Ohne Kommunikation geht nichts So gelingt der Betriebsübergang

Beim Traditionsunternehmen Luitpoldhütte AG steht ein Betriebsübergang vor der Tür. Vor lauter Formalien dürfen Firmen bei einem solchen Schritt die Menschen nicht vergessen. Wie es geht, zeigt das Beispiel Wisag.

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Bei einem Betriebsübergang dürfen die Mitarbeiter nicht vergessen werden. Quelle: Fotolia

Ein Betriebsübergang ist ein kompliziertes Rechtsnachfolgegeschäft, auf das Gewerkschaften, Betriebsräte und Arbeitsgerichte einen strengen Blick werfen. Welcher Tarif gilt für das neue Team, was passiert mit alten Ansprüchen der neu hinzugekommenen Mitarbeiter - gibt es auch unter dem neuen Arbeitgeber billigeres Essen in der Kantine und was passiert mit der betrieblichen Altersvorsorge?

Schon bei diesen Dingen kann einiges schief gehen, wie das Beispiel des Bremer Logistikers Stute, einer Tochter des Logistikkonzerns Kühne + Nagel, zeigt. Stute wurde aus der hauseigenen Airbus-Logistiksparte von Kühne + Nagel ausgegliedert. Trotzdem arbeitet Stute weiterhin ausschließlich für den Flugzeugbauer Airbus. Jahrelang habe es keinen Betriebsrat oder Tarifbindung gegeben.

Deshalb gibt es Streit um die Gewerkschaftszugehörigkeiten. Für die IG Metall sind die Mitarbeiter eindeutig Metallbauer, weil sie für Airbus tätig sind, für Verdi handelt es sich um Logistiker. Von wegen "Ein Branche – eine Gewerkschaft". Das Hauen und Stechen beschäftigte letztlich ein Schiedsgericht. Solche Steine lassen sich im Vorfeld aus dem Weg räumen.


Eine neue Identität gibt es nicht von heute auf morgen

Doch nicht nur formaljuristisch kommt einiges auf die Unternehmen zu. Das Wichtigste bei solchen Übergängen sind die Mitarbeiter. Mit Inkrafttreten des Betriebsüberganges fängt die Arbeit also erst an. Aktuelles Beispiel: Die Luitpoldhütte AG in der Oberpfalz. Seit mehr als 130 Jahren stellt das Unternehmen Gussteile für die Land- und Baumaschinenindustrie her. Im Herbst 2015 sah es ganz so aus, als stünde das Unternehmen vor dem Aus.

Der Leidensweg der Luitpoldhütte AG

Der Insolvenzverwalter konnte das Unternehmen an die Luxemburger Ogepar Gruppe verkaufen, die in verschiedenen Ländern Europas Produktionsgesellschaften besitzt. Ogepar will den Standort in Amberg laut dem Insolvenzverwalter erhalten und ausbauen. Zudem übernimmt die Gruppe alle rund 360 übrigen Arbeitnehmer in Amberg. Seit dem 1. Januar 2016 ist die Sache in trockenen Tüchern, der Betriebsübergang auf die Ogepar Gruppe vollzogen. Die Mitarbeiter der Luitpoldhütte müssen nun darauf eingeschworen werden, Teil der Ogepar Gruppe zu sein. Von der Buchhalterin über den Pförtner bis zum Gießer - alle Mitarbeiter müssen sich mit dem neuen Arbeitgeber identifizieren. So etwas funktioniert nur mit Transparenz, Offenheit und fairer Kommunikation.

So gelingt der Betriebsübergang

Wie das funktionieren kann, zeigt Wisag Aviation Service. Das Unternehmen ist am Flughafen Köln Bonn für Groundservice wie Flugzeugbe- und -entladung oder die Enteisung der Maschinen verantwortlich. Am 1. Januar 2014 hatte Wisag den Standort der vorherigen Aviapartner mit allen 57 Mitarbeitern übernommen. Die größte Herausforderung war laut Wisag-Geschäftsführerin Sandra Bohnenkamp: "Wir haben eine ganz andere Unternehmensphilosophie als der vorherige Arbeitgeber. Die muss man erst mal vermitteln."

Das sieht auch Jörg Wirtgen, Gründer und Geschäftsführer der Berliner Managementberatung WM-Consult, so. "Man muss sich immer klar machen, dass akquiriert noch lange nicht integriert heißt: Fakten und Zahlen sind nämlich völlig unproblematisch, aber die Führungskultur, die Ängste der Mitarbeiter, die Emotionen, die ganzen weichen Faktoren sind eine harte Aufgabe", sagt er. Er rät seinen Klienten darum immer, alle Betroffenen so früh wie möglich einzubinden und einen Integrationsplan zu erstellen: Wie will ich was wann tun? "Es braucht immer eine neue, gemeinschaftliche Identität, keine Käseglocken-Identität“, sagt Wirtgen in einem Interview mit der WirtschaftsWoche.

Genauso lief es bei Wisag am Flughafen Köln Bonn. Zwei Jahre nach dem Betriebsübergang sind alle Beteiligten auf Linie, dem alten Arbeitgeber trauert niemand hinterher. Einfach war das nicht. "Der Betriebsübergang bedeutete ein Jahr intensive Arbeit. Das ist nicht mit ein paar Meetings getan", erinnert sich Bohnenkamp. Wie es Wirtgen rät, hat sie mit jedem einzelnen Mitarbeiter gesprochen und nachgefragt, was er vom neuen Arbeitgeber erwartet und worüber er sich Sorgen macht. "Unternehmen, die vor einem Betriebsübergang stehen, müssen wissen, dass das viel Arbeit ist und viel Engagement und Kommunikation braucht, damit sich alle mit dem neuen Unternehmen identifizieren", erklärt Bohnenkamp. Ohne Willen, Elan und reden, reden, reden funktioniert es nur auf dem Papier.

Mitarbeiter sind zufrieden

Immerhin musste Bohnenkamp nicht entscheiden, wer geht und wer bleibt. "Eine Doppelfunktion in dem Sinne, dass es zum Beispiel zwei Buchhaltungen gab, hatten wir nicht. Die Wisag bestand sozusagen aus Frau Bohnenkamp und zwei weiteren Personen, die sich quasi eine Belegschaft nach 613a gekauft haben", sagt Betriebsratsvorsitzender Mark Britz. Paragraph 613a im Bürgerlichen Gesetzbuch regelt die Rechte und Pflichten aller Parteien bei einem Betriebsübergang.

Den einzigen Nachteil, den Britz und seine Kollegen durch die Übernahme tatsächlich gehabt hätten, sei der Wegfall von Gutscheinen des Kantinenbetreibers gewesen. Doch das habe man durchaus verschmerzen können. "Für die Belegschaft war die Übernahme durch die Wisag eine deutliche Verbesserung. Die Leute haben sich nicht nur vertraglich besser gestellt, auch die Arbeitszeiten und die Atmosphäre sind besser", fasst Britz zusammen. Mittlerweile arbeiten 175 Mitarbeiter am Standort Köln/Bonn für das Unternehmen.

Bohnenkamp und ihre Leute sind zufrieden. "Wenn wir nochmal einen Betriebsübergang bewältigen müssten, würde ich den Start beziehungsweise die Bestandsaufnahme genauso machen, wie hier am Standort Köln/Bonn", so die Chefin. Und Betriebsratschef Britz ergänzt: "Auf einem Betriebsratsseminar im Februar 2014 habe ich gesagt, dass mein neuer Arbeitgeber sprichwörtlich vom Himmel gefallen ist - und das meine ich absolut positiv."

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