Stanford-Professor Jeffrey Pfeffer "Das letzte schmutzige Geheimnis der Organisation"

Flache Hierarchie und Leistungsprinzip? Von wegen. Jeffrey Pfeffer sieht noch genau die gleichen Machtstrukturen am Werk wie vor 500 Jahren. Sie zu durchschauen, helfe der Karriere, erklärt der Stanford-Professor.

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Jeffrey Pfeffer über Macht. Quelle: Getty Images

WirtschaftsWoche: Professor Pfeffer, Sie erforschen seit vielen Jahren, wie und warum Menschen mächtig werden. Stimmt es, dass Deutsche ein besonders kompliziertes Verhältnis zur Macht haben?
Jeffrey Pfeffer: Nein, das hat eigentlich jeder. Macht hat viele negative Konnotationen. Ein Kollege aus Harvard sagt gerne, Macht ist das letzte schmutzige Geheimnis der Organisation. Niemand will darüber reden. Über Sex oder Geld? Klar, kein Problem. Aber Macht ist etwas, womit sich nette Menschen nicht beschäftigen. Das ist eine gesellschaftliche Norm. Deshalb bleibt sie im Schatten.

Zur Person

Sie wohnen und arbeiten im kalifornischen Stanford. Im Silicon Valley, also fast vor Ihrer Haustür, tut man aber doch gerade so, als würde man die Macht aus diesem Schatten hervorholen. Sind dank der propagierten Transparenz von Apple, Google und Facebook die Machtspiele in Unternehmen vorbei?
Viele Menschen wollen gerne glauben, dass die Regeln, wie man im Beruf voran kommt, heute andere sind. Es klingt gut, deshalb wird auch viel darüber geredet. Auf die Fakten schaut aber kaum jemand.

Was sagen denn die Fakten?
Es heißt zum Beispiel, Hierarchien wären nicht mehr angesagt, besonders nicht bei den High-Tech-Firmen im Valley wie Facebook, Google oder Snap. Dabei haben zum Beispiel gerade dort die Gründer noch sehr viel Kontrolle. Die können machen, was sie wollen und kommen damit durch. Und wenn ich mir den Machtkampf bei Uber anschaue, all die Manöver von Travis Kalanick und denen, die ihn am Ende rausgeworfen haben - da sehe ich keinen Unterschied zu dem, was vor 500 Jahren an italienischen Fürstenhöfen passiert ist.

Was meinen Sie damit?
Menschen schmieden Allianzen, sie nutzen andere, um ihre Agenda nach vorne zu bringen, sie intrigieren und koalieren wie zu Zeiten Machiavellis. Das sieht natürlich heute alles etwas anders aus, sie tragen andere Kleidung als damals und andere Insignien. Aber die grundlegenden Prinzipien der Macht sind im Kern die gleichen geblieben.

Dabei heißt es doch immer, wir leben in Zeiten der Meritokratie. Die Fleißigsten und Fähigsten werden befördert, nicht die cleversten Taktierer. Stimmt das etwa nicht?
Natürlich stimmt das nicht. Es hat noch nie gestimmt. Es hilft natürlich, gute Arbeit zu machen. Aber danach fängt das Taktieren doch schon an. Was ist die Leistung wert, wenn sie niemand sieht? Wenn Sie außergewöhnlich gute Arbeit abliefern, aber Ihre sozialen Verbindungen nicht ausreichen, um diese auch so gut bei Kollegen und Vorgesetzten zu vermarkten, bleibt man unbemerkt und wird etwas, das man “foundation man” nennen kann.

Führungstipps aus dem Buch "Die Macht der Macht"

Und das ist ein Nachteil?
Man ist dann ein tragender Bestandteil des Unternehmens. Die Firma würde zusammenbrechen, wenn das Fundament nicht da wäre. Aber das heißt auch: Diejenigen, die das Fundament ausmachen, können dort nicht weg. Sie werden nicht befördert, weil sie dort niemand bemerkt.

Es werden also nicht diejenigen anerkannt, die ihre Arbeit am besten machen.
Genau. Stattdessen kommen die nach vorne, von denen ihre Vorgesetzten denken, sie machten den besten Job. Es geht um die Wahrnehmung. Wenn Sie wie ein Gewinner aussehen, glauben alle, Sie sind ein Gewinner und behandeln Sie wie einen. Psychologen nennen das “confirmation bias”. Das Problem daran ist, dass es umgekehrt genauso wirkt. Ist man einmal als Verlierer abgestempelt, interpretieren Menschen das Verhalten auch als das eines Verlierers.

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