Phase 6 - Das erste Jahr
Was sind längerfristige Stolpersteine?
Kollegen, die sich selbst gerne auf der neuen Position gesehen hätten, können zu einem großen Problem werden. Neidische Mitarbeiter suchen häufig nach Verbündeten, um dann gemeinsam den Chef zu diffamieren. Sollte dies der Fall sein, rät Dagmar Kohlmann-Scheerer erst mal abzuwarten: „Meistens löst sich das Problem von selbst, man sollte dem übergangenen Kollegen diese Chance geben“. Doch löst sich das Problem nicht von selbst, ist das erste Jahresgespräch ein guter Zeitpunkt für eine Aussprache. Doch dann gibt es oft nur zwei Möglichkeiten: Entweder der Kollege kann sich künftig zusammen reißen oder es müssen Konsequenzen folgen.
Ganz wichtig für den frischgebackenen Chef: Delegieren lernen! Die meisten machen am Anfang noch zu viel selbst – das ist falsch. „Man darf nicht selbst sein bester Sachbearbeiter sein“, sagt Kohlmann-Scheerer. Auf der einen Seite kann der Chef seine neuen Aufgaben nicht richtig erledigen, auf der anderen Seite blockiert er damit auch seine Mitarbeiter in ihrer Entwicklung. Trotzdem nehmen die meisten zu viel Rücksicht, aus Angst ihre Mitarbeiter zu überfordern. Doch Entscheidungen treffen ist ein Teil des neuen Jobs. „Wer nicht führt, wird geführt“, sagt Frank Stöckler. „Dann lieber mal falsch entscheiden, als gar nicht entscheiden“.
Was Manager tun können, um Begeisterung zu entfachen
Viele Unternehmen lassen sich bei der Personalauswahl noch zu häufig allein von der Fachexpertise, dem Leistungswillen und der Eloquenz der Kandidaten leiten. Wenn jemand mit Leidenschaft seinem Beruf nachgeht oder gar ein besonders kreativer Querdenker ist, wird ihm das eher negativ ausgelegt. Mehr Mut zu weniger Uniformität und Stromlinienförmigkeit kann sich vor allem in Forschung und Entwicklung, in Marketing und Vertrieb bezahlt machen. Das Management gerade deutscher Unternehmen ist jedoch häufig zu eindimensional auf Effizienz getrimmt. Beim Optimieren von Prozessen ist das goldrichtig, bei kreativen Prozessen nur bedingt“, warnt Jens-Uwe Meyer, Autor des Buches „Das Edison-Prinzip“.
Wer Mitarbeiter für die Sache begeistern und damit ihre Motivation erhöhen möchte, muss auch ein guter Kommunikator sein, mit guten Argumenten, aber auch der nötigen Empathie für die menschlichen Belange. Gut kommunizieren zu können, ist auch in der notwendigen Darstellung nach außen enorm wichtig. Dies erst zu lernen, wenn man bereits auf der Zielgeraden für eine Top Position ist, ist eindeutig zu spät. Übrigens gehört dazu auch ein verhandlungssicheres Englisch.
Wer Ideenfindung zur Chefsache erklärt, zeigt seinen Mitarbeitern vielleicht, wer in der Hierarchie ganz oben steht. Er läuft aber auch Gefahr, wichtige Details oder Erkenntnisse zu übersehen und damit Fehlentscheidungen zu treffen. Weil Technologiesprünge, Veränderungen von Geschäftsmodellen und Kundenbedürfnisse sich immer schneller drehen, kann ein einzelner – egal wie gut er ist - niemals alle für Geschäftsentscheidungen relevanten Informationen überblicken. Wer hingegen in den offenen Ideenaustausch mit seinen Mitarbeitern investiert, braucht zwar mehr Zeit, erntet dafür aber am Ende auch die kreativeren Ideen und durchdachteren Konzepte. Gleichzeitig schafft die direkte Einbindung eine höhere Identifikation mit dem Ergebnis, das Mitarbeiter dann viel motivierter umsetzen, denn es ist ja auch ihr Konzept.
Am kreativsten sind Mitarbeiter in Teams mit flachen Hierarchien. Um die Expertise aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen, Fachgebieten und Ländern an einen Tisch zu bringen, hat z.B. der Essener Konzern Evonik sogenannte Forscher-WGs eingerichtet, in denen Experten aus verschiedenen Unternehmensbereichen und Ländern über drei Jahre lang gemeinsam Innovationen ausbrüten. Der IT-Dienstleister IBM veranstaltet sogenannte „Innovation Jams“, bei denen sich über Hunderttausend IBM-Mitarbeiter, deren Familien, Wissenschaftler und Kunden aus der ganzen Welt drei Tage lang via Computerbildschirm über neue Ideen, Innovationen und die Lösung kniffliger Probleme austauschen.
Führungskräfte umgeben sich häufig am liebsten mit Personen, die ähnliche Stärken aufweisen wie sie selbst. Wer gerne kommuniziert, arbeitet gerne mit kommunikativen Menschen. Wer detailverliebt ist, schätzt Mitarbeiter mit ähnlichen Präferenzen. Wer seine Stärken und Schwächen kennt und sich vornimmt, das volle Potenzial seines Teams zu heben, kann sich als Führungskraft darauf konzentrieren, die verschiedenen Talente so einzusetzen, dass sie sich ergänzen – zum Erfolg aller. Teams sind dann besonders stark, wenn jeder eine eigene Rolle seinen Fähigkeiten entsprechend übernehmen kann. Der Job des Teamleiters ist es, jedem die passende Rolle zuzuteilen.
Dagmar Kohlmann-Scheerer rät außerdem, nicht zum Chef zu werden, der sprichwörtlich „für jeden ein offenes Ohr hat“. Gerade Führungspersönlichkeiten, die direkt aus dem Team befördert werden, tendieren dazu immer sofort „Ja“ zu sagen, aus Angst arrogant zu wirken. Aber: Ein Vorgesetzter, der Aufgaben sofort übernimmt, anstatt dem Kollegen selbst zur Lösung zu führen, wird schnell zum ständigen Ansprechpartner. „Mitarbeiter sollten lernen erst zu denken, und dann zu fragen“, sagt Kohlmann-Scheerer.
Für Trainer Frank Stöckler sind die ersten 100 Tage besonders wichtig, denn in dieser Zeit sollte der neue Chef eine Beziehungsebene mit seinen Mitarbeitern aufbauen. „Durch Vertrauen entsteht Leistungsbereitschaft“, sagt Stöckler. Große Veränderungen sollten Sie in dieser Zeit noch nicht angehen, sondern vor allem beobachten. Und Anerkennung zeigen: „Erwische den Mitarbeiter, wenn er gut ist“, sagt Frank Stöckler. Ein ehrliches Lob weckt Vertrauen und signalisiert Aufmerksamkeit.
Das Fazit
Trotz allem: Es hat viele Vorteile zum Chef des ehemaligen Teams aufzusteigen, denn kein Externer kennt die Mitarbeiter so gut wie Sie. Stärken und Schwächen müssen Sie nicht erst suchen, sondern haben sie längst gefunden. Arbeitsprozesse und Strukturen sind Ihnen ebenfalls schon bekannt – Optimierungen fallen so erheblich leichter. In schwierigen Situationen kann Ihnen auch ein Perspektivwechsel helfen: Wie fühlt sich der Kollegen jetzt? Was hätte ich mir als Untergebener in der Situation gewünscht? Empathie hilft und lässt das Feierabendbier auch weiterhin gut schmecken.