Theoretisch haben wir heute aber bessere Schlafbedingungen – weiche Matratzen, Kissen und Decken. Praktisch klagen viele Menschen über Schlafprobleme. Wieso?
Das hat mehrere Gründe. Zum einen fühlen sich viele Menschen ständig unter Stress, die Informationsflut hat zugenommen, wir stehen unter selbst auferlegtem Leistungsdruck – alles Faktoren, die schlechten Schlaf begünstigen. Außerdem scheint es gewissermaßen in Mode zu sein, wenig zu schlafen, um seine vermeintliche Leistungsfähigkeit und Bedeutung unter Beweis zu stellen. Wir haben eine ungesunde Schlafkultur.
In der Tat brüsten sich viele Topmanager damit, pro Nacht nur vier oder fünf Stunden Schlaf zu brauchen. Was sagen Sie dazu?
Ich halte das für dumme Angeberei. Kein Mensch kommt langfristig mit so wenig Schlaf aus – jedenfalls nicht ohne körperliche und geistige Schäden.
Wie viel Schlaf ist denn normal?
Sieben Stunden, plus minus zwei Stunden. Also minimal fünf, maximal neun Stunden. Letztendlich muss das aber jeder für sich selbst herausfinden.
Und zwar wie?
Wer sich tagsüber nicht müde fühlt, hat genug geschlafen. Klingt banal, ist aber der beste Tipp. Wobei das individuelle Schlafbedürfnis von vielen Faktoren abhängt. Kinder brauchen mehr Schlaf als Erwachsene, Senioren weniger. Außerdem gibt es auch eine genetische Komponente, der eine benötigt mehr, der andere weniger Nachtruhe. Aber fünf Stunden sollten es mindestens sein, alles andere halte ich für unverantwortlich.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat kürzlich aber behauptet, sie verfüge über „gewisse kamelartige Eigenschaften“ und könne Schlaf speichern. Ein netter Spruch, aber wissenschaftlich Unsinn. Man kann höchstens eine Nacht vorschlafen, so wie das Kleinkinder häufig an Silvester tun. Aber langfristig Schlaf speichern ist unmöglich.
Andere sagen: Was ich unter der Woche an Schlaf verpasse, hole ich am Wochenende nach. Eine gute Strategie?
Ganz und gar nicht. Oder fühlen Sie sich fit und munter, wenn Sie am Wochenende mal zwölf Stunden durchschlafen?
Nein, eher ziemlich gerädert.
Sehen Sie. Beim Schlaf gilt nicht: Je mehr, desto besser. Es kommt auf ein gesundes Mittelmaß an. Oder anders gesagt: Entscheidend ist die Schlafqualität, nicht die Schlafdauer.
Und was ist Ihr ultimativer Tipp für guten Schlaf?
Vor allem Gelassenheit. Darüber hinaus: Finger weg vom Handy im Bett, elektronisches Licht fördert den Wachzustand. Lauschen Sie lieber ruhiger Musik. Denken Sie auf keinen Fall an die Arbeit. Vor allem bedenken Sie: Die meisten Schlafprobleme werden am Tag verursacht – durch zu viel Kaffee und Stress, zu wenig Bewegung und Entspannung. Wer tagsüber ständig Vollgas gibt, dem hilft abends auch keine Vollbremsung – denn der Gashebel klemmt und die Drehzahl bleibt oben.