Auch bei Opel sind außer Müller alle Vorstandsmitglieder, die in diesem Jahr des Umbruchs ihren Dienst in Rüsselsheim antraten, mit Pferdestärken, Keilriemen und Lichtmaschinen vertraut. CEO Karl-Thomas Neumann kam im Frühjahr von Volkswagen, Vertriebsvorstand Peter Christian Küspert arbeitete unter anderem 19 Jahre für Daimler, der oberste Personaler Ulrich Schumacher zuvor für Toyota, Kommunikationschef Johan Willems ist seit mehr als 20 Jahren bei Opel und General Motors. Ob Vorstand oder Händler, ob Konkurrenten oder Kunden – alle blicken auf Auto-Novizin Müller. Wie schlägt sie sich in der fremden Branche? Welche Kompetenzen bringt sie mit? Wie eignet sie sich neue an?
Gründe genug auch für die WirtschaftsWoche, Müllers Weg in den kommenden Monaten zu beobachten: ihre Fortschritte und Fehltritte, ihre Gespräche mit Werbeagenturen, ihr Auftreten gegenüber Mitarbeitern, Vorstandskollegen, Händlern.
Ein paar von ihnen haben Müller schon kennengelernt, ohne es zu ahnen. Als Vorbereitung auf ihre neue Stelle hat Müller nämlich nicht nur alles gelesen, was ihr zu Opel in die Finger kam – vom Fahrtest über Bilanzen bis hin zu Fachartikeln. In Autohäusern in Hamburg und Düsseldorf war sie noch vor Vertragsabschluss inkognito unterwegs. Hat sich den Mokka zeigen lassen, ist dann den Adam Probe gefahren, um sich anschließend über den Insignia zu informieren. Bis der Verkäufer fragte, ob sie denn überhaupt wisse, was sie wolle.
Alle paar Wochen ein neues Auto
Sie wusste es: Opel-Marketingvorstand werden und vorab möglichst viel über die Modelle erfahren. Bis heute wechselt sie alle paar Wochen das Auto. Im Moment fährt sie einen anthrazitfarbenen Mokka mit 140 PS und Automatikgetriebe.
„Vor ein paar Monaten hätte Tina vielleicht nicht auf Anhieb sagen können, welcher Audi in ihrer Garage steht“, sagt Hans-Willi Schroiff, der Müller aus der gemeinsamen Zeit bei Henkel kennt und der gerade mit ihr das Buch „Warum Produkte floppen“ veröffentlicht hat. „Jetzt überrascht sie mich mit Wissen über Branchenstruktur und Motorisierungsklassen.“
Wissen, das sich Müller hart erarbeiten musste und immer noch muss. „Die ersten paar Wochen bei Opel waren Neuland für mich“, erinnert sich Müller. „Aus den vielen englischsprachigen Abkürzungen entsteht eine eigene Sprache, das ist wie Vokabeln lernen.“
Reifen wechseln
Aber nicht nur der Kopf ist gefragt: Gemeinsam mit ihren Vorstandskollegen wechselte die Betriebs- und Volkswirtin vor einigen Wochen zum ersten Mal in ihrem Leben eigenhändig Reifen. Auch den Führerschein für das Testgelände im hessischen Dudenhofen hat sie schon in der Tasche. Gibt aber auch offen zu, dass sie sich mehr für Farben und Design als für technische Details begeistert. Nicht zwangsläufig ein Nachteil: „Schließlich muss das Marketing als Stimme des Kunden darauf achten“, sagt ein Händler zu Müllers Verpflichtung, „dass unnötiger Technik-Schnickschnack das Auto nicht zu teuer macht.“
Diesen Kundenblick hat sich Müller bewahrt: Weist darauf hin, dass Frauen beim Aussteigen aus einem Opel Cascada mit ihrem Stiefelschaft am Sitz hängen bleiben. Dass es mit Schuhgröße 38 beim selben Auto schwierig ist, vom Gas auf die Bremse zu wechseln, weil die Pedale unterschiedlich hoch eingestellt sind.