Personalführung So geht gute Führung

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Sinnlose Pflichtübung

Die Entscheidungen von Accenture und Deloitte deuten nun darauf hin, dass solche Verfahren auf dem Rückzug sind. Langsam erkennen die Personaler, dass die Beurteilungen ihr ursprüngliches Ziel verfehlen. Theoretisch sollen sie die Leistung der Angestellten verbessern. Praktisch erreichen sie oft das Gegenteil. Das ist inzwischen sogar wissenschaftlich belegt.

Bereits im Jahr 1996 bezweifelte der Organisationspsychologe Avraham Kluger von der Hebräischen Universität von Jerusalem in einer Übersichtsstudie die Sinnhaftigkeit des Instruments. Bei einer Analyse von knapp 25.000 Gesprächen stellte er fest, dass die Rückkopplung des Chefs die Leistung des Mitarbeiters immerhin in jedem dritten Fall reduziert. Psychologen vermuten heute, dass das Feedback die Wahrnehmung des Angestellten einschränkt. Der Mitarbeiter sei danach vor allem darauf erpicht, gewisse Kennzahlen unbedingt zu erreichen. Hauptsache, er steht am Ende nicht schlechter da als seine Kollegen. Diese mutieren von Mitstreitern zu Konkurrenten, die es zu besiegen gilt.

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Erst recht, wenn die Bewertungen messbare Folgen haben. Meinungsforscher von TNS Infratest fanden im Jahr 2011 heraus: Bei etwa jedem vierten deutschen Angestellten hat die regelmäßige Leistungsbewertung durch den Vorgesetzten Einfluss auf das monatliche Bruttogehalt.

Ein Scheitern ist in dieser Wettbewerbssituation umso schlimmer. Dann kann negatives Feedback den Angestellten umso stärker demotivieren.

Zu diesem Ergebnis kam im Jahr 2013 eine Studie von Satoris Culbertson, Managementprofessorin an der Kansas-State-Universität. 234 Angestellte sollten ihr mitteilen, wie zufrieden sie mit den Bewertungen ihrer Vorgesetzten waren. Außerdem wollte Culbertson wissen, wie lernbereit sie waren oder ob sie neue, ungewisse Herausforderungen aus Angst vor Fehlern mieden.

Wenig überraschend: Probleme mit kritischen Anmerkungen hatten vor allem jene Angestellten, die leistungsorientiert dachten und Wert darauf legten, wie ihre Kollegen ihre Arbeit beurteilten.

Doch mehr noch: Selbst jene Mitarbeiter, die vor allem an der eigenen Weiterentwicklung interessiert waren und somit Interesse an konstruktivem Feedback haben müssten, ließen sich sogar von gut gemeinter Kritik irritieren. Ein Grund mehr, rein datenbasierte Beurteilungen der Belegschaft abzuschaffen.

Daran appelliert auch Rüdiger Hossiep, Wirtschaftspsychologe der Ruhr-Universität Bochum. Es habe katastrophale Folgen für die Zusammenarbeit, die Leistung der Mitarbeiter in Zahlen gefasst zu vergleichen, interne Ranglisten aufzustellen und diese mit Boni zu verknüpfen: „Das ist der Tod jeder Vertrauenskultur“, sagt Hossiep.

Das soll nicht heißen, dass Vorgesetzte kein Feedback mehr geben sollen. Im Gegenteil. Bloß dürfen solche Gespräche nicht nur einmal im Jahr stattfinden und niemals allein auf Basis fragwürdiger Kennzahlen.

Accenture-Chef Pierre Nanterme will in den kommenden Monaten ein neues System aufbauen, in dem die Angestellten zeitnah Feedback erhalten, zum Beispiel nach Abschluss eines Projekts. „Manager müssen die richtige Person für die richtige Stelle auswählen und sie mit ausreichend Freiraum ausstatten“, sagte Nanterme der „Washington Post“ im Interview. „Die Kunst guter Führung besteht nicht darin, Angestellte ständig miteinander zu vergleichen.“

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