominanzstreben. Integration und Transparenz statt Abgrenzung und Abschottung. Schrittweises Herantasten statt Planungsillusionen. Courage statt Angst. Bescheidene Authentizität statt schöner Schein.
Mit diesen Haltungen ziehen die Aufsteiger der Weltwirtschaft die besten Talente an und erzielen kometenartige Erfolge. Denn hier verwandelt sich die Energie der Belegschaft in Innovation, Vertrauensaufbau, Qualität und Kundennutzen statt in persönliche Absicherungstaktiken, Dienst nach Vorschrift, organisationsinterne Politik und Rivalitäten.
Ein Kunde spürt, wie ein Unternehmen tickt. Er wandert schnell dorthin ab, wo er sich wohler fühlt. Die ungleiche Entwicklung der Drogerieketten Schlecker und dm ist alles andere als ein Einzelfall. Denn die Liste von Unternehmen, die statt in Erneurungskraft in Starre investierten und damit untergingen, ist lang.
Überlebenswichtige Haltungen
Noch kennen wir die Namen: Kodak, Agfa, Quelle, AEG, Telefunken, Karstadt. So unterzugehen muss nicht sein. Denn die Unternehmen, die seit Generationen bestehen und sich immer wieder neu erfanden, beweisen das Gegenteil - egal ob familiengeführter Mittelständler oder börsennotierter Industriegigant.
Auch für das Überleben von Institutionen sind die Haltungen, die das Haus prägen, ein wesentlicher Faktor: Was zählt bei uns? Gedeiht der Mensch? Darf jeder sehen, was wir hier tun? Ziehen wir wirklich an einem Strang?
Verbundenheit, Ehrlichkeit, Demut, Hingabe, Courage: Die Zukunftsfähigkeit unserer Institutionen hängt davon ab, ob wir es schaffen, reifen menschlichen Haltungen im Haus Raum zu geben, sie zu kultivieren und mit geeigneten Strukturen flächendeckend zu fördern.
Dennoch stellt sich die Frage: Wie können Unternehmen solche Haltungen und Herangehensweisen übernehmen? Jede Veränderung beginnt mit einem ersten Schritt - und meist entfalten eher leichte, unspektakuläre Schritte echte Wirkung.
Dazu zählt zum Beispiel, sich heiklen Fragen wie Delegation und Verantwortung einmal mit einem Kartenspiel zu nähern. Mitarbeiter einzuladen, das Geschäftsmodell des Unternehmens zu visualisieren und sie damit stärker in dessen Weiterentwicklung einzubinden. Unterschiedliche Sichtweisen verschiedener Abteilungen in einer "World-Café" Veranstaltung zusammenzuführen, statt sie als trennende Faktoren zu erleben.
Solche Ansätze mögen unorthodox wirken. Doch sie und Dutzende andere haben in aller Welt Tausenden Unternehmen und Institutionen den Weg zu mehr Innovation, Leistungsfähigkeit und Miteinander eröffnet und geebnet.
Eine wesentliche Gemeinsamkeit dieser erfolgreichen Neuerungen ist, dass sie uns erleichtern, in unserer Arbeitswelt wieder mehr Mensch sein zu können. Unsere spezifischen Stärken und Qualitäten als Menschen für die Kunden einzusetzen. Unsere Intuition, Empathie, unseren Pioniergeist und unsere Sehnsucht nach Sinnerfülltheit - statt nur Untertanengeist, Kontrollstreben und geistlose Routine zu bieten.
Das macht uns zum Mensch: Ein Mehr an Technokratie wird uns kaum helfen, die Herausforderungen der Welt zu bestehen - ein Mehr an solch zutiefst menschlichen Qualitäten schon eher.
Gemeinsam ist diesen neuen Ansätzen auch, dass sie Menschen überall faszinieren, ob im Konzern oder im Kleinbetrieb: Gerade weil sie dazu einladen, mehr Menschlichkeit zu erleben und gemeinsam erfolgreicher zu sein.
Das heißt nicht, dass alles Bisherige falsch wäre. Im Gegenteil: Unseren vertrauten Strukturen und Denkmustern verdanken wir viel, nicht zuletzt die große Stabilität unserer Infrastrukturen.
Doch überall dort, wo wir Neuland betreten, wo Unvorhersehbares die Regel ist und wo die Rezepte der Vergangenheit keine Antworten bieten, haben viele moderne Unternehmen ihre traditionellen Herangehensweisen durch neue ergänzt. Zugleich tragen sie mit der einhergehenden menschlicheren Unternehmenskultur stark zur Begeisterung ihrer Kunden und Mitarbeiter bei.
Moderne Herangehensweisen mögen in den unterschiedlichsten Kontexten erfolgreich einsetzbar sein. Doch letztlich kommt keine Organisation darum herum, ihren eigenen Weg zu leistungsfähigeren Formen der Zusammenarbeit zu entdecken.
Überall Unterstützung
Auch wer in seinem Unternehmen erst einmal in kleineren Kreisen mit solchen Herangehensweisen Erfahrungen sammeln möchte, profitiert dabei stark davon, sich unternehmensübergreifend zu vernetzen.
Und es geht problemlos, denn man ist nicht allein. Dutzende von Plattformen, Konferenzen und informellen Netzwerktreffen haben sich den Kulturwandel zum Thema gemacht. In unterschiedlichen Formaten von örtlichen "Scrumtischen" und Workshops bis zu überregionalen Konferenzen und virtuellen Netzwerken laden sie dazu ein, sich offen auszutauschen und davon weit mehr zu profitieren als von jeder Theorie und Kanzelpredigt.
Viele Unternehmen fördern eine solche Vernetzung zum Kulturwandel auf allen Ebenen. Damit investieren sie wirksamer in ihre Attraktivität und Zukunftsfähigkeit als mit jeder Nachhaltigkeits- und Imagekampagne. Und sie erweisen damit ihren Mitarbeitern zugleich einen weit größeren Dienst als das politisch ausgewogenste Anti-Stress-Gesetz es je leisten kann.