Es folgt die typische Odyssee vieler spontaner Einwanderer in den USA. Weil Kahn keine Arbeitserlaubnis besitzt, produziert er für einen Computershop Druckerkabel, die damals noch nicht genormt sind. Doch die Einnahmen reichen nicht zum Leben. Kahn schreibt 105 Bewerbungen, bis ihn schließlich ein koreanischer Familienunternehmer einstellt, der sich auf Computer sowie Software spezialisiert hat und selbst keine Arbeitsgenehmigung hat. „Dort habe ich nicht nur Koreanisch gelernt, sondern auch richtig hartes Arbeiten“, sagt Kahn. Ein knappes Jahr später hat er das Geld, um seine Familie aus Frankreich nachzuholen.
Irgendwann hat Kahn das Business mit IT so verinnerlicht, dass er beschließt, europäische Unternehmer zu beraten, die in die USA streben. Er nennt seine Firma frech MIT, was für „Market In Time“ steht, frei übersetzt: zur richtigen Zeit auf den Markt. Es dauert nicht lange, bis sich das richtige MIT, die berühmte US-Forschungshochburg Massachusetts Institute of Technology, beschwert und eine Namensänderung fordert.
Mit Turbo Pascal gegen Microsoft
Kahns erste Kunden sind drei Dänen, die ihr irisches Softwarehaus Borland in die USA bringen wollen. Borland hat sich auf Programme für Softwareentwickler spezialisiert. Kahn übernimmt die Führung des Unternehmens. Dessen Programmiersprache Turbo Pascal wird schnell weltberühmt, die Informationsmanagementsoftware Sidekick ein Bestseller, die Datenbanksoftware Paradox ein weiterer Knaller. Mitte der Neunzigerjahre beschäftigt Borland 4000 Mitarbeiter, setzt eine halbe Milliarde Dollar um, ist das drittgrößte Softwareunternehmen der Welt. Kahn rast abwechselnd in einem weißen Porsche oder auf einem Honda-Motorrad durch die Berge von Santa Cruz, konkurriert in Segelwettbewerben in Hawaii – und greift Marktführer Microsoft an.
Doch dann kommt der Moment, an dem Kahn erkennt, „dass wir gegen Bill Gates nie gewinnen werden, zumindest solange nicht, wie er mit Microsoft das dominierende Betriebssystem kontrollierte“. Also empfiehlt er seinem Aufsichtsrat, alle Entwicklungsressourcen auf das damals noch junge Internet zu konzentrieren. Doch seine Partner wollen nicht. „Wenn sich der ganze Aufsichtsrat gegen einen stellt, bleibt einem keine andere Wahl, als zu gehen“, sagt Kahn. Für ihn ist das bitter. Er muss erkennen: „Mit einem Unternehmen ist es wie mit Kindern. Die wachsen auf, und man kann sie nicht mehr kontrollieren.“
"Das Beste, was mir je passiert ist"
Doch der Franzose ist inzwischen so amerikanisiert, dass er die Niederlage als neue Chance begreift. Neben einer Abfindung erhält er die Geschäftseinheit von Borland, die sich auf den Onlinedatenabgleich zwischen IT-Geräten spezialisiert hat. Daraus macht er die Softwarefirma Starfish. 1998 veräußert er Starfish für 325 Millionen Dollar an den damaligen Handyhersteller Motorola. „Der Rauswurf bei Borland war das Beste, was mir passiert ist“, meint Kahn im Rückblick. „Auch wenn mir das erst später bewusst wurde.“
Sein Erfolgsgeheimnis in all den Jahren beschreibt Kahn ebenso knapp wie überraschend: „keinerlei Wagniskapital“. Zwar sei Risikokapital fantastisch, „aber man macht sich abhängig von den Geldgebern“. Vor allem aber zwinge das viele Kapital die Gründer, viel zu schnell zu expandieren und übereilt Mitarbeiter einzustellen. „Unfähige Mitarbeiter sind das absolute Gift“, sagt Kahn. „Sie saugen Energie aus einem raus, weil sie ihren Job nicht richtig machen, und verschlechtern das Betriebsklima.“