Reinhard Sprengers neues Buch Was richtige Führung ausmacht

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Fünf Gebote für mehr Anstand im Unternehmen

1. Betrachte Mitarbeiter nicht als bloße Mittel.

Der Mitarbeiter ist ein Gegenüber, dem wir auf Augenhöhe begegnen und der seinen Zweck in sich selber trägt. Unter dieser Perspektive setzt sich das anständige Unternehmen nicht zum Selbstzweck, es verzichtet auf Zielvorgaben, fordert keine Identifikation, macht die Mitarbeiter nicht zu Reiz-Reaktions-Automaten und verabschiedet sich von einer Managementvergütung, die den Kooperationsvorrang im Unternehmen dementiert.

Was gute Führung ausmacht

2. Behandle Mitarbeiter nicht wie Kinder.

Der Mitarbeiter wird als Erwachsener gesehen, der kompetent und in der Lage ist, angemessene Entscheidungen zu fällen. Das anständige Unternehmen verzichtet daher auf erniedrigende Forderungen nach Vorbildlichkeit oder Fürsorgepflicht der Führung, führt keine Mitarbeiterbefragungen durch (schon gar keine anonymisierten), und unterlässt jede Form der Gesundheitsförderung: Schwächung der Selbstverantwortung, Veröffentlichung unseres Körpers und Konformität sind ein zu hoher Preis.

3. Versuche nicht, Menschen zu verbessern.

Der Mitarbeiter wird anerkannt als Individuum, den wir so nehmen, wie er ist, und dem wir einen Arbeitsrahmen gestalten, der sein Sosein zur Stärke werden lässt. Unter diesem Prinzip verzichtet das anständige Unternehmen auf Führungsstil-Vorgaben, auf Ethik-Kommunikationen, auf Feedback-Runden, auf Rennlisten und auf die Pathologisierung des Mannes durch Führungsseminare.

4. Verletze nicht die Autonomie der Mitarbeiter.

Der Mitarbeiter als Mensch, dem wir vertrauen und der selbstverantwortlich entscheidet, wie er im Rahmen seiner Aufgabe handelt. Das anständige Unternehmen verzichtet auf jede Therapeutisierung der Kooperationsverhältnisse, verspricht keinen sicheren Arbeitsplatz, lässt vor allem bei der Trennung den Anstand nicht vermissen, versucht nicht, Mitarbeiter zu binden und verzichtet auf herabsetzende Kontrolle. Von seinen Führungskräften fordert es Anstand, keine Authentizität.

5. Bezeichne nichts als alternativlos.

Der Mitarbeiter ist ein Wählender, der Wertkonflikte anerkennt, dem wir Mehrdeutigkeit zumuten und auch den Preis, der bei Entscheidungen zu zahlen ist. Das anständige Unternehmen fordert keine Kultur gegenleistungsloser Wertschätzung, es versagt sich jeder kommunikativen Formlosigkeit, es entehrt nicht die Hierarchie, verzichtet auf den unterschiedslosen Einsatz des Englischen als Imperialsprache, fördert keine Frauen und ist zurückhaltend im Umgang mit einer der größten Naivitäten unserer Zeit – der Transparenz.

Die Wende, um die es geht, ist das Wiederernstnehmen von Begriffen wie Erwachsensein, Eigenverantwortung, Stolz, Selbsthilfe, Form, Ehre, Tabu, Würde. Deshalb ist „Das anständige Unternehmen“  auch ein Manifest für das heraufziehende Innovationszeitalter.

Nehmen wir als Beispiel das Feedback. Dürfte ich ein Unwort der Unternehmensführung nennen, Feedback stäche hervor. Zunächst sagt ein Feedback mehr über den Feedback-Geber aus als über den Feedback-Nehmer. Warum sollte es mich kümmern? Zudem ignoriert ein Feedback  die wechselseitige Verhaltensbeeinflussung. Über einen isolierbaren Anderen können wir keine Aussage machen, die sich nicht in Selbstbezüglichkeit verheddert. Außerdem kenne ich keine erfolgreiche Führungskraft, die durch Feedback erfolgreich wurde. Keine von ihnen hat sich je an die durchschnittliche Vernunft verloren.

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