Rhetorik Warum keine Verhandlung ohne Eskalation auskommt

Donald Trump, Koalitionspoker, Brexit: Eskalationen sind häufig Teil erfolgreicher Verhandlungen. Was man davon fürs Geschäftsleben lernen kann.

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Warum keine Verhandlung ohne Eskalation auskommt. Quelle: Illustration: Calum Heath

Der große Krach lief leise, fast geräuschlos ab. Christian Pleister zerriss das Papier, stand auf und ließ es in den Papierkorb gleiten. Seine Botschaft war deutlich: Wenn seine Verhandlungspartner ihm wirklich eine Liste mit mehr als 40 Nachforderungen überreichen, dann wird er sich damit nicht auseinandersetzen.

Als Anwalt der Kanzlei Noerr ist Pleister seit 20 Jahren im komplexen Geschäft mit Fusionen und Übernahmen (M&A) unterwegs. Er hat sich, das weiß er selbst, einen gewissen Ruf erarbeitet. „Wenn es der Sache nutzt“, sagt Pleister, „scheue ich die harte Auseinandersetzung nicht.“ Wenn ihm etwas nicht passt, kann er seinen Gesprächspartnern mit Worten, oft aber auch nur mit einer Geste signalisieren: so nicht.

Erst neulich wieder griff der Jurist zu einem Mittel, das die meisten Verhandler zu vermeiden suchen: zum Mittel der Eskalation. Der Begriff, abgeleitet vom französischen Wort für Treppe (escalier), suggeriert einen Konflikt, der sich in immer neue Höhen hochschaukelt, getrieben von eitlen, bockigen Verhandlungspartnern, die zu allem bereit sind – nur nicht zum Kompromiss.

Fehler, die Ihnen in Verhandlungen das Genick brechen können

Selten war die Methode so omnipräsent wie heute. US-Präsident Donald Trump zum Beispiel droht Nordkorea seit einigen Wochen fast täglich. In einer Rede vor der Uno kündigte er im Fall einer Bedrohung der USA oder deren Verbündeter die totale Vernichtung des Landes an, Gespräche mit dem Regime über dessen Atom- und Raketenprogramm seien sinnlos, Bemühungen seines Außenministers Rex Tillerson „reine Zeitverschwendung“.

Bei den Brexit-Verhandlungen zog der EU-Chefunterhändler Barnier kürzlich ein enttäuschendes Fazit: Man sei „in einer Sackgasse“ angekommen, der „Stillstand“ bei der Frage nach den finanziellen Verpflichtungen Großbritanniens sei „besorgniserregend“. Und vor den Koalitionsverhandlungen in Berlin benennen die beteiligten Parteien seit Wochen Forderungen, die für sie nicht verhandelbar sind.

Sicher, wer in der Politik eine Auseinandersetzung zum Äußersten treibt, gerät schnell in den Verdacht, ein schlechter Stratege zu sein oder gar ein Kriegstreiber. Wer als Gewerkschafter stur auf Konfrontation schaltet, wird mitunter zur Hassfigur im ganzen Land. Doch wahr ist eben auch: Verhandlungen kommen selten ohne Eskalationen ans Ziel.

Die Eskalation funktioniert in Stufen, erst im Extremfall geht es um den Abbruch der Verhandlungen. Quelle: Illustration: Calum Heath

In der Theorie mögen Gesprächspartner beharrlich an einem Kompromiss arbeiten und Sachthemen in Untergruppen auslagern, um nach Gemeinsamkeiten zu fahnden und einen Ausgleich zu finden. Doch selbst mit viel gutem Willen verlieren Gesprächsrunden an Dynamik, wenn die Positionen zu weit auseinanderliegen. Genau dann kommt die -Eskalation ins Spiel – denn sie zwingt alle Seiten zur Reaktion. „Die Eskalation führt vom Nichtstun ins Handeln“, sagt Verhandlungsexperte Matthias Schranner, Chef des gleichnamigen Negotiation Institute in Zürich, das fast alle Dax-Konzerne berät. Aber wann eignet sich das umstrittene Mittel, um doch noch zum Ziel zu kommen – und wann nicht? Und was gilt es dabei zu beachten?

Verschiedene Etappen

Die Eskalation funktioniert in Stufen, erst im Extremfall geht es um den Abbruch der Verhandlungen. Meist beginnt es harmlos: Zunächst diskutieren die Verhandlungspartner inhaltlich – etwa über ein Datum, bis zu dem bestimmte Themen geklärt werden sollen.

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