Das müssen Sie erklären.
Brenke: Wenn ein Unternehmen einen neuen Ingenieur sucht, bewerben sich ja nicht nur Arbeitslose, sondern auch wechselwillige Mitarbeiter anderer Unternehmen...
Plünnecke: ...die dort eine Lücke reißen. Wie bei einer knapper werdende Decke: Wenn alle daran ziehen, hat einer die Füße frei.
Brenke: Nicht zwangsläufig. Nehmen Sie die Solarindustrie: Die sind doch froh, wenn sie auf diese Weise Personal einsparen können.
So einfach scheint es aber nicht zu sein, Ingenieure zu finden: Die Bundesagentur für Arbeit hat ausgerechnet, dass Unternehmen 120 Tage nach einem Maschinenbauer suchen. Das klingt doch eher nach Engpass als nach Überschuss...
Plünnecke: Genau.
Brenke: Das halte ich für unwahrscheinlich. Dass es so lange dauert, diese Stellen zu besetzen, kann auch daran liegen, dass die Unternehmen sehr viel wählerischer geworden sind. Oder die Bundesagentur für Arbeit schlampt.
So steht es um die Personalplanung in deutschen Unternehmen
85 Prozent aller Personaler entwickeln die Strategie zur Personalbeschaffung ausschließlich mit der Geschäftsleitung - und fragen bei den Fachbereichen gar nicht erst nach.
Quelle: Studie "Personalbedarfsplanung und -beschaffung in Unternehmen" der Unternehmensberatung Hays.
82 Prozent berücksichtigen keine Freiberufler bei der strategischen Personalplanung.
81 Prozent aller Personalverantwortlicher sind unzufrieden mit der Deckung ihres Personalbedarfs.
72 Prozent der Fachbereiche sehen sich in der Hauptverantwortung bei der Personalbeschaffung.
58 Prozent legen eine Personalstrategie zur Bindung festangestellter Mitarbeiter an.
Warum schließen Sie einen Engpass als Grund für die lange Suche so kategorisch aus?
Brenke: Die simpelsten Knappheitsindikatoren in der Ökonomie sind Preise und Löhne. Bei einem Fachkräftemangel, müssten die Löhne also in die Höhe schießen – ist bei den Ingenieuren aber nicht geschehen.
Plünnecke: Es gibt keine guten Lohndaten, um für einzelne Berufe Engpässe zu bestimmen. Eine verlässlichere Quelle scheint mir die Unternehmensbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zu sein. Die kommen zu dem Ergebnis, dass Betriebe bei Ingenieuren mit Engpässen zu kämpfen haben.
Brenke: Solche Befragungen habe ich früher auch gemacht. Die Unternehmen haben bereitwillig geantwortet und angekreuzt, dass es knapp sei mit Fachkräften. Daraufhin habe ich detaillierte Interviews geführt und festgestellt, dass der angebliche Fachkräftemangel sich in Luft auflöste.
Wieso das denn?
Brenke: Die Klage über den Fachkräftemangel ist in den vergangenen Jahren in Mode gekommen. Bis vor wenigen Jahren konnten Unternehmen bei Bewerbern aus dem Vollen schöpfen. Das hat sich jetzt verändert und wird dann direkt als extremer Mangel empfunden. Wenn es um die Einschätzung des Fachkräftemangels geht, sind Unternehmen die falschen Ansprechpartner. Auch, weil es für die Personalchefs natürlich schwer ist, zu sagen: Mein Job ist ganz einfach, und ich finde die Arbeitskräfte ganz leicht.
In diesen Berufen dauert es überdurchschnittlich lange, Stellen neu zu besetzen
81 Tage.
Quelle: Bundesagentur für Arbeit
120 Tage
120 Tage
124 Tage
129 Tage
167 Tage
Aber die demografische Entwicklung wird die Arbeit der Personaler nicht einfacher machen...
Brenke: Gegenwärtig gehen jährlich 15.000 bis 20.000 industrienahe Ingenieure in Rente – ich rede nicht über Architekten oder Unternehmensberater, die irgendwann mal Maschinenbau studiert haben. Diesen Rentnern stehen 60.000 Hochschulabsolventen gegenüber.
Plünnecke: Das ist natürlich methodisch ein ganz übler Fehler. Sie können nicht nur die industrienahen Ingenieure nehmen und denen alle ausgebildeten Ingenieure gegenüberstellen.
Brenke: Aber ein Ingenieur, der Taxi fährt, muss doch nicht durch einen anderen Ingenieur ersetzt werden.
Plünnecke: Muss er natürlich nicht, aber Sie unterstellen mit Ihrer Rechnung, dass alle Absolventen in einen Ingenieurberuf gehen.