Aber ein junger Spanier will doch bestimmt genauso wenig in der Provinz arbeiten wie ein junger Deutscher...
Plünnecke: Stimmt. Die gehen lieber nach München oder Stuttgart statt in die Peripherie, weil die Großstädte einfach mehr bieten.
Brenke: Und weil es da höhere Löhne gibt. Fachkräfte in Deutschland sind einfach nicht mobil genug.
Plünnecke: Um dem Fachkräftemangel in so manchem Ausbildungsberuf entgegenzutreten, brauchen wir beides: mehr Mobilität innerhalb Deutschlands und Zuwanderer aus den Regionen Europas mit bis zu 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit.
Brenke: Aber das Problem wird man mit ausländischen Fachkräften nicht lösen können. Ein gelernter Maurer oder Dreher aus Deutschland hat eine ganz andere Qualifikation als jemand aus dem europäischen Ausland.
Wettbewerb: Deutscher Arbeitgeber-Award 2015
Unternehmen müssen sich immer mehr einfallen lassen, um offene Stellen zu besetzen. Doch was lockt gute Mitarbeiter an? Ein Betriebskindergarten mit langen Öffnungszeiten? Freie Wahl von Arbeitsplatz und Arbeitszeit? Oder ein hohes Gehalt? Unternehmen, die glauben, auf diese Fragen innovative Antworten gefunden zu haben, können sich jetzt bewerben: Die Wirtschafts-Woche sucht gemeinsam mit der Dekra die besten Arbeitgeber Deutschlands.
Der Deutsche Arbeitgeber Award zeichnet Unternehmen aus, die sich besonders für ihre Mitarbeiter engagieren. Die Bewerbungen werden von der Dekra durchleuchtet und anschließend von einer hochkarätig besetzten Jury bewertet. Die Teilnahme am WirtschaftsWoche Arbeitgeber Award ist kostenlos, Anmeldeunterlagen und ausführliche Informationen zu den Teilnahmebedingungen finden Sie unter wiwo.de/arbeitgeber-award
Es ist also leichter, einen Ingenieur zu ersetzen als einen Maurer?
Plünnecke: Ja, denn eine Berufsausbildung wie in Deutschland gibt es nur in sehr wenigen Ländern. Universitäten hingegen gibt es überall auf der Welt – mit ansatzweise ähnlichen Standards. Einen indischen Maurer, der deutschen Ansprüchen entspricht, werden Sie nicht so leicht finden – wohl aber sehr gute Informatiker und Ingenieure.
Dann holen wir die Inder doch nach Deutschland – die Blue Card gibt es schließlich seit 2012...
Plünnecke: In Indien orientieren sich die Auswanderer traditionell eher Richtung Großbritannien oder USA. Da haben wir einen Nachteil.
Brenke: Mit der Blue Card sollten vor allem billige Ingenieure, Ärzte und Informatiker nach Deutschland gelockt werden, mit einem Jahresgehalt von 35.000 Euro – das hat nicht funktioniert. 2013 sind nur ein paar Tausend Menschen über eine Blue Card nach Deutschland gekommen. Ein guter Ingenieur oder Arzt weiß eben auch, was er auf dem Weltmarkt wert ist.
Plünnecke: Ich verrate Ihnen mal ein Geheimnis, Herr Brenke: Die 35.000 Euro sind kein vorgeschriebener Lohn, sondern ein Mindestlohn, den es zu überspringen gilt. Siemens oder Volkswagen, die ihre Ingenieure aus Indien holen, zahlen denen sowieso viel mehr.
Brenke: Das war offensichtlich der gescheiterte Versuch, Billigingenieure ins Land zu holen.
Plünnecke: Das ist absurd. Wir beide verdienen ja jetzt auch nicht 8,50 Euro, weil der Mindestlohn eingeführt wird. Die Politik hat in den vergangenen Jahren einiges getan, um den drohenden Fachkräftemangel abzuwenden.
Was denn noch?
Plünnecke: Die Rente mit 67 eingeführt.
Brenke: Die jetzt durch die Rente mit 63 wieder ins Gegenteil verkehrt wurde. Das ist abstrus. Denn das widerspricht dem Trend, den wir im Moment sehen: Menschen arbeiten freiwillig länger als 65. In den skandinavischen Ländern oder der Schweiz ist das noch ausgeprägter. Da hat Deutschland noch Luft nach oben.
Plünnecke: Da stimme ich Ihnen zu. Rente in Richtung 70.
Sie plädieren also schon für das nächste Rentengesetz?
Brenke: Nein. Ich setze eher darauf, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer von selbst auf die Anzeichnen der Knappheit reagieren. Der Jugendwahn in den Unternehmen, den sich in den Neunzigerjahren irgendwelche PowerPoint-Helden ausgedacht haben, damit der Krankenstand sinkt, ist ohnehin schon vorbei.