Modernes Management Was erfolgreiche Unternehmen anders machen

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Mutige Haltungen fördern

Solche Herangehensweisen sind nicht nur als Erfolgsrezepte im Sinne eines klassischen "Schneller, höher, weiter" zu sehen. Sie sind vor allem Reformansätze, die frische, mutige und vor allem menschliche Haltungen fördern - und damit den Fortbestand des Unternehmens wirksamer sichern helfen als jede Verbesserung des Controllingsystems.

Haltungen, die ganz anders sind als das Verhaltensrepertoire, das in vergangenen Jahrzehnten Erfolg garantierte. Haltungen, die vielen Angehörigen der Generation Y wesentlich leichter fallen als den Älteren.

Verstehen statt Dominanzstreben. Integration und Transparenz statt Abgrenzung und Abschottung. Schrittweises Herantasten statt Planungsillusionen. Courage statt Angst. Bescheidene Authentizität statt schöner Schein.

Was hinter den bekanntesten Stress-Mythen steckt
Mythos 1: Stress macht schlank „Wenn ich stress habe, vergesse ich manchmal sogar zu essen“, sagen manche Menschen gerne. Grundsätzlich hat Stress aber einen gegenteiligen Effekt: Das Hormon Kortisol verändert den Stoffwechsel und führt zur vermehrten Fetteinlagerung, vor allem im Bauch- und Taillenbereich - und dort schadet es der Gesundheit besonders. Wer unter hoher Belastung leidet, ernährt sich außerdem häufig unausgewogen – Gestresste greifen vermehrt zu kohlenhydrat- und fettreichen Speisen. Da man auf der Arbeit wenig Zeit hat, vertilgt man sie schnell zwischendurch - oder isst am Abend die doppelte Portion. Quelle: dpa
Mythos 2: Stress ist immer schädlichGenauso falsch ist es, Stress zu verteufeln. Denn er ist eine natürliche Reaktion, die Menschen hellwach und reaktionsschnell macht. Der Körper ist auf Angriff gepolt. Damit bewältigen wir schwierige Situationen besser und fühlen uns zunächst leistungsfähiger. Positiver Stress, den man auch Eustress nennt, tut gut. Der Grund: Es kommt zur Ausschüttung bestimmter Hormone wie zum Beispiel Dopamin, Serotonin oder Endorphin. Diese biochemische Mixtur kann dafür sorgen, dass wir Stress als neutral oder angenehm empfinden. Das gilt jedoch nur für bestimmte Situationen. Chronischer Stress ("Distress ") wirkt sich hingegen schädlich auf die Gesundheit aus. Denn dann zirkulieren die Stresshormone im Körper und werden nicht abgebaut. Quelle: Fotolia
Mythos 3: Gegen Stress hilft nur Entspannung Die Arbeit stresst, Zuhause geht auch alles drunter und drüber – da hilft nur noch, sich ganz bewusst zu entspannen. Falsch! Denn wer viel Stress hat, steht unter Strom und kann nicht auf Knopfdruck entspannen. Der Grund: Das Hormon Kortisol macht gleichzeitig zappelig macht, steigert Aggression und Unruhe. Die lässt sich nicht einfach wegmeditieren oder wegbaden. In diesem Fall hilft Bewegung, etwa eine Runde joggen oder ein Spaziergang. Hinzu kommt: Wer beim Nichtstun ständig grübelt, hält sein Stresslevel trotz vermeintlicher Entspannung auf konstantem Niveau. Besser ist dann Ablenkung in Form von Spielen oder Gesprächen. Quelle: dpa
Mythos 4: Stress wirkt auf Männer und Frauen gleich Körperlich reagieren Männer und Frauen zwar prinzipiell gleich auf Stress – die Folgen unterscheiden sich aber je nach Geschlecht. Während bei Männer ein hoher Stressfaktor eher zu Herz-Kreislauf-Problemen führt, macht er Frauen anfällig für psychische Erkrankungen. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass sich Frauen grundsätzlich mehr Gedanken über ihre Gesundheit machen. Laut DAK-Gesundheitsbericht stehen psychische Erkrankungen bei Frauen mit einem Anteil von 12,2 Prozent an dritter Stelle der häufigsten Krankheiten. Typisch männliche Stressfolgen sind dagegen Herzinfarkt und Schlaganfall. Hinzu kommen Übergewicht, hoher Blutdruck sowie erhöhte Cholesterinwerte. Das Risiko, daran zu erkranken, steigt bei Managern, die wöchentlich mehr als 60 Stunden, rapide an. Quelle: Fotolia
Umfangreiche Aufgaben ganz klein machen Quelle: Fotolia
Soziale Vereinsamung Quelle: Fotolia
Mythos 7: Ältere Menschen sind schneller gestresst Das stimmt ebenfalls nicht - zumindest nicht generell. Zwar hat Stress bei Menschen höheren Alters schneller körperliche Folgen, weil sie weniger belastbar sind. Trotzdem ist die Zahl psychischer Erkrankungen durch Stress in der vergangenen Jahren in der Gruppe der 20- bis 35-Jährigen am stärksten angestiegen und hat den höchsten Anteil bei den 40- bis 44-Jährigen. Hier erreichen psychische Erkrankungen mit einem Anteil von 12,2 Prozent ihren Höchststand. Das liegt an den steigenden Leistungsanforderungen im Job - und zunehmend unsicheren Arbeitsverhältnissen. Quelle: dpa

Mit diesen Haltungen ziehen die Aufsteiger der Weltwirtschaft die besten Talente an und erzielen kometenartige Erfolge. Denn hier verwandelt sich die Energie der Belegschaft in Innovation, Vertrauensaufbau, Qualität und Kundennutzen statt in persönliche Absicherungstaktiken, Dienst nach Vorschrift, organisationsinterne Politik und Rivalitäten.

Ein Kunde spürt, wie ein Unternehmen tickt. Er wandert schnell dorthin ab, wo er sich wohler fühlt. Die ungleiche Entwicklung der Drogerieketten Schlecker und dm ist alles andere als ein Einzelfall. Denn die Liste von Unternehmen, die statt in Erneurungskraft in Starre investierten und damit untergingen, ist lang.

Überlebenswichtige Haltungen

Noch kennen wir die Namen: Kodak, Agfa, Quelle, AEG, Telefunken, Karstadt. So unterzugehen muss nicht sein. Denn die Unternehmen, die seit Generationen bestehen und sich immer wieder neu erfanden, beweisen das Gegenteil - egal ob familiengeführter Mittelständler oder börsennotierter Industriegigant.

Auch für das Überleben von Institutionen sind die Haltungen, die das Haus prägen, ein wesentlicher Faktor: Was zählt bei uns? Gedeiht der Mensch? Darf jeder sehen, was wir hier tun? Ziehen wir wirklich an einem Strang?

Verbundenheit, Ehrlichkeit, Demut, Hingabe, Courage: Die Zukunftsfähigkeit unserer Institutionen hängt davon ab, ob wir es schaffen, reifen menschlichen Haltungen im Haus Raum zu geben, sie zu kultivieren und mit geeigneten Strukturen flächendeckend zu fördern.

Dennoch stellt sich die Frage: Wie können Unternehmen solche Haltungen und Herangehensweisen übernehmen? Jede Veränderung beginnt mit einem ersten Schritt - und meist entfalten eher leichte, unspektakuläre Schritte echte Wirkung.

Solche Ansätze mögen unorthodox wirken. Doch sie und Dutzende andere haben in aller Welt Tausenden Unternehmen und Institutionen den Weg zu mehr Innovation, Leistungsfähigkeit und Miteinander eröffnet und geebnet.

Eine wesentliche Gemeinsamkeit dieser erfolgreichen Neuerungen ist, dass sie uns erleichtern, in unserer Arbeitswelt wieder mehr Mensch sein zu können. Unsere spezifischen Stärken und Qualitäten als Menschen für die Kunden einzusetzen. Unsere Intuition, Empathie, unseren Pioniergeist und unsere Sehnsucht nach Sinnerfülltheit - statt nur Untertanengeist, Kontrollstreben und geistlose Routine zu bieten.

Das macht uns zum Mensch: Ein Mehr an Technokratie wird uns kaum helfen, die Herausforderungen der Welt zu bestehen - ein Mehr an solch zutiefst menschlichen Qualitäten schon eher.

Gemeinsam ist diesen neuen Ansätzen auch, dass sie Menschen überall faszinieren, ob im Konzern oder im Kleinbetrieb: Gerade weil sie dazu einladen, mehr Menschlichkeit zu erleben und gemeinsam erfolgreicher zu sein.

Das heißt nicht, dass alles Bisherige falsch wäre. Im Gegenteil: Unseren vertrauten Strukturen und Denkmustern verdanken wir viel, nicht zuletzt die große Stabilität unserer Infrastrukturen.

Doch überall dort, wo wir Neuland betreten, wo Unvorhersehbares die Regel ist und wo die Rezepte der Vergangenheit keine Antworten bieten, haben viele moderne Unternehmen ihre traditionellen Herangehensweisen durch neue ergänzt. Zugleich tragen sie mit der einhergehenden menschlicheren Unternehmenskultur stark zur Begeisterung ihrer Kunden und Mitarbeiter bei.

Moderne Herangehensweisen mögen in den unterschiedlichsten Kontexten erfolgreich einsetzbar sein. Doch letztlich kommt keine Organisation darum herum, ihren eigenen Weg zu leistungsfähigeren Formen der Zusammenarbeit zu entdecken.

Überall Unterstützung

Auch wer in seinem Unternehmen erst einmal in kleineren Kreisen mit solchen Herangehensweisen Erfahrungen sammeln möchte, profitiert dabei stark davon, sich unternehmensübergreifend zu vernetzen.

Und es geht problemlos, denn man ist nicht allein. Dutzende von Plattformen, Konferenzen und informellen Netzwerktreffen haben sich den Kulturwandel zum Thema gemacht. In unterschiedlichen Formaten von örtlichen "Scrumtischen" und Workshops bis zu überregionalen Konferenzen und virtuellen Netzwerken laden sie dazu ein, sich offen auszutauschen und davon weit mehr zu profitieren als von jeder Theorie und Kanzelpredigt.

Viele Unternehmen fördern eine solche Vernetzung zum Kulturwandel auf allen Ebenen. Damit investieren sie wirksamer in ihre Attraktivität und Zukunftsfähigkeit als mit jeder Nachhaltigkeits- und Imagekampagne. Und sie erweisen damit ihren Mitarbeitern zugleich einen weit größeren Dienst als das politisch ausgewogenste Anti-Stress-Gesetz es je leisten kann.

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