Ralf Konersmann Was wir von der Philosophie der Stoa lernen können

Seite 2/5

Philosophie als Therapie?

Die jüngere Stoa, vor allem Seneca, will das Wesen der Welt erkennen, um die Menschen zu kurieren. Wird Philosophie hier zur Therapie?

Das Erkennen selbst hat etwas Therapeutisches, es beruhigt. Darin steckt ein emphatisches Bekenntnis zur Philosophie: Ich erkenne, geleitet durch die Vernunft, Sachverhalte und gewinne Einsichten, die sich künftig bewähren werden, wenn ich nur die Kraft aufbringe, ihnen zu folgen und mich an ihnen zu orientieren. Dadurch gewinne ich Halt. Die Worte Halt und Haltung, das Sprachfeld des Haltens und Gehaltenwerdens, des Durchhaltens und Standhaltens ist überaus bezeichnend für die Stoa…

…und bezieht sich auf die innere wie äußere Welt des Einzelnen?

Ja, die große Welt hält mich, wenn ich aufhöre, eigenwillig gegen ihre Verfasstheit zu rebellieren. Wir sollen uns anpassen, sagt Seneca, freilich nicht an irgendwelche Despoten im Sinne des Nachgebens an eine blanke Macht. Seneca folgt einer anderen Logik: Er empfiehlt die Anpassung an die Gegebenheiten der Welt, so dass wir uns nicht aufreiben, uns keine Verletzungen zuziehen, sondern uns geschickt, vor allem klug verhalten. Dabei hilft uns die Philosophie: durch vernünftige Einsicht in die Verhältnisse.

In Ihrem jüngsten Buch „Die Unruhe der Welt“ zitieren Sie als Motto ein Wort Senecas aus dem 92. Brief an Lucilius: „Was ist das glückliche Leben? Sorgenlosigkeit und beständige innere Ruhe.“ Was genau ist damit gemeint?

Man merkt es vielleicht nicht sofort, aber der Begriff der Sorgenlosigkeit drückt eine Negation aus: Die Freiheit von Sorgen. Da ist ein Abwehrgestus am Werk, da wird versucht, die Dinge auf Abstand zu halten, die sich mir aufdrängen. Die Prämissen sind dabei: Der Mensch ist unvollkommen, er ist schwach, die Welt ist nicht für ihn gemacht. Erfahrungen, die jeder von uns aus seiner Perspektive nachvollziehen kann: die Gefahr des Scheiterns, der Unsicherheit, des Bedroht-Seins. Und die Stoa knüpft genau hier an. Sie fragt: Wie befreie ich mich aus den Sorgen, aus den Bedrängnissen des Lebens? Ihre Ethik ist der Versuch, einen Ausweg zu zeigen, ohne billige Lösungen, die unser Dilemma nur verschärfen.Und die innere Ruhe…

… ist dazu gleichsam das positive Gegenstück. Man könnte sie fast als Vorgabe des Weges interpretieren, der zu beschreiten ist: Indem ich Bürden und Belastungen abstreife, finde ich allmählich zur Ruhe. Es geht also um ein Projekt, um das ich mich bemühen, um das ich ringen muss. Seneca scheut nicht Metaphern aus der Welt des Militärischen: Wir sind Krieger, Leben heißt kämpfen, heißt sich freikämpfen…

Klingt eher unstoisch…

Nur scheinbar, denn zur Stoa gehört auch ein kämpferischer Zug, die Zähigkeit, sich nicht beirren zu lassen von Verführungen, etwa, um ein aktuelles Beispiel zu nennen, durch die Werbung mit ihren Wohlfühlformeln und Suggestionen: Man müsse nur das Richtige kaufen, die richtige Versicherung wählen etc., um ein sorgenfreies Leben zu führen.

Die gefährlichsten Krisengebiete der Welt
Syrien und IrakIn den Konflikten in Syrien und im Irak gehört die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu den stärksten Kriegsparteien. Sie beherrscht in beiden Ländern große Gebiete, in denen sie ein „Kalifat“ errichtet hat. Im syrischen Bürgerkrieg bekämpfen sich zudem das Regime und seine Gegner. Die Armee ist mit starker Hilfe von Kämpfern aus dem Iran, von der libanesischen Schiiten-Miliz Hisbollah sowie von der russischen Luftwaffe auf dem Vormarsch. Die moderate Opposition wird vom Westen unterstützt. Quelle: AP
Ukraine Quelle: dpa
Nigeria Quelle: dpa
Libyen Quelle: dpa
Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer Quelle: dpa
Nordkorea Quelle: dpa
Afghanistan Quelle: dpa

Da macht der Stoiker nicht mit, er wählt nicht den einfachen Weg, den Weg des geringsten Widerstands.

Er erspart uns nicht die Einsicht, dass der stoische Weg ein harter, beschwerlicher Weg sein wird, einzig und allein getragen von der Zuversicht, dass er sich am Ende gelohnt haben wird, trotz Rückschlägen und bitteren Erfahrungen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%