Dabei profitiert das Retention Management zunehmend von Big-Data-Analysen. Algorithmen können schätzen, wer demnächst kündigen wird, bevor derjenige es selbst weiß. Beim Outdoor-Kleidungshersteller Patagonia etwa können Mitarbeiter beim Ausstempeln ihre Stimmung ausdrücken, indem sie einen lächelnden oder traurigen Smiley-Knopf betätigen. Die Algorithmen durchkämmen die Daten dann nach Mustern, die frühere Mitarbeiter zeigten, bevor sie aus Unzufriedenheit kündigten. Finden sie ein solches Muster wieder, schlagen sie Alarm.
Das Start-up Joberate geht sogar noch einen Schritt weiter und sammelt öffentlich verfügbare Daten in Karriereportalen und sozialen Netzwerken über die Mitarbeiter. Wer potenziellen neuen Arbeitgebern bei Twitter folgt oder bei Facebook Bewerbungstipps mit einem Like goutiert, dem ordnet die Software automatisch eine höhere Kündigungswahrscheinlichkeit zu.
Doch selbst wer diese grenzwertigen Methoden einsetzt, muss die Abwanderungswilligen immer noch zum Bleiben überreden. Christian Krammer, Managing Director bei der Boston Consulting Group (BCG), setzt dabei auf Dialog. „Wenn uns jemand verlassen will, sprechen wir sehr offen darüber und versuchen zu zeigen, warum es sich lohnen kann, bei uns zu bleiben“, sagt der für Personalfragen in Deutschland und Österreich zuständige Partner der Beratung.
Bei vielen sei vor allem die Neugier auf andere Erfahrungen der Grund, über einen Wechsel nachzudenken. Und BCG hilft den Angestellten sogar dabei, dieses Bedürfnis zu stillen. Angestellte können sich für ein Jahr zu einem Kunden versetzen lassen, um dort in einer Managementposition zu arbeiten. „Wenn die Mitarbeiter zurückkommen, sind sie zufriedener, weil sie einmal woanders reinschnuppern konnten“, sagt Krammer, „und auch erfahrener, was uns als Unternehmen nützt.“ Besonders beliebte Ziele seien Organisationen mit sozialem Auftrag. Kein Wunder.
In einer aktuellen Studie wollte BCG herausfinden, was weltweit den größten Einfluss auf die Zufriedenheit im Job hat. Demnach sind es vor allem Faktoren wie die Sinnhaftigkeit der Arbeit oder gute Beziehungen zu Kollegen und Vorgesetzten. Das Gehalt? Ist nicht unwichtig, aber auch nicht essenziell. „Es kann zwar leicht zu Unzufriedenheit führen, Geld alleine macht aber auch nicht glücklich“, sagt Krammer.
Angestellte wollen gesellschaftlichen Projekte
Für den Verbleib von Angestellten ist vor allem eines entscheidend: Sie müssen das Gefühl haben, ihre Arbeit bewirke etwas. Die Ökonomin Christiane Bode von der Bocconi-Universität in Mailand konnte das in einer Studie belegen. Sie untersuchte mehr als sechs Jahre lang 9800 Angestellte einer Unternehmensberatung. In dieser Zeit wurde eine soziale Initiative eingeführt. Dort konnten sich die Berater für Projekte engagieren, die weniger wirtschaftlichen, aber umso mehr gesellschaftlichen Einfluss hatten.