Serie - Tickets zur Macht (I) Treffpunkte der globalen Elite

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Rotary: Gepflegtes Understatement

Logo des Rotary Club Quelle: dpa

Sie wollen unbedingt Rotarier werden? Dann lassen Sie es sich besser nicht anmerken. „Wer sich um die Aufnahme bemüht, kommt nicht rein“, sagt ein deutsches Mitglied. Der bekannteste Service-Club weltweit pflegt das Understatement. Motto: Wer überlegen ist, spielt sich nicht in den Vordergrund.

Rotarier brauchen zunächst mal erfolgreiche Freunde, die die Anwärter nominieren. Allerdings muss es nicht nur menschlich passen. Pro Club soll lediglich ein Repräsentant aus jeder Berufsgruppe vertreten sein. Gerade in Universitätsstädten kann das schwierig werden, theoretisch zumindest. Praktisch helfen Tricks: Aus zwei Medizinprofessoren werden dann eben schon mal ein Hirnforscher und ein Herzspezialist.

Nach der Nominierung des Anwärters folgt ein Abendessen mit den Mitgliedern, meist samt Ehefrauen. Ist auch diese Hürde genommen, stimmen die Clubmitglieder anonym ab. Nur eine Gegenstimme reicht aus, um die Aufnahme zu verhindern. Erhält der Kandidat alle Stimmen, wird er gefragt, ob er eintreten will. Und da lautet die Antwort auch mal nein. Nicht aus finanziellen Gründen, denn der Jahresbeitrag liegt bei nur einigen Hundert Euro, sondern eher aus zeitlichen.

Jeder Club versammelt sich einmal pro Woche, Anwesenheit ist Pflicht. Die Treffpunkte sind exklusiv: Der Rotary Club Hamburg-Blankenese findet sich im Luxus-Hotel Louis C. Jacob ein, viele Münchner Clubs im Bayerischen Hof, die Düsseldorfer im Industrieclub. Zum erlesenen Essen werden gehaltvolle Vorträge serviert. Teils von den Mitgliedern selbst, teils von Gästen.

Der japanische Botschafter zum Beispiel spricht über die deutsch-japanischen Beziehungen, Konrad Delius vom gleichnamigen Verlag über die Verknüpfung von analoger und digitaler Welt durch Google, Amazon und Co., der Zukunftsforscher Matthias Horx über Megatrends. Dazu kommen noch Treffen in übergeordneten Distrikten, in sozial engagierten Projektgruppen und in den Rotary Fellowships, in denen die Mitglieder gemeinsamen Hobbys nachgehen. Bei diesem zeitlichen Aufwand überrascht es nicht, dass viele der Mitglieder Rentner sind. Die deutschen Rotarier sind im Schnitt bereits 60 Jahre alt.

Die Ehepaare der Wirtschaft
Brigitta und Titus Dittmann Titus Dittmann gilt als Vater der deutschen Skateboard-Szene. Mit seiner Frau ist er seit 1974 verheiratet - der gemeinsame Sohn Julius (links) führt mittlerweile die Familiengeschäfte. Nach missglücktem Börsengang bringt er heute Kindern in Afghanistan und Afrika das Skateboarden nahe. Seine Frau beantragte damals den "Reisegewerbeschein", um das Unternehmen zu gründen. Titus Dittmann konnte das nicht machen. Sein Beruf als Lehrer erlaubte es ihm nicht. Quelle: PR
Erivan und Helga HaubJahrelang prägten sie die Tengelmann-Gruppe: Erivan und Helga Haub. Sie heiraten 1958, elf Jahre später übernimmt Erivan Haub die Geschäftsführung des Familienunternehmens. Unter ihm expandiert Tengelmann zu einem der weltweit größten Handelsunternehmen. Helga Haub engagiert sich  vor allem für die Umwelt und verbannt 1984 Schildkrötensuppe aus dem Sortiment. Quelle: DPA
Gerd und Gabriele StrehleSie war jahrelang der kreative Kopf der Modefirma Strenesse, er der ökonomische. 1973 kommt Gabriele Strehle – damals noch Gabriele Hecke – als Designerin zu den Nördlinger „Bekleidungswerken Strehle“. Sie prägt das Unternehmen mit ihrer Handschrift und entwickelt die Marke Strenesse.  1985 heiratet sie Gesellschafter Gerd Strehle, 1998 erhält die Marke ihren Namenszusatz „Strenesse – Gabriele Strehle“, zwei Jahre später wird aus der Strehle GmbH die Strenesse AG. 2012 hat Gerd Strehle seinen Vorstandsvorsitz an seinen Sohn aus erster Ehe, Luca Strehle, abgegeben und hat den Aufsichtsratsvorsitz übernommen. Gabriele Strehle hat das Unternehmen daraufhin verlassen. Quelle: DPA
Bertha und Carl Benz Bertha Benz stammte aus einer wohlhabenden Familie. Weil sie sich ihr Erbe vorzeitig auszahlen ließ, konnte Carl Benz aus einem Vertrag mit einen Motorenbauer herausgekauft werden, so erzählt es die Urenkelin Jutta Benz im Interview mit Wiwo.de. Kaufmännisch begabt sei Carl Benz nicht gewesen: An der zweiten Firma Benz & Cie., die er gründete, war er lediglich mit zehn Prozent beteiligt. Dieses Unternehmen lief gut; Carl Benz war die meiste Zeit mit seinen Erfindungen beschäftigt. Bertha Benz soll Druck ausgeübt haben, es war schließlich auch ihr Geld, das in dem Unternehmen steckte. Quelle: Presse
Sonia und Willy BognerDas Unternehmer-Ehepaar ist seit 1972 verheiratet. Er ist der erfolgreiche Kaufmann, wie "Die Welt" schreibt; sie der kreative Kopf des Modeunternehmens. Willy sei der Chef, sie die Chefita - auf Gleichberechtigung habe Sonia Bogner keine Lust: Sie möchte nicht die ganze Verantwortung für die Firma tragen müssen. Quelle: Presse
Bertha und Gustav Krupp von Bohlen und HalbachDiese Szene aus dem ZDF-Dreiteiler „Krupp – Eine deutsche Familie“ von 2009 zeigt Gustav und Bertha Krupp von Bohlen und Halbach (dargestellt von Iris Berben und Thomas Thieme). Nach dem Tod ihres Vaters Friedrich Alfred Krupp war die noch minderjährige Bertha Krupp Alleinerbin des Stahlriesen Krupp. Auf Vermittlung von Kaiser Wilhelm II. heiratete sie den preußischen Adligen Gustav von Bohlen und Halbach. Das Paar durfte auf königlich-preußischen Erlass solange den Namen „Krupp von Bohlen und Halbach“ tragen, solange ihnen das Unternehmen persönlich gehörte. Quelle: dpa
Liz und Reinhard Mohn Elisabeth (Liz) Mohn war 17 Jahre alt, als sie Reinhard Mohn kennen lernte. Drei Kinder haben sie gemeinsam, die - bis auf einen Sohn - alle Anteile am Medienkonzern halten. Ihr wurde als Familiensprecherin das Recht eingeräumt, bis zu ihrem 80. Lebensjahr in alle Informationen und Besprechungen involviert zu sein. Während sich Reinhard Mohn bis zu seinem Tod 2009 immer mehr aus dem Geschäftsleben zurückzog, wuchs der Einfluss seiner Ehefrau gleichermaßen. Sie ist heute Aufsichtsratsmitglied bei Bertelsmann. Quelle: dpa

Weltweit gibt es etwa 34.000 Vereine mit 1,2 Millionen Mitgliedern. Sie gehen zurück auf den amerikanischen Anwalt Paul Harris. Er traf sich 1905 mit drei Freunden und gründete den ersten Rotary Club. Der Name leitet sich von Rotation ab, denn die Mitglieder versammelten sich jede Woche in einem anderen Büro. Harris’ Absicht: Aus Freundschaft sollen Geschäftsbeziehungen wachsen – und umgekehrt.

Heute gilt: Rotarier wird man nicht, um Karriere zu machen, sondern weil man sie bereits gemacht hat. Ausnahmen bestätigen die Regel. Einige Clubs wählen ihre Mitglieder auch nach Potenzial. Für Rotarier unter 30 dürfte der Netzwerk-Aspekt eine wesentliche Rolle spielen. Junge Mitglieder leugnen nicht, dass der Club Vorteile verschaffen kann. Kein Wunder: Die Liste prominenter Rotarier ist lang.

Schriftsteller Thomas Mann gehörte einst genauso dazu wie Konrad Adenauer. Auch heute ist die politische und wirtschaftliche Elite in den etwa 1000 deutschen Clubs vertreten. Zu den knapp 52.000 Mitgliedern gehören der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer, Audi-Chef Rupert Stadler und Adidas-CEO Herbert Hainer. Frauen sind allerdings in der Minderheit – nur jedes zehnte Mitglied ist weiblich.

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