Psychologie der Kunden Warum Innovationen scheitern

Die meisten Innovationen scheitern, weil ihre Erfinder zu sehr aufs Produkt starren – und die psychologischen und kulturellen Bedürfnisse der Kunden ignorieren.

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Diese grandiosen Erfindungen entstanden zufällig
Coca Cola Quelle: AP
Chocolate-Chip Cookies Quelle: Fotolia
Kartoffelchips Quelle: AP
Die Mikrowelle Quelle: obs
LSD Quelle: Fotolia
Sir Alexander Fleming Quelle: AP
ViagraAuch das Potenzmittel Viagra war eine Zufallsentdeckung. Ursprünglich sollte das Mittel gegen Bluthochdruck und Herzprobleme helfen. Das bewirkte Viagra zwar nicht, dafür sorgte es bei den männlichen Probanden für Erektionen. Quelle: AP

Man müsse nur eine bessere Mausefalle erfinden, dann würden die Leute zum Erfinder strömen - selbst wenn der im tiefsten Wald wohne. Diese Behauptung, die dem amerikanischen Nationalschriftsteller Ralph Waldo Emerson zugeschrieben wird, sagt mehr über den erfindungsfreudigen Geist der Amerikaner des späten 19. Jahrhunderts als über die Realität der Innovation.

Denn wenn die Menschen aus welchen Gründen auch immer keine Mäuse töten wollen (oder es gar keine Mäuse in ihren Wohnungen gibt), kann eine neue Falle noch so gut funktionieren. Niemand wird sie kaufen. Und damit ist sie zwar eine Erfindung, aber keine Innovation.

Die Bedürfnisse der Kunden im Blick

In der echten Welt scheitern mindestens 70 Prozent der Erfindungen im Bereich der Konsumgüter am Markt, schätzt das Marktforschungsinstitut GfK. Die Unternehmensberatung Artur D. Little kommt sogar zu dem Ergebnis, dass von 100 Neuproduktideen nur eine wirklich erfolgreich ist.

Der Grund, warum die meisten Erfindungen scheitern, liegt daher in den wenigsten Fällen darin, dass das neue Produkt technische Schwächen hat. Erfolgreiche Erfinder haben nicht nur das neue Produkt selbst im Blick, sondern vor allem die Bedürfnisse derjenigen, die es nutzen sollen. „Gute Ideen beginnen oft mit der Frage nach dem richtigen Problem: Was genau ist eigentlich das Problem, für das wir Lösungen suchen?“, sagte der Kognitionspsychologe und Unternehmensberater Christoph Burkhardt im Handelsblatt-Interview.

Der deutsche Innovationspreis

Auch Dilip Soman, Professor an der Rotman School of Management der Universität Toronto, erklärt die anhaltend hohen Flopraten – bei steigenden Aufwendungen für Marktforschung – dadurch, dass die Erfinder allzu oft die Psychologie des potenziellen Nutzers missachten. Nur in den realitätsfernen Annahmen der traditionellen Ökonomie ist der Konsument selbst in der Lage zu erkennen, dass die neue Mausefalle tatsächlich effektiver Mäuse fängt als die alte in seiner Speisekammer - und beschließt nach rationaler Erwägung in den Laden zu gehen, um sie für teures Geld zu kaufen.

„Wirkliche Konsumenten sind ganz anders“, schrieb Soman in einem Aufsatz, „sie entscheiden intuitiv, sie sind körperlich und geistig faul und sie sind besonders beeinflusst von ihrer Umgebung.“

Produkte verkaufen wie Tom Sawyer

Ein Meister der Psychologie war der Schriftsteller Mark Twain, beziehungsweise sein Roman-Held Tom Sawyer: Er sollte zur Strafe für Schulschwänzen den Gartenzaun anstreichen. Als seine Freunde vorbeikommen, streicht er den Zaun mit solch plakativer Lust und Leidenschaft, dass diese das große Bedürfnis verspüren, es auch einmal zu versuchen.

So verkauft ihnen Tom gegen Bezahlung eines Apfels und anderer Wertgegenstände das Recht, an seiner Statt den Zaun anzustreichen. Während er selbst im Gras liegend den Apfel genießt.

Auch heutige Konsumenten sind so wie Toms Freunde. Tom hat verstanden, dass das Geheimnis des Erfolgs eines neuen Produkts darin besteht, dass es einer etablierten gesellschaftlichen Norm entspricht. Innovationen sind darum nicht an sich erfolgversprechend oder nicht - sondern in Abhängigkeit von kulturellen Bedingungen zu sehen.

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