Sammelklagen "Viele Kanzleien laufen sich schon warm"

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Gewinn für Prozessfinanzierer

Also es wird sehr teuer, wenn ein deutsches Unternehmen zum Ziel der Sammelkläger oder Kartellgeschädigten wird. Gibt es weitere Nachteile?

Klagen in England sind auch deshalb beliebt bei Klägern, weil die Parteien viel umfassender als in Deutschland Informationen offenlegen müssen. Dieses "Disclosure-System" wird auch Sammelklägern in die Hände spielen. Sie können sich so Informationen für die Begründung ihres Anspruchs verschaffen.

Prozessfinanzierer, die die Prozesse für Kläger gegen Erfolgsprovisionen bis zu 30 Prozent führen, sollen sich in Großbritannien auch schon warm laufen. Das dürfte die Klagewelle ebenfalls ansteigen lassen?

Absolut, die Prozessfinanzierer haben sich schon früh an den neuen Sammelklagen interessiert gezeigt. Hier haben sie die Chance auf hohe Schadenersatzsummen. Davon erhalten Prozessfinanzierer im Erfolgsfall regelmäßig einen zweistelligen Prozentsatz.

Umgekehrt ist bei den Klägeranwälten, die Gruppen von Geschädigten vertreten, das Interesse an einer Vorfinanzierung groß. Denn in solchen Sammelklagen steckt viel Arbeit. Und verlieren sie den Prozess, gehen die Kanzleien leer aus. Sie müssen in diesem Fall sogar die Prozesskosten tragen. Dies ist ein wichtiger Unterschied im Vergleich zu den USA, wo im Grundsatz immer jede Partei ihre Kosten selbst trägt. Wegen dieses Risikos wird die Prozessfinanzierung für Klägeranwälte sehr wichtig sein.

Wenn Anwaltskanzleien und Prozessfinanzierer so viel vom Kuchen am Ende abbekommen, bleibt für die Sammelkläger selbst, die Kunden, etwas übrig – oder verdient nur die Klägerindustrie?

Klägeranwälte und Prozessfinanzierer wollen sich das eingegangene Risiko gut bezahlen lassen. Die Erfahrungen in den USA zeigen, dass nach einer erfolgreichen Sammelklage der Kuchen zunächst zwischen Prozessfinanzierer und Klägeranwälten geteilt wird. Häufig bleibt dann nicht mehr allzu viel für den einzelnen Geschädigten übrig. Das englische System erlaubt allerdings keine Erfolgshonorare der

Klägeranwälte, also keinen prozentualen Anteil am erstrittenen Gewinn.

Was erwarten Sie, wie sich die Verfahren nach dem neuen Gesetz entwickeln?

Die Schlüsselfrage ist, wie die Gerichte die neuen Regeln auslegen. In erster Linie zuständig ist das - mit neuen Befugnissen ausgestattete - Competition Appeal Tribunal (CAT). Der Gesetzgeber hat den Gerichten viel Gestaltungsspielraum eingeräumt.

Besonders wichtig wird sein, wie großzügig die Gerichte die betroffenen "Klassen" – also die der Produkte und Dienstleistungen, um die es geht - definieren und welchen Spielraum sie den Klägeranwälten für die Honorargestaltung gestatten. Die ersten Testballons, sprich Klagen, starten sicher bald und die werden Aufschluss darüber geben, wohin die Reise gehen wird.

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