Im März ist die Messesaison in Deutschland erst so richtig gestartet. Die CeBIT, die am 20. März in Hannover ihre Pforten geöffnet hat, ist von den Märzmessen sicher die bekannteste Fachveranstaltung. Ab jetzt präsentiert sich nahezu täglich eine andere Branche dem Fachpersonal: Auf der EMV Stuttgart, der Hannover Messe, IAA, Anuga & Co. sind aber nicht nur neue Produkte und Trends zu sehen. Dort tummeln sich auch zig Experten aus allen Fachbereichen. „Fach- und Führungskräfte finden Sie sehr selten auf Fachmessen. Berufsanfänger und Leute mit einem oder zwei Jahren Berufserfahrung gehen dagegen auf Berufs- und Karrieremessen“, sagt Ole Mensching.
Er ist Geschäftsführer der Personalberatung Careerteam, die sich auf das Recruiting von Führungskräften spezialisiert hat. Trotzdem seien Messen kein perfektes Instrument, um an neue Mitarbeiter zu kommen, so Mensching. Natürlich könne es sein, dass ein Unternehmen auf der CeBIT seinen neuen Leiter für den Bereich Iot kennen lernt, aber sehr wahrscheinlich ist dies nicht. „Dass Führungskräfte zu Ihnen an den Stand kommen, weil sie einen neuen Job suchen, habe ich so bisher noch nie erlebt.“, sagt Mensching.
Ohne persönlichen Kontakt geht es nicht
Für sein Unternehmen ist der Headhunter zweimal pro Woche auf einer Messe und lernt natürlich entsprechend viele Menschen kennen. Entsprechend rät er Unternehmen: „Wer auf Messen rekrutieren will, muss das professionell betreiben. Einmal zu einer Fachmesse zu gehen, bringt in der Regel nichts.“ Trotzdem will er Unternehmen die Messen als Recruiting-Instrument gar nicht ausreden. Personaler sollten sich jedoch der Grenzen bewusst sein – und ihr Messe-Recruiting richtig aufziehen. „Ich habe anfangs gedacht, dass alles immer zahlenbasierter und digitaler werden muss und bin ziemlich schnell von der Realität belehrt worden, dass es ohne den persönlichen Kontakt nicht funktioniert“, sagt Mensching.
Wie Sie erfolgreich netzwerken
Wenn Sie absehen können, dass Sie eine bestimmte Person auf einer Veranstaltung treffen, recherchieren Sie im Vorfeld einige Fakten. So ist es einfacher, einen kreativen Aufhänger für den Gesprächsstart zu finden.
Es ist ein Fehler, erst ein Netzwerk aufzubauen, wenn Sie ein Problem haben. Denn dann ist es häufig zu spät. Ein strategisches Netzwerk zu schaffen ist zeitaufwendig.
Natürlich können Sie nicht ständig in regem Austausch mit all Ihren Kontakten stehen, aber versuchen Sie dennoch, die Verbindung zu halten. Eine Weihnachtskarte oder ein Gruß zum Geburtstag reichen manchmal schon.
Bieten Sie Ihrem Gegenüber Ihre Hilfe an. Wenn Sie zuerst Informationen oder Kontakte preisgeben, erhalten Sie einen Vertrauensvorschuss.
Eine Beziehung, von der nur einer der beiden Partner profitiert, ist meist nicht von langer Dauer. Schaffen Sie eine gesunde Balance aus Geben und Nehmen.
Ein Mensch kann laut wissenschaftlichen Untersuchungen maximal den Umgang mit 150 Personen intensiv pflegen - und genau darauf kommt es an.
Wer nämlich nach jungen Talenten sucht, nach Absolventen oder Menschen, die erst ein oder zwei Jahre im Job sind, für den seien die Veranstaltungen von den Azubi- und Studentenveranstaltungen bis zu regionalen oder fachspezifischen Jobmessen ein heißer Tipp. Vor Ort gilt es dann, mit der Zielgruppe ins Gespräch zu kommen und einen guten Eindruck zu hinterlassen. Am besten funktioniere das über ein innovatives, spannendes Produkt. „Die Firma Claas aus Nordrhein-Westfalen hat bei einer Messe einfach einen ihrer selbstfahrenden Traktoren hingestellt. Den wollten natürlich alle sehen. Die mussten also gar nichts machen und die Leute kamen trotzdem“, erzählt er.
„Schwieriger ist es, wenn man beispielsweise Software as a Service für den B2B-Bereich entwickelt.“ Aber auch, wer nichts herstellt, was sofort alle Blicke auf sich zieht, kann Aufmerksamkeit gewinnen: So habe Media Markt einmal auf einer Messe ein Smartphone zertrümmern lassen und Saturn habe Smartphones verlost. In beiden Fällen war das Interesse groß. Es geht aber auch noch eine Nummer kleiner, wie Mensching sagt: „Oft reicht es schon, wenn man der einzige Stand mit gutem Kaffee ist. Wir haben eine ordentliche Kaffeemaschine und verteilen abends ab halb sechs kaltes Bier. Da kommt man automatisch mit Leuten ins Gespräch.“
So erhöhen Mittelständler ihre Attraktivität für Fachkräfte
Wer ohnehin schon Schwierigkeiten hat, seine Mitarbeiterzahl konstant zu halten oder neue Leute zu finden, kann es sich nicht mehr leisten, ganze Gruppen auszuschließen. Das Heer an männlichen Arbeitskräften, 25 Jahre alt, 30 Jahre Berufserfahrung, Mitgliedschaft im Schützenverein, ist nämlich ziemlich klein geworden. Entsprechend müssen sich Mittelständler auch für ältere Arbeitnehmer, ausländische Fachkräfte, junge Eltern oder Menschen mit Handicap öffnen. Wer das nicht tut, verschenkt nicht nur Potenzial - er wirkt auch aus der Zeit gefallen. Und bei so jemandem möchte auch der 25-jährige Schützenkönig nicht arbeiten. .
Quelle: Recruiting-Guide 2017 der Online-Jobbörse Yourfirm
Die Kompetenzen älterer Arbeitnehmer sind in der Vergangenheit bei vielen Unternehmen unterschätzt worden. Dabei kann die Berücksichtigung der Kompetenzen und Bedürfnisse der Generation 50 plus den Fachkräfteengpass entschärfen. Wer auch in Zukunft ein attraktiver Arbeitgeber sein möchte, darf sich also nicht nur auf die 22-Jährigen Hochschulabsolventen versteifen.
Um die Generation 50plus anzusprechen sind nicht nur gezielte Recruiting-Maßnahmen erforderlich, sondern auch eine Anpassung der Betriebsstrukturen. Ältere Bewerber interessieren sich oft weniger für das Unternehmensimage, Aufstiegs- oder Weiterbildungsmöglichkeiten und schätzen dafür umso mehr integres Management und kooperatives Betriebsklima.
Aber auch an die junge Zielgruppe und deren Bedürfnisse muss gedacht werden: Für die steht heute oft nicht mehr die geradlinige Musterkarriere mit hohem Einkommen im Vordergrund, sondern die Verwirklichung persönlicher Lebensentwürfe. Dazu gehört auch die Möglichkeit, genug Zeit in private Belange investieren zu können. Aber auch die Chance, sich mit eigener Initiative und Kreativität in die Entwicklung des Betriebs einbringen zu können. Mitbestimmung, konstruktives Feedback und eine gute Work-Life-Balance sind also wichtig.
Obwohl Frauen heute vielfach besser qualifiziert sind als Männer, gelingt es vielen nicht, Familie und Berufsleben angemessen zu vereinen. 1,5 Millionen Mütter werden so laut IZA in Deutschland daran gehindert, Arbeit aufzunehmen oder Arbeitszeiten zu erhöhen. Diese 1,5 Millionen könnten so manchem Mittelständler aus der Patsche helfen.
Wenn er flexible Arbeitszeiten oder Arbeitsmodelle wie Jobsharing anbietet. Auf Frauen ausgerichtete Förderprogramme und eine Betriebskita verhindern außerdem, dass Arbeitszeiten überhaupt unnötig reduziert werden müssen. Auf solche Angebote achten übrigens auch junge Väter, beziehungsweise Männer, die eine Familie gründen wollen.
Wer innovative Mitarbeiter will, darf sich nicht mehr in ein Arbeitszeitkorsett pressen, das gut in das Jahr 1850 passen könnte. Hinzu kommt, dass flexible Arbeitszeiten nicht nur zeitgemäß sind, sondern auch Belastungen durch den Beruf reduzieren können. Besonders Mitarbeiter, die zu Hause Kinder erziehen, in der Pflege eingespannt sind oder pendeln, wissen solche Angebote zu schätzen. Auch Home-Office gehört zur Angebotspalette eines attraktiven Arbeitgebers.
Um als Arbeitgeber gerade für ältere Angestellte attraktiv zu bleiben, machen sich Investitionen in die betriebliche Gesundheitsvorsorge bezahlt. Auch das Angebot von frischem Obst oder Gratis-Getränken verbessert die Gesundheit der Mitarbeiter - und die Arbeitsatmosphäre.
Wer all das bereits anbietet und umsetzt und sich trotzdem schwer tut, bei der Mitarbeitersuche, der kommuniziert vielleicht einfach nicht genug: Schmücken Sie sich mit Ihren Federn - nicht nur mit Produkten und Dienstleistungen, auch mit Angeboten an die Belegschaft kann man angeben. Mitarbeiter können über Unternehmen aus eigener Erfahrung und nächster Nähe berichten. Daher stellen sie die glaubwürdigsten Experten für die Kommunikation der Arbeitgebermarke dar. Bilder, Videos oder schriftliche Stellungnahmen der Angestellten eignen sich also zur Illustration der Karrierewebsite, als Werbemittel auf Social-Media-Kanälen oder Videoportalen. Bei Karrieretagen oder Jobmessen können sie aus erster Hand berichten.
Die Teilnahme an Arbeitgeberrankings kann ebenfalls mediales Interesse wecken und das Arbeitgeberimage verbessern. Hier bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, die Erfolge öffentlichkeitswirksam darzustellen.
Diese Gelegenheit müssen die Unternehmen dann auch nutzen. Sonst haben sie viel Geld für Kaffee und Bier ausgegeben, aber keinen einzigen neuen Kontakt. Also im Zweifelsfall hingehen und sagen: Hey, du trinkst unser Bier, hast du auch Lust für uns zu arbeiten? „Locker ansprechen funktioniert immer besser, als in 30 Sekunden die KPIs runterzurasseln“, sagt Mensching. Und wenn nur einer von 20 auf „hey du, willst du bei uns arbeiten“ reagiere und seine Kontaktdaten hinterlasse, sei das doch schon ein großer Erfolg.
Unabhängig von Messen rät Mensching Unternehmen zu einer Kombination aus digitaler Ansprache und persönlichem Kennenlernen.
Aber auch bei der digitalen Kontaktaufnahme mit potenziellen Mitarbeitern sollten Unternehmen nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. „Viele Leute antworten doch gar nicht mehr, wenn man ihnen bei sozialen Netzwerken kalt einen Job anbietet“ , sagt der Headhunter. Stattdessen rät er dazu, über digitale Kanäle – Social Media, Xing, LinkedIn oder Fachforen – mit Menschen aus der Branche in Kontakt zu treten und sich zu verabreden. „Wenn Sie zweimal die Woche mit fremden Menschen aus ihrem Fachbereich zu Mittag essen gehen, erweitern sie ganz einfach ihr Netzwerk. Und Mittagessen müssen Sie sowieso. Warum dabei nicht potenzielle Kollegen kennen lernen?“
Damit sollte man natürlich nicht erst anfangen, wenn eine Stelle zu besetzen ist. Wer sich aber beim Essen schon ein gutes Netzwerk aufgebaut hat, kann im Falle einer Vakanz ganz anders reagieren. Nämlich im Zweifelsfall die neuen Bekannten anrufen und fragen, ob sie nicht Lust auf einen anderen Job hätten oder jemanden kennen, der jemanden kennt.