Nützliche Nähe Die neue Offenheit der Top-Manager

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"Ehrlich und authentisch"

Ein Credo, das sich auch Ex-Infineon-Chef Peter Bauer zu eigen machte. Osteoporose diagnostizierte sein Arzt nach einem Sturz vom Mountain Bike 2005, der damals 45-Jährige saß im Vorstand beim Chiphersteller Infineon. Als die Ärzte 2010 nach einem weiteren Wirbelbruch infolge eines harmlosen Sturzes beim Skifahren eine rapide sinkende Knochendichte diagnostizierten, wusste Bauer: Er muss etwas ändern. 2009 war er aufgestiegen zum CEO des Unternehmens, 80-Stunden-Wochen waren die Regel, Zeit für ausreichend Bewegung, die gerade für Osteoporose-Patienten so wichtig ist, hatte er selbst am Wochenende kaum noch. „Bei diesem schnellen Krankheitsverlauf“, sagt Bauer, „musste ich befürchten, in ein paar Jahren im Rollstuhl zu enden, wenn ich so weitermachen würde.“

Peter Bauer, ehemliger Vorstandsvorsitzender der Infineon Technologie AG, trat wegen seiner fortschreitenden Osteoporose zurück Quelle: AP

Der Manager berät sich mit seiner Familie, Ärzten, Freunden, Aufsichtsräten, Juristen. Und entscheidet sich nicht nur zum Rücktritt, sondern auch für den Schritt in die Öffentlichkeit. Informiert per Pressemitteilung am 13. Mai 2012 detailliert über „mehrere Brüche der Rückenwirbel“ aufgrund seiner Osteoporose, sein „jüngst deutlich verschlechtertes Krankheitsbild“ und den „ungewissen Verlauf meiner Krankheit“. Warum er es nicht einfach bei der üblichen Formulierung „aus privaten Gründen“ belassen habe?

„Diese Standardformulierung hätten die Mitarbeiter nach den zurückliegenden CEO-Wechseln in unserem Unternehmen nicht einordnen können“, spielt Bauer auf die schlagzeilenträchtigen Abgänge seiner Vorgänger Ulrich Schumacher und Wolfgang Ziebart an der Infineon-Spitze an. „Diese Floskeln glaubt einem doch heute sowieso keiner mehr. Ich wollte mich so von meinen Kollegen verabschieden, wie ich auch als Führungskraft sein wollte: ehrlich und authentisch – dieser Schritt war für mich somit von Anfang an alternativlos.“

Floskeln lassen die Gerüchteküche brodeln

Wie schnell Gerüchte hochkommen, wenn man in solchen Situationen nicht eindeutig kommuniziert, musste Monika Piel erfahren: Die langjährige Intendantin des Westdeutschen Rundfunks hatte ihren Rücktritt im Januar 2013 in einer eilig verfassten E-Mail an die Mitarbeiter nur mit der Floskel „aus persönlichen Gründen“ deklariert. Sofort wurde öffentlich über interne Machtkämpfe gemunkelt und wochenlang ausgiebig über Piels Gesundheit spekuliert.

Ihre Reaktion: Einen Monat nach dem überraschenden Rückzug erklärte sie auf einer WDR-Personalversammlung, sie habe das Amt auf Anraten ihres Arztes niedergelegt. Und offenbarte schließlich im Herbst 2013 Details in einem ausführlichen Gespräch mit der Zeitschrift „Stern“: „Eine typische Stresskrankheit. Ein Schlaganfall drohte“, verriet sie in dem Interview, das ihr einziges zu diesem Thema bleiben sollte. Öffentlich, sagte Piel auf Anfrage der WirtschaftsWoche, werde sie sich nicht mehr zu ihrer Krankheit äußern.

Aus Piels Sicht konsequent und richtig. „Wer der Öffentlichkeit zu häufig sein Herz ausschüttet“, sagt Headhunter Thorborg, „muss sich nicht wundern, wenn diese genervt fragt: Warum schwallt mich diese Person permanent zu?“

Etwa wie bei Carsten Maschmeyer, der sich augenscheinlich mindestens so gern über seine aktuelle Beziehung wie über seine Investitionen in vielversprechende Start-ups äußert. „Mein Herz pochte wie wild“, schrieb er in seiner Autobiografie „Selfmade: erfolg reich leben“ über den ersten Auftritt mit seiner Lebensgefährtin, der Schauspielerin Veronica Ferres. „Gleichzeitig war mir auch klar, dass ich von nun an viel weniger Privatsphäre haben würde, aber die Liebe zu ihr hat die Angst davor besiegt.“ Noch in diesem Jahr soll geheiratet werden – ebenfalls öffentlich verkündet in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

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