Der kanadische Psychologieprofessor Paul Hewitt von der Universität von British Columbia gilt als einer der weltweit führenden Perfektionismusforscher. Er erinnert sich noch gut an einen Studenten, der unter schweren Depressionen litt – vor allem verursacht durch seinen übertriebenen Ehrgeiz.
In einem Kurs wollte der Student unbedingt eine Eins Plus ergattern. Das gelang. Doch hinterher war er umso frustrierter. Denn jetzt glaubte er: Wenn er wirklich perfekt wäre, hätte er für die Note ja nicht so hart arbeiten müssen.
Hewitt entwickelte bereits in den Neunzigerjahren gemeinsam mit seinem Kollegen Gordon Flett einen Fragebogen. Diesen Test nutzen seitdem Wissenschaftler weltweit, um den Perfektionismus eines Menschen zu bemessen. Und inzwischen kristallisiert sich heraus, welcher Aspekt besonders schädlich ist.
Gefährdet sind vor allem jene Perfektionisten, die die Zuneigung anderer Menschen von ihrer Leistung abhängig machen; die irrtümlicherweise davon ausgehen, nichts wert zu sein, wenn sie nichts Überdurchschnittliches zustande bringen. Dabei ist oft das Gegenteil der Fall.
Klar, Menschen respektieren und bestaunen Höchstleistungen, Rekorde und Erfindungen. In ihr Herz schließen sie sie deswegen noch lange nicht. Niemand hat das je so schön formuliert wie die französische Schauspielerin Jeanne Moreau: „Perfektion an einem Mann kann man bewundern. Lieben kann man sie nicht.“
Auch der erfolgreiche US-Regisseur Andrew Stanton, Macher von Kassenschlagern wie „Findet Nemo“, wurde einst nach seinem Erfolgsrezept gefragt. Seine Strategie sei es immer gewesen, so schnell wie möglich falsch zu liegen, davor aber bloß keine Angst zu haben. „Man kann nicht erwachsen werden“, sagte Stanton einmal, „ohne die Pubertät zu durchleben.“