Richtig vererben Wie Unternehmer ihre Nachfolge regeln

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Völlige Übergabe an die Kinder

Die nächste Phase läutet Vater Bikar mit einem Anruf ein. „Wann willst du denn mal wieder nach Bad Berleburg kommen?“, fragt er erst seine Tochter und zwei Jahre später ihren Bruder. Beide folgen, ohne zu zögern, dem Ruf des Vaters in die Heimat, weil dort neue Herausforderungen im Familienunternehmen warten: Claudia baut eine eigene Abteilung für den Einkauf auf, knüpft Kontakte zu Lieferanten im Ausland, ihr Bruder baut das Rechnungswesen um. „Sie haben uns überzeugt“, sagt Aleksandar Bikar, der seine Kinder 2009 mit dem Aufbau eines neuen Standorts in Thüringen beauftragt – von dort sollen sie Kunden in Ostdeutschland und -europa beliefern und Aluminiumplatten produzieren.

Steuermindernde Abschreibungsarten für Selbstständige

Die neu gegründete Gesellschaft Bikar-Aluminium gehört von Anfang an den Kindern – aber außer einem Grundstück an der A 4 zwischen Gera und Chemnitz hatten sie nichts. Sie entwickeln einen Businessplan, holen Angebote von Bauunternehmen und Maschinenbauern ein, stellen junge, motivierte Leute ein – unter anderem einen damals 25-Jährigen als Werksleiter, obwohl sie jemand mit zehn oder mehr Jahren Berufserfahrung gesucht hatten. „Er hat die richtigen Fragen gestellt“, sagt Pascal Bikar. „Wir hatten bei ihm ein gutes Gefühl.“

So wie Vater Bikar bei seinen Kindern: Mit der Vertragsunterzeichnung beim Notar im Jahr 2011 gibt die Senior-Generation nicht nur ihre Anteile, sondern auch ihre Verantwortung auf einen Schlag ab. Als Pascal Bikar am nächsten Tag einen Verkaufsleiter, der nach dem Preis für ein Produkt gefragt hatte, an seinen Vater verweist, wiegelt dieser ab: „Dein Vater sagt, ab heute triffst du diese Entscheidungen.“

Emotionale Blockade

Ein konsequenter Rückzug, der vielen Vollblut-Unternehmern nicht gelingt. Eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages belegt, dass 37 Prozent der Unternehmer „emotional nicht loslassen können“. 46 Prozent kümmern sich nicht rechtzeitig darum, einen Nachfolgeprozess in Gang zu bringen, und verlieren im schlimmsten Fall das Unternehmen.

Damit es beim Automobilzulieferer Kirchhoff nicht so weit kommt, haben die drei geschäftsführenden Brüder den Nachfolgeprozess schon sehr früh angestoßen. Gut zwölf Jahre haben sie noch Zeit, dann wird auch der jüngste Bruder 65.

Ein Dutzend Kinder zwischen 18 und 30 Jahren stehen dann theoretisch zur Nachfolge bereit, darunter so unterschiedliche Charaktere wie Arndt Kirchhoffs Tochter Jana – die 23-Jährige hat gerade ihre Musical-Ausbildung an der Stage School Hamburg absolviert und sieht ihre Zukunft im Unternehmen eher als Gesellschafterin denn in operativer Verantwortung. Oder der 19-jährige Hanns August, der wie sein Vater Wolfgang und die beiden Onkel Maschinenbau an der TU Darmstadt studiert.

„Ich würde mich natürlich freuen, wenn eines unserer Kinder das Unternehmen irgendwann leitet“, sagt Arndt Kirchhoff. „Aber das ist kein Muss. Vor allem wenn es am Markt bessere gibt, sind wir gut beraten, diese Talente zu berücksichtigen.“

Seit 2010 organisiert die Familie sogenannte Next-Generation-Treffen. Sie finden einmal im Jahr statt, das letzte vor einigen Wochen im Hotel Platte im nordrhein-westfälischen Attendorn. Zusammen besichtigt die Familie erst das nahe gelegene Werk. Dann erfährt der Nachwuchs von den Altvorderen, welche Projekte auf der Agenda stehen, in welchen Ländern das Unternehmen expandieren möchte und wie das Geschäft generell läuft.

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