Schlafforscher Jürgen Zulley Bloß nicht an die Arbeit denken

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Mythos Schlafspeicherung

So schlafen Sie besser ein - und durch
Auf Matratzen und Kissen achtenWie man sich bettet, so liegt man: Passen Matratze und Kissen nicht, wird es auch nichts mit dem erholsamen Schlaf. Deshalb sollten Sie beim Kauf auch einmal Probe liegen und Ihre Matratze alle fünf bis zehn Jahre gegen eine neue tauschen. Kissen sollten alle zwölf bis 18 Monate ausgewechselt werden. Experten raten Paaren außerdem dazu, auch im gemeinsamen Bett getrennte Matratzen zu haben, da die Ansprüche an die Matratze verschieden sind. Bei einer durchgehenden Matratze besteht die Gefahr, dass einer zu weich und der andere zu hart liegt. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Ein Paar schaut im Bett Fernsehen Quelle: Fotolia
Ernährung beachtenAlkohol kann helfen, schneller einzuschlafen. Dafür wird die Nacht unruhiger. Faustregel: maximal ein Glas Bier oder Wein. Besser ist ein Glas warme Milch, denn sie enthält die Aminosäure Tryptophan – und die fördert den Aufbau des Schlafhormons Serotonin. Zu viel Eiweiß und Proteine sind schwer verdaulich. Und das Nikotin der Gute-Nacht-Zigarette stimuliert das Gehirn. Quelle: dpa
Bahnhofsuhr Quelle: dpa
Sport machenWer tagsüber Sport macht, schläft abends leichter ein. Dafür muss es kein dreistündiges Krafttraining sein, ein Spaziergang bewirkt auch schon einiges. Wichtig ist allerdings, sich nicht kurz nach Trainingsende ins Bett zu legen. Kurz nach dem Sport ist der Kreislauf noch sehr aktiv. Quelle: dpa
Eine Frau macht eine Yoga-Übung Quelle: obs
Auf die Temperatur achtenIst es im Schlafzimmer zu heiß oder zu kalt, ist das ebenfalls nicht gut für den Schlaf. Deshalb darauf achten, dass es in dem Raum, in dem man schläft, zwischen 15 und 19 Grad hat. Wenn der Partner mit im Bett schläft, empfiehlt es sich außerdem, zwei Decken zu benutzen. Dann erspart man sich das Aufwachen mitten in der Nacht, weil der Mitschläfer die Bettdecke geklaut hat. Quelle: dpa

Theoretisch haben wir heute aber bessere Schlafbedingungen – weiche Matratzen, Kissen und Decken. Praktisch klagen viele Menschen über Schlafprobleme. Wieso?

Das hat mehrere Gründe. Zum einen fühlen sich viele Menschen ständig unter Stress, die Informationsflut hat zugenommen, wir stehen unter selbst auferlegtem Leistungsdruck – alles Faktoren, die schlechten Schlaf begünstigen. Außerdem scheint es gewissermaßen in Mode zu sein, wenig zu schlafen, um seine vermeintliche Leistungsfähigkeit und Bedeutung unter Beweis zu stellen. Wir haben eine ungesunde Schlafkultur.

In der Tat brüsten sich viele Topmanager damit, pro Nacht nur vier oder fünf Stunden Schlaf zu brauchen. Was sagen Sie dazu?

Ich halte das für dumme Angeberei. Kein Mensch kommt langfristig mit so wenig Schlaf aus – jedenfalls nicht ohne körperliche und geistige Schäden.

Wie viel Schlaf ist denn normal?

Sieben Stunden, plus minus zwei Stunden. Also minimal fünf, maximal neun Stunden. Letztendlich muss das aber jeder für sich selbst herausfinden.

Und zwar wie?

Wer sich tagsüber nicht müde fühlt, hat genug geschlafen. Klingt banal, ist aber der beste Tipp. Wobei das individuelle Schlafbedürfnis von vielen Faktoren abhängt. Kinder brauchen mehr Schlaf als Erwachsene, Senioren weniger. Außerdem gibt es auch eine genetische Komponente, der eine benötigt mehr, der andere weniger Nachtruhe. Aber fünf Stunden sollten es mindestens sein, alles andere halte ich für unverantwortlich.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat kürzlich aber behauptet, sie verfüge über „gewisse kamelartige Eigenschaften“ und könne Schlaf speichern. Ein netter Spruch, aber wissenschaftlich Unsinn. Man kann höchstens eine Nacht vorschlafen, so wie das Kleinkinder häufig an Silvester tun. Aber langfristig Schlaf speichern ist unmöglich.

Andere sagen: Was ich unter der Woche an Schlaf verpasse, hole ich am Wochenende nach. Eine gute Strategie?

Ganz und gar nicht. Oder fühlen Sie sich fit und munter, wenn Sie am Wochenende mal zwölf Stunden durchschlafen?

Nein, eher ziemlich gerädert.

Sehen Sie. Beim Schlaf gilt nicht: Je mehr, desto besser. Es kommt auf ein gesundes Mittelmaß an. Oder anders gesagt: Entscheidend ist die Schlafqualität, nicht die Schlafdauer.

Und was ist Ihr ultimativer Tipp für guten Schlaf?

Vor allem Gelassenheit. Darüber hinaus: Finger weg vom Handy im Bett, elektronisches Licht fördert den Wachzustand. Lauschen Sie lieber ruhiger Musik. Denken Sie auf keinen Fall an die Arbeit. Vor allem bedenken Sie: Die meisten Schlafprobleme werden am Tag verursacht – durch zu viel Kaffee und Stress, zu wenig Bewegung und Entspannung. Wer tagsüber ständig Vollgas gibt, dem hilft abends auch keine Vollbremsung – denn der Gashebel klemmt und die Drehzahl bleibt oben.

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