Toms Schuhe reichen Blake Mycoskie längst nicht mehr

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Wie ein Trüffelschwein

Schuhe reichen Mycoskie für sein Vorhaben längst nicht mehr. Er vertreibt inzwischen Taschen, die Utensilien für Geburtshilfe bringen. Er verkauft Kaffee, der am anderen Ende der Welt für sauberes Trinkwasser sorgt. Sonnenbrillen schenken Augenlicht in Form von Untersuchungen, Operationen, Gläsern. In über 70 Ländern auf fünf Kontinenten steht das Unternehmen Toms in Kontakt mit über 100 sogenannten „Giving Partners“. Das sind Hilfsorganisationen wie Save the Children, Bildungseinrichtungen und lokale Versorgungsträger.

Gleichzeitig arbeitet Mycoskie an der Expansion seines stationären Geschäfts. Etwas mehr als ein Dutzend Toms-Läden gibt es bereits. Zwei bis drei weitere in Europa sind für dieses Jahr geplant. In fünf Jahren sollen es weltweit 100 Läden sein.

So werden Sie zum Musterunternehmer
Mut zur Sinn-Frage aufbringenSelbst Weltmarktführer mit hochwertigen Qualitätsprodukten und langer Tradition sind vor abrupten, Existenz bedrohenden Veränderungen nicht mehr gefeit. Um den Anschluss an die Kunden, wichtige Trends und vor allem den Wettbewerb nicht zu verlieren, sollte das Management mindestens einmal im Jahr den Sinn des eigenen Unternehmens grundsätzlich hinterfragen: Warum gibt es uns? Was ist unser Zweck? Quelle: Fotolia
Strategische Initiativen gemeinsam entwickelnAufgrund der hohen Veränderungsgeschwindigkeit und Vernetzung der Märkte sind langfristig-statische Planungen hinfällig. Strategie bedeutet darum heute, unterschiedliche Projekte zur Erreichung von strategischen Zielen zu initiieren – und im Laufe des Jahres zu überprüfen, welche von diesen funktionieren und welche nicht. Dabei gilt es, die zweite Führungsebene bereits in der Planungsphase mit ins Boot zu holen, um eine effektive und effiziente Umsetzung zu garantieren und eine verlässliche zweite Meinung zu haben. Denn auch Geschäftsführer können die hohe Komplexität heute nicht mehr allein überblicken. Quelle: Fotolia
Lernende Organisation aufbauenZiel ist es, eine lernende Organisation aufzubauen, in der permanente Veränderung als Normalität akzeptiert wird und die sich dauerhaft an neuen Kundenbedürfnissen und Marktansprüchen orientiert. Entscheidungen werden in einer solchen Organisation von denjenigen getroffen, die für die jeweilige Fragestellung die größtmögliche Kompetenz aufweisen. Darum muss eine lernende Organisation auch stets ihre Strukturen hinterfragen: Wie viel Hierarchie ist nötig? Auf welcher Ebene sind die Entscheidungsbefugnisse zu verorten? Welche Struktur ermöglicht das höchste Maß an Selbstorganisation, um maximale Schnelligkeit und Flexibilität zu gewährleisten - ohne in unproduktives Chaos abzudriften? Quelle: Fotolia
Mitarbeiter befähigenSchneller und besser zu lernen als die Konkurrenz ist ein häufig unterschätzter Wettbewerbsvorteil. Individuelles, permanentes Lernen, das Infrage stellen von Einstellungen und Erfahrungen, die Entwicklung sinnstiftender Ideen, die Professionalisierung der Teams und das Offenlegen der vernetzten Wechselbeziehungen in der Unternehmenssteuerung steht dabei im Vordergrund. Die Lernkultur eines Unternehmens ist die Basis für die Befähigung der Mitarbeiter und definiert sich über die Qualität der Organisation von Lernprozessen. Wichtige Kriterien hierfür sind der Grad der Individualität, Prozessorientierung und Selbststeuerung sowie das emotionale Lernen - im Sinne von echter Relevanz der Lerninhalte für den eigenen Arbeitsplatz. Quelle: Fotolia
Gesamtunternehmerisches Prozessverständnis etablierenEntscheidend ist, vorhandenes Silo-Denken durch ein gesamtunternehmerisches Prozessverständnis abzulösen. Denn nur wenn Führungskräfte und Mitarbeiter unternehmensweite Prozesse verstehen und leben, sind Innovationsfähigkeit, Flexibilität und erforderliche Schnelligkeit überhaupt möglich. Dazu müssen Prozesse End-to-End designt sein und allen Beteiligten – individuell wie Abteilungen – klare Rollen zugewiesen werden, die Kompetenzen, Informationspflichten, Entscheidungsbefugnisse usw. festlegen. Quelle: Fotolia
IT-Bereich neu positionierenDer IT-Bereich spielt in allen Fragen der Neuorganisation eine Schlüsselrolle, denn beinahe alle Prozesse werden heute in IT-Systemen abgebildet. Dementsprechend muss es künftig nicht nur Aufgabe der IT-Abteilung sein, dies zu implementieren – sondern vor allem den Anwendern den Zusammenhang zwischen IT-Applikation und jeweiligem Prozessschritt zu verdeutlichen. Damit einher geht die Chance, IT künftig als das zu positionieren, was es eigentlich ist: Die „Speerspitze“ in der Organisationsentwicklung. Das geht selbstverständlich nur, wenn Geschäftsführer ihre IT-Chefs bei allen Projekten vom ersten Tag an mit an den Planungstisch setzen. Quelle: Fotolia
Führungsstil verändernFührung kann nicht mehr nach dem „Meisterprinzip“ und damit nach der Vorgabe eines besten – und einzigen – Weges handeln. Vielmehr gilt es, Mitarbeitern den Sinn für ihre Aktivitäten zu vermitteln, die Werte und Einstellungen innerhalb der Teams zu synchronisieren, die Beiträge der Mitarbeiter querzudenken und mit Impulsen aus der Helikopter-Perspektive zu versehen. Potenziale der Mitarbeiter gilt es zu identifizieren und sie darin wachsen zu lassen. Damit ist die Führungskraft heute stärker als Personalentwickler, der Mitarbeiter selbst mehr als eigener „Steuermann“ gefordert. Quelle: Fotolia

Und Mycoskie hat angefangen, wie ein Trüffelschwein nach ähnlichen Erfolgsmodellen wie dem seinen zu fahnden. Über 150 Millionen Dollar von Mycoskies eigenem Geld liegen in der Kasse des Toms Social Entrepreneurship Fund. In 16 Unternehmen hat der Gründer bislang jeweils zwischen 25 000 und einer Million Dollar investiert. Die Idee, in ähnlich tickende Start-ups Geld zu stecken, ist naheliegend, weil sie genauso funktioniert wie das Unternehmen Toms selbst. One for One. Geld gegen Gutes. Ein Schneeballsystem.

Die entsprechenden Ressourcen, um seine Vision aufzupumpen wie einen Heißluftballon, hat Mycoskie, weil er 2014 die Hälfte seines Unternehmens für insgesamt 625 Millionen Dollar an das Private-Equity-Unternehmen Bain Capital verkauft hat. Dem US-Wirtschaftsmagazin „Inc.“ erzählte der für den Deal verantwortliche Managing-Director Ryan Cotton, er glaube bei Toms an drei Dinge: Mycoskie sei philantropischer Pionier. Er habe eine Horde begeisterter Kunden. Vor allem aber bringe Toms alle Voraussetzungen mit, um sich zu einer globalen Lifestylemarke zu entwickeln.

Nicht allen schmeckt diese Kombination aus gutem Tun und gutem Geld. „Die Entwicklungshilfe sollte nachhaltig vor Ort in Projekte investiert werden, um die Importabhängigkeit zu senken“, kritisiert etwa Jürgen Schupp, der am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Spendenverhalten untersucht. Ausschließlich in Südamerika, wie zu Beginn, lässt Toms seine Schlappen schon seit Jahren nicht mehr fertigen. Wie viele andere auch ist das Unternehmen gen China gezogen. „Hier wird mal wieder unter der Flagge von Charity ein neues Geschäftsmodell getestet“, sagt Schupp.

Mit diesen Problemen haben junge Chefs zu kämpfen

Der kommerzielle Erfolg jedoch ist nicht zu bestreiten. Laut einer Studie von JP Morgan könnte der Sektor Social Business in den nächsten zehn Jahren auf 400 Milliarden Dollar anschwellen. Vor allem aber wachsen die individuellen Corporate Funds wie der von Toms aufgelegte. Impact Investing nennt sich das dann. Unternehmen, die in soziale Unternehmen investieren.

Das globale Marktvolumen dieses Modells ist laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung zum Thema „Social Impact Investing in Deutschland“ zwischen 2012 und 2014 um mehr als 30 Prozent von geschätzten 7,5 Milliarden Euro weltweit auf derzeit etwa 11 Milliarden Euro gewachsen.

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