WirtschaftsWoche: Mitarbeiter müssen nicht nur fachlich, sondern auch zur Unternehmenskultur passen, sagen Sie. Wie finden Unternehmen diese Mitarbeiter?
Maren Lehky: Idealerweise ist eine Kultur so spürbar und eindeutig, dass sie in die Arbeitgebermarke einfließt und diese prägt. Ein Unternehmen, das Diversity in seiner DNA hat, wird diese auf allen Kontaktflächen nach außen automatisch zeigen, ohne dass es künstlich wirkt. Man sendet die Mitarbeiter zum Auswählen der neuen Kollegen aus, die automatisch wissen, „der passt nicht zu uns“ oder „die könnte uns gut ergänzen“. Das ist mehr Gefühl und Eindruck aus dem Gespräch, als dass man es direkt beweisen kann.
Reicht es denn, nach dem Bauchgefühl zu gehen?
Das ist sicher schon eine gute Voraussetzung und bei geschulten Personalsuchenden hat das Bauchgefühl meistens recht. Da man aber nicht nur nach „Nasenfaktor“ neue Mitarbeiter auswählen kann, wird man professionelle Interviews und Auswahlverfahren haben, die einem einen Einblick in die Werte und Verhaltensweisen, die soziale DNA eines Bewerbers geben. Mit Fragen, Fallbeispielen, situativen Beispielen für einen Bewerber zum Erarbeiten einer passenden Antwort, wird man sich einem Urteil annähern, ob jemand zur Kultur passt.
Dabei ist oft natürlich der äußere Eindruck schon ein Helfer. Eine Dame mit onduliertem Haar und einem klassischen blauen Kostüm und geknotetem Halstuch wird man in einer Start-up-Kultur eher nicht sehen, es sei denn man setzt auf „ganz schräg und interessant irgendwie“ und findet, dass sie einen im Sinne der Vielfalt unterstützt. Und etwas mehr Mischung wäre vielen Unternehmen zu wünschen. Denn oft sehen wir eine Monokultur, wo alle dieselben Sneakermarken, Brillengestelle und Kleidungsmarken tragen und in einem engen Alterskorridor nahe beieinander sind. So eine Monokultur ist nicht nur in der Landwirtschaft gefährlich. Da heute die Kunden vielfältig und die Themen komplex sind, ist eine bunte Mischung von Kompetenzen und Verhaltensweisen schon hilfreich.
Wie merkt denn der Bewerber, welche Unternehmenskultur vorherrscht, damit sich die Dame im Kostüm nicht auf den Start-up-Job bewirbt?
Es ist wichtig, sich vielfältige Eindrücke zu verschaffen und vor allem auf seinen Bauch zu hören. Das kann auf vielfältige Weise passieren: Im Internet Artikel von und über die Menschen im Unternehmen recherchieren, sich Bilder anschauen von Verleihungen, Podiumsdiskussionen, Videobotschaften von Vorständen. Sich umzuhören, wie Freunde und Bekannte diese Firma finden, was sie darüber denken und schon gehört haben, was ihnen zu den Produkten einfällt. Im Internet in Arbeitgeberbewertungsforen recherchieren, wie die ausgeschiedenen und noch dort arbeitenden Personen über den Arbeitgeber und seine Kultur, seine Führungskräfte schreiben und urteilen. Vor allem aber, wenn möglich vor dem Bewerbungsgespräch eine Weile „drumherum schleichen“, sich anschauen, wie die Menschen dort aussehen, miteinander reden, wie sie drauf sind, was sie ausstrahlen, wie sie zum Feierabend rauskommen, was sie so sprechen. Am Empfang eine Weile sitzen und lauschen, beobachten, ob man sich grüßt oder nicht, stehenbleibt oder nicht, angemessen lange oder zu lange.
Was eine intakte Unternehmenskultur ausmacht
Wer zukunftsfähig bleiben will, muss sich an den Impulsen orientieren, die seine Kunden vorgeben.
Nur wer hinter den Produkten und Leistungen seines Unternehmens steht, trägt zu dessen Weiterentwicklung bei.
Wer von seinen Mitarbeitern Orientierung an vorgegebenen Werten erwartet, muss diese verbindlich kommunizieren.
Damit die Kultur das ganze Unternehmen durchdringt, müssen Führungskräfte diese Werte glaubhaft vorleben.
Und im Vorstellungsgespräch?
Im Bewerbungsverfahren sollte man dann schauen, ob Sie nicht nur den direkten Chef sondern auch das Team kennenlernen dürfen, ob Sie den Arbeitsplatz sehen können oder sogar ein paar Tage auf Probe arbeiten, bevor Sie sich entscheiden. Meistens weiß man schon im Interview, ob man sich zu einer Firma hingezogen fühlt oder nicht.
Was empfehlen Sie Personalern, um den passenden Kandidaten zu finden?
Das gleiche, nur umgekehrt. Wie oben schon ausgeführt, wird das Unternehmen ein Auswahlverfahren und hoffentlich strukturierte Interviews nutzen und sich ein umfassendes Bild machen, denn es geht um viel Geld und Zeit. Betroffen von einer Fehlbesetzung ist ja nicht nur der Kandidat, sondern auch das Team, das jemanden einarbeitete und die Zeit dann vergeblich investierte. Am wichtigsten scheint mir auch immer wieder: den Kandidaten reden lassen und offene Fragen stellen, so dass er aus dem Gelernten und Vorbereiteten heraus muss und sich wirklich zeigt. Viele Firmenvertreter reden selbst so viel und finden dann nach einer Stunde Schweigen des Bewerbers: „Das war ein gutes Gespräch.“ So findet man nicht heraus, ob jemand zur Kultur passt.
Dieses Verhalten nervt die Personaler
Zu spät kommen beim Vorstellungsgespräch ist ein absolutes Tabu. Doch auch umgekehrt machen Bewerber keinen guten Eindruck: Wer zu früh kommt, setzt nämlich sowohl die potenziellen zukünftigen Chefs als auch die Personaler unter Druck. Wer also in seiner Nervosität zu früh losgefahren ist, sollte besser noch eine Runde im Park spazieren gehen oder irgendwo einen Kaffee trinken, anstatt zu früh auf der Matte zu stehen.
Egal wie locker die Gesprächsrunde ist, in der ein Bewerber sitzt: Es ist nicht der Stammtisch oder das Kaffeekränzchen mit der Familien. Private Anekdötchen haben hier nichts zu suchen.
Natürlich wollen und müssen Bewerber bestens vorbereitet sein. Wenn aber die klassischen Antworten "Meine größte Schwäche? Ich arbeite zu hart" - wie aus der Pistole geschossen kommen, wirkt das nicht vorbereitet, sondern schlicht unnatürlich und unsympathisch.
Frag nicht, was du für das Unternehmen tun kannst, sondern was das Unternehmen für dich tun kann? Natürlich hat ein Bewerber das Recht, nach Gehalt, Sonderleistungen und Urlaubstagen zu fragen. Nur bitte nicht als erstes und nicht ausschließlich.
Fragen zu stellen, ist allerdings angebracht. Falls Ihr Gegenüber also fragt, ob noch Klärungsbedarf besteht, sollte die Antwort darauf nicht “Nö” lauten.
Der letzte Eindruck zählt. Soll heißen: Achten Sie darauf, sich angemessen von Ihrem Gesprächspartner zu verabschieden. Bedanken Sie sich also und bieten Sie an, bei Rückfragen jederzeit zur Verfügung zu stehen. Auch wenn es selbstverständlich ist, wirkt das Angebot zuvorkommend und zeigt, dass Sie Interesse haben.
Jeder macht Fehler. Also geben Sie auch nicht in einem Bewerbungsgespräch vor, ein Perfektionist zu sein. Das wirkt allenfalls arrogant, aber keineswegs beeindruckend.
Klar müssen sich Bewerber beim Vorstellungsgespräch möglichst gut verkaufen - Helden und Supermänner fallen dagegen negativ auf. Der Typus "Kann alles, weiß alles, trotzdem immer sehr bescheiden" ist weder bei Personalern noch bei Kollegen gut gelitten.
Das gleiche gilt für arrogante Kandidaten, die dem Unternehmen mit ihrer Bewerbung quasi einen riesigen Gefallen tun und den Job sowieso schon sicher haben. Nur der dumme Personaler weiß das noch nicht...
Wer seine Bewerbung nicht selbst geschrieben hat, gar kein Spanisch kann und auch nicht studiert hat, sollte dem Personaler wenigstens die kleine Freude machen, es ihn selbst herausfinden zu lassen. Typen, die im Vorstellungsgespräch mitteilen, was sie alles nicht können und wo sie überall bei ihrem Lebenslauf getrickst haben, bekommen den Job nämlich genauso wenig wie Angeber.
Gleiches gilt für Bewerber, die reichlich verfeiert wirken, vielleicht sogar noch nach Alkohol riechen und deren größtes Interesse Urlaubszeiten, Sabbaticals und Überstundenregelungen gilt.
"Ich....ähm.... also...wie war doch die Frage gleich?" Unternehmen, die keine Stelle für einen zerstreuten bis zerstörten Professor ausgeschrieben haben, suchen in der Regel auch keinen.
Ebenfalls unbeliebt sind Menschen, die aus der Antwort auf die Begrüßung "Erzählen Sie uns etwas von sich" einen zweistündigen Monolog machen. Die Vertreter dieses Bewerbertyps neigen auch dazu, beim Lebenslauf bei der eigenen Zeugung zu beginnen.
Genauso nervig sind schüchterne Schweiger, denen der Personaler alles aus der Nase ziehen muss. Wie introvertierte Menschen Vorstellungsgespräche dennoch heil überstehen, lesen Sie übrigens hier.
Außerdem ist das Vorstellungsgespräch keine Gelegenheit, den Partner fürs Leben zu treffen. Bewerber, die den Personaler oder Abteilungsleiter anflirten oder vielleicht sogar anfassen, können sich den Job definitiv abschminken.
Ebenfalls ein No-Go ist Aggressivität. Bewerber, die auf provokante Fragen oder niedrige Gehaltsangebote aggressiv oder schnippisch reagieren, sind sofort raus.
Muss es denn immer passen? Kann ein Mitarbeiter nicht auch helfen, die Unternehmenskultur zu verändern?
Doch unbedingt, die Mischung macht es und neu kann befruchtend sein. Aber die Frage ist, ob die Kultur so tolerant ist, dass sie mit Anderssein umgehen kann. Wenn nein, tut man niemandem einen Gefallen und darunter leidet vor allem der Kandidat, der womöglich eine interessante Stelle aufgab, um zu uns zu kommen, weil wir ihm gesagt haben, dass wir total offen für neue Ideen und ganz andere Typen sind. Wird er dann ausgegrenzt, ist es einfach nur traurig und für den Arbeitgeber am Ende ein Armutszeugnis, das wiederum seine Marke und sein Image im Markt schädigen könnte.