Serie Familienunternehmen: Griesson - de Beukelaer Die Erfolgsfaktoren des Keks-Königs

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Plötzlich Chef

Heinz Gries’ Vater Hans stirbt 1967. Plötzlich. Ein Testament hinterlässt er nicht. Dafür aber eine hoch verschuldete Lebkuchenbäckerei mit 2,2 Millionen Mark Umsatz. „Ich wäre lieber Ingenieur geworden. Meine Hobbys waren Elektrotechnik und Maschinenbau“, erzählt der Senior. Doch sein Vater habe sich gewünscht, dass er möglichst schnell in die Firma kommt. Nach einer Banklehre besucht Gries die Fachschule für Süßwaren. Dann geht er in den elterlichen Betrieb, putzt Maschinen, leimt Verpackungen, rührt Teigmischungen. „Dann war ich über Nacht Alleininhaber.“

Gries ackert wie ein Wilder. 70 bis 90 Stunden pro Woche ist der 32-jährige Jungunternehmer in der Firma. Abends nickt er daheim bei seiner Frau Mädi im Ohrensessel ein. Früh schon erkennt Gries die Bedeutung der frisch aufkeimenden Discountketten wie Aldi und Lidl. Er beliefert sie mit preiswerten Handelsmarken, folgt den Billigheimern ins Ausland, wächst mit ihnen, weitgehend unbemerkt. Binnen zwei Jahrzehnten verhundertfacht Gries den Umsatz. Einen Wachstumsschub bringen ihm 1977 die Soft Cakes, Kekstaler mit einem Schokodach, gefüllt mit Marmelade. Das Gebäck entdeckt Gries in England und verfeinert es für die deutschen Gaumen.

Als Griesson 1983 einen Keks auf den Markt bringt, der einem Bahlsen-Produkt ähnelt, begrüßt ihn Bahlsen-Chef Hermann Bahlsen mit den Worten: „Na, Sie Nachmacher.“ Gries kontert: „Waren nicht Ihre Salzstangen eine Erfindung der Amerikaner?“

Aller Anfang ist schwer

Mitte der Neunziger steht Gries vor dem Problem, vor dem viele Familienunternehmer stehen und nicht selten daran scheitern: seine drei Töchter ohne Ambitionen für das Unternehmen, sein Sohn Peter mit 22 noch zu jung. Ein Nachfolger muss her. Gries holt sich nacheinander zwei externe Manager ins Haus. Um es abzukürzen, beide sind Flops.

Anfang 1998 klingelt wieder das Telefon, und ein Personalberater legt Gries einen Manager ans Herz, der erfolgreich, selbstbewusst und obendrein noch ausgewiesener Kenner der Keksbranche sei: Land. Die beiden treffen sich am Frankfurter Flughafen. Der Kandidat gefällt Gries auf Anhieb. Doch der Kerl besitzt die Chuzpe und verlangt eine Teilhaberschaft als Voraussetzung für sein Kommen. Gries ist sprachlos.

Diesen Investoren gehört der deutsche Mittelstand
Mary Callahan Erdoes, CEO der JP Morgan Privatbank Quelle: dpa
US-amerikanische Investmentgesellschaft Oppenheimer Funds Quelle: dapd
MFS International Quelle: dpa
Paul Singer, Gründer und CEO der Elliott Management Corporation Quelle: REUTERS
MFS Investment Management Quelle: dpa
Capital Research Global Investors Quelle: dpa
Capital World Investors Quelle: dpa

Ein halbes Jahr feilschen die beiden um die künftige Form des Miteinanders. Sie einigen sich, und Gries verkauft Land rund fünf Prozent der Firmenanteile. „Das hat mir keiner zugetraut, dass ich einen Teil meines Unternehmens an einen externen Manager verkaufe“, sagt Gries mit einem Schmunzeln.

Und so beweisen beide Seiten Mut. Gries, weil er einen Teil seines Unternehmens einem Fremden abtritt. Und Land gleich doppelt: Für den Kauf der Anteile muss er sich hoch verschulden. „Die habe ich nach knallharten Kriterien gekauft“, sagt Land. Doch er geht nicht nur nur finanziell ins Risiko. Der studierte Betriebswirt aus Bad Berleburg hatte die Karriereleiter beim französischen Konsumgüterriesen Danone mit großen Schritten genommen und war Chef der nordeuropäischen Kekssparte mit Sitz in Antwerpen. In Kürze sollte er als Vorstandsmitglied in die Pariser Zentrale wechseln. Der Wechsel zu Gries bedeutete also einen beherzten Sprung von der Karriereleiter.

„Wir hatten einen privilegierten Einblick“

Der Schritt ist auch pikant, weil Gries immer mal wieder mit Danone über Kooperation oder Übernahme verhandelt. Mit Land hat er nun einen intimen Kenner des Danone-Konzerns an seiner Seite, als es ab Winter 1999 wieder zu Gesprächen mit dem französischen Riesen kommt. „Wir hatten einen privilegierten Einblick“, gibt Land heute zu.

Danone hatte schon zehn Jahre zuvor versucht, Griesson zu schlucken. Doch mit Eifeler Sturheit hatte Gries die Franzosen abblitzen lassen. Eine Übernahme sei dann bei den weiteren Gesprächen auch kein Thema mehr gewesen, erinnert sich Gries. „Wir wollten keine Produktionsstätte von Danone werden.“ So geben sich die Franzosen mit einem 40-Prozent-Anteil zufrieden, Gries und Land behalten die Mehrheit und Griesson – Gries und Sohn – bekommt den wohlklingenden Zusatz: de Beukelaer. So entsteht aus der auf Markenartikel spezialisierten Konzerntochter und dem inhabergeführten, auf Kostenführerschaft und Discount getrimmten Familienunternehmen ein neues Schwergewicht im Keksgeschäft. Über kurz oder lang, so die einhellige Meinung in der Branche, werde der Weltkonzern aus Paris den Mittelständler aus der Eifel ohnehin schlucken.

Doch es kommt völlig anders. 2007 nutzen Gries und Land die Gunst der Stunde: Weil sich Danone künftig verstärkt auf sein Kerngeschäft mit Getränken und Molkereiprodukten konzentrieren will, kauft das Dream Team die Anteile zurück.

So haben Gries und Land Griesson-de Beukelaer zu einem der ganz Großen in der Süßwarenbranche gemacht. Der Umsatz liegt bei 550 Millionen Euro, bei Keksen streitet man sich in Deutschland allenfalls noch mit Bahlsen über den Titel als Nummer eins, je nachdem, ob man in Kekspackungen oder in Euro rechnet. Details zur Gewinn- oder Renditesituation sind Land nicht zu entlocken. Nur so viel: „.Wir sind absolut schuldenfrei“, sagt Land. „Damit haben wir einen hohen Freiheitsgrad, weil wir Dritten gegenüber keine Rechenschaft ablegen müssen.“ Mehr als 2000 Mitarbeiter produzieren in fünf Fabriken Produkte, die irgendwann in jedem Haushalt landen: Prinzenrolle, Soft Cakes, Eiswaffeln, Cookies, Butterkekse. Die Geschäfte laufen, die Firma ist wohlauf, die Fabriken gehören zu den modernsten ihrer Zunft.

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