Toms Schuhe reichen Blake Mycoskie längst nicht mehr

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Mehr Aufmerksamkeit geht kaum

Mycoskie selbst war irgendwann ausgebrannt. Eines Morgens sei er aufgewacht und habe festgestellt: Die Seele fehlt. Es ging nur noch um Wachstum, Zahlen, Expansion. Wie Liebeskummer war das, erzählt der Gründer. Also hat Mycoskie vor vier Jahren eine Paartherapie in Form eines Sabbaticals gemacht. Er hat sich Zeit genommen, reflektiert, Luft geholt. Er ging erst nach Argentinien, zog dann mit seiner frisch angetrauten Frau Heather zurück nach Austin, Texas. Er habe „Golf gespielt, viel Bier getrunken, zugenommen“, sagt Mycoskie . Er quälte sich mit vielen Fragen: Wo wollte er hin mit diesem Unternehmen, das ihn innerhalb weniger Jahre zum Superstar gemacht hatte? Wo war die Idee, die Leidenschaft, wann die Liebe verloren gegangen? Und was genau fehlte eigentlich?

Das Ergebnis: eben jener Teilverkauf an Bain. Mycoskie behielt die Verantwortung für die Bereiche Design und Kommunikation. Außerdem kam der Titel Chief Shoe Giver dazu. Er habe mehr Hier und Jetzt und Familie und Spaß an der Arbeit gewollt, sagt er. Außerdem ein Unternehmen, das nun ganz andere Möglichkeiten hat, auch international zu agieren. Mycoskie darf zwar nun nicht mehr jeder Idee hinterherhüpfen. Dafür sorgt etwa der neue CEO Jim Alling, der seit dem Verkauf an Bain den Steuerknüppel bei Toms hält. Er sagte kürzlich in einem Interview, Mycoskie sei einer, dessen Aufmerksamkeit ständig von neuen glitzernden Dingen beansprucht würde.

Mycoskie wiederum erzählt, es habe ihn erleichtert, viele der administrativen Aufgaben abzugeben, die das Geschäftsleben eben mit sich bringt. Dadurch habe er sich wieder mehr auf den ursprünglichen Gedanken von Toms konzentrieren können, den Aspekt des Gebens nämlich. Das üppige Taschengeld dürfte ihn außerdem versöhnlich gestimmt haben. Und beim Geschichtenerzählen redet ihm weiterhin niemand rein.

Virtuos bespielt er viele Medienkanäle. Nachdem er der BBC sein Interview gegeben hat – gefolgt von einem spontanen Liveauftritt im Radio („Gib ein Interview, bekomme noch eins dazu, ist doch herrlich“) –, positioniert er sich vor dem Medienhaus am Oxford Circus. Er streckt den Daumen hoch, stellt den linken Fuß nach rechts und den rechten nach hinten für eine Fotostunde für seine Internetcommunity.

Mehr Aufmerksamkeit für ein Produkt geht kaum. Sieht so Unternehmertum der Zukunft aus? In Teilen schon, glaubt WHU-Professor Hienerth, der an der Gründerhochschule neuerdings einen Kurs zum Thema Social Entrepreneurship gibt. Eine Vorlesung im Semester ist dem Unternehmen Toms gewidmet. Mycoskies Idee sei zwar nicht gänzlich neu, sagt Hienerth. Mycoskie aber sei irgendwie ehrlicher. „Er sagt ganz klar, dass er die Welt verbessern und dabei gleichzeitig alle kommerziellen Instrumente der Markwirtschaft nutzen will.“

Er ist deshalb überzeugt, dass an Modellen à la Toms in den nächsten Jahren noch viel auf den Markt kommen wird. Nach diesen Unternehmen wird auch Mycoskie Ausschau halten. Er ist Botschafter seiner Idee, ein Messias auf Gummisohlen. Er muss aber nicht mehr predigen, das Geschäft läuft derzeit von alleine.

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