Hände schütteln, die alten Geschäfte Revue passieren lassen, die künftige Beziehung zwischen Kunde und Lieferant diskutieren: Eigentlich wollte Theresa von Fugler ganz in Ruhe bei der Betreiberin des Kosmetikinstituts in der Nähe von Karlsruhe vorbeischauen.
Eben so, wie sie es seit ihrem Start als Geschäftsleiterin für den Bereich professionelle Haut-, Nagel- und Körperpflege im Deutschland-Geschäft von L’Oréal Ende September regelmäßig tut. Von Fuglers Ziel: zusammen mit ihren Außendienstmitarbeitern ein besseres Gefühl bekommen für Kundenwünsche und Produktpalette. Vor allem die der Marken Decléor und Carita, die erst seit Mai zum Portfolio des französischen Kosmetikkonzerns gehören.
Doch was als routinierter Antrittsbesuch geplant ist, wird schnell zum Krisengespräch: Für mehrere Hundert Euro hatte die Kosmetikerin Tagescremes von Decléor bestellt. Die Verpackungen der hochwertigen Produkte aber sind völlig eingedrückt. Von Fugler entschuldigt sich bei der Kundin und spricht offen über die Probleme, wenn Marken den Eigentümer wechseln. In diesem Fall im L’Oréal-Logistikzentrum in Karlsruhe, in dem bisher nur Haarpflege-, aber keine Kosmetikprodukte verpackt wurden.
Von Fugler fotografiert die zerknautschte Schachtel, schickt das Foto an den verantwortlichen Manager und fragt direkt nach, wie die Ware künftig unbeschadet beim Kunden ankommen könne. 24 Stunden später haben die Logistiker eine Lösung: Ein zusätzlicher Karton im Karton verhindert nun, dass die Schachteln im Paket verrutschen und zerknautschen.
„Gerade in einer solchen Übergangsphase kommen viele kleine Herausforderungen zusammen“, sagt von Fugler. „Da muss man rasch und kreativ reagieren.“
Jung, talentiert, zielstrebig: Während Politik, Verbände und Unternehmen in einer zunehmend ermüdenden Diskussion über Pro und Contra der Frauenquote feststecken, machen immer mehr hoch qualifizierte Frauen unbeirrt Karriere. Übernehmen hochrangige Managementposten und Aufsichtsratssitze in global agierenden Unternehmen. Schaffen durch ihren Aufstieg Fakten, statt sich im Klein-Klein einer leidigen Quotendiskussion aufzureiben. Vertrauen lieber ihrem Können statt darauf, dass ein Gesetz den Weg nach oben frei räumt.
Frauen wie Theresa von Fugler, die die Frauenquote schlicht für „schwierig“ hält. „Wir sind die erste Generation, die die Chance hat, den Bann zu durchbrechen“, sagt sie. „Eine Generation, die wirklich erfolgreiche Frauen hervorbringt.“
Nach wie vor eher die Ausnahme als die Regel
Zugegeben: Top-Managerinnen wie von Fugler, Wiederhold oder Glang sind in deutschen Unternehmen nach wie vor eher die Ausnahme als die Regel. Laut aktueller Erhebungen der Initiative für mehr Frauen in die Aufsichtsräte (Fidar) sind nur knapp 6 Prozent der Vorstandsposten und 18 Prozent der 1669 Kontrollposten der in Dax, MDax, TecDax und SDax gelisteten Unternehmen mit Frauen besetzt. Noch.
Denn geht es nach der Bundesregierung, wird sich das ab 2016 ändern: Im November soll sich das Kabinett mit dem Gesetzentwurf zur Frauenquote befassen, damit sie 2015 in Kraft treten kann. Demnach sollen alle börsennotierten und voll mitbestimmungspflichtigen Unternehmen die Zahl ihrer weiblichen Aufsichtsräte auf 30 Prozent anheben. Das heißt: Alle frei werdenden Mandate müssen so lange an Frauen verteilt werden, bis die Zielmarke geknackt ist. Betroffen wären etwa 100 Unternehmen, davon 24 der 30 größten börsennotierten – allein diese müssten in den kommenden Jahren 38 Aufsichtsratsposten an Frauen vergeben –, also rund ein Drittel mehr als derzeit.
Zahlreiche Unternehmen stellen sich schon jetzt darauf ein: Adidas hat Henkel-Personalvorstand Kathrin Menges und Katja Kraus, Geschäftsführerin bei der Werbeagentur Jung von Matt/Sports, in sein Kontrollgremium geholt, im Bayer-Aufsichtsrat sitzt seit Ende April Henkel-Aufsichtsratschefin Simone Bagel-Trah. Die Deutsche Post hat Melanie Kreis vor wenigen Tagen zum Personalvorstand befördert und Outdoor-Unternehmen Jack Wolfskin Melody Harris-Jensbach an die Spitze gesetzt.
„Für Aufsichtsräte wie Vorstandsetagen gibt es ausreichend qualifizierte Bewerberinnen“, sagt Personalberater Heiner Thorborg, der vor sieben Jahren das Frauennetzwerk Generation CEO gegründet hat, dem mittlerweile 160 hochkarätige Frauen angehören. Darunter Sandrine Piret-Gérard, die im Februar zur Deutschland-Chefin des Pharmakonzerns Hexal aufstieg.
Dass solche Personalien künftig eher die Regel werden, bestätigt auch eine internationale Langzeitstudie der Unternehmensberatung Strategy&. „Wir erwarten, dass 2040 mehr als ein Drittel aller neu besetzten CEO-Posten an Frauen gehen“, sagt Klaus-Peter Gushurst, Sprecher der Geschäftsführung von Strategy&.
So viele Frauen fehlen in den Aufsichtsräten bei einer Frauenquote von 30 Prozent
Mitgliederzahl: 20
Frauen auf Arbeitnehmerseite: 2
Frauen auf Anteilseignerseite: 2
Männer die für die 30-Prozent-Quote weichen müssten: 1 je Seite
Aufsichtsräte der Dax 30, die unter das Quotengesetz fallen würden
Quelle: Hans- Böckler-Stiftung, eigene Recherche
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Dass sie schon früh das Zeug für eine steile Karriere mitbringt, beweist Theresa von Fugler mit Anfang 30: Damals arbeitet die promovierte Biochemikerin in Shanghai für den L’Oréal-Konkurrenten Henkel, bei dem sie fünf Jahre zuvor als Markenmanagerin angeheuert hatte. „Möchtest du Länderchefin für Vietnam werden?“, fragte sie der damalige Asien-Pazifik-Chef des Düsseldorfer Konsumgüterherstellers eines Abends völlig unvermittelt. Ein Feuerlöscherjob, stand doch die dortige Landesgesellschaft kurzfristig ohne Führung da. „Du kannst die Nacht drüber schlafen.“
Muss sie nicht. „Ich war sofort begeistert“, erinnert sich von Fugler. Dabei plagen sie nicht nur rückläufige Absatzzahlen, sondern auch regelmäßige Stromausfälle im Büro und Ratten in der Fabrik.
„In dieser Zeit hat sie unter Beweis gestellt, wie stark sie ist“, sagt Personalberater Thorborg. „Und dass sie sich unheimlich gut auf neue Situationen einstellen kann.“
Helmfestes Haargel
So auch bei der Einführung eines neuen Haargels, das andernorts beliebt ist, aber in Vietnam zum Ladenhüter verkommt. Fuglers Erkenntnis, nach langen Gesprächen mit ihrem vietnamesischen Marketingleiter: Weil Motorräder in Vietnam Fortbewegungsmittel Nummer eins sind und die Helme nach Auffassung der Kunden ohnehin jede Frisur zerstörten, ist Haargel kein Thema. Von Fuglers Lösung: Riesige Plakate in den größten Städten des Landes. „Wir haben unser Gel für helmfest erklärt.“ Der Umsatz des Produkts steigt – und trägt als eines von vielen Puzzleteilen dazu bei, das kränkelnde Geschäft zu beleben.
Doch nicht nur die Konsumenten ticken in Vietnam anders als in Europa – auch die Mitarbeiter. Dass von Fugler an einem ihrer ersten Tage über einen Mitarbeiter stolpert, der auf dem Boden im Besprechungsraum seinen Mittagsschlaf hält, ist noch ihr geringstes Problem: Vor allem muss sie die Geschäfte transparenter machen und die Prozesse dokumentieren. „Die Zeit war strapaziös“, sagt von Fugler. Weiß seitdem aber auch: „Nach Vietnam schaffe ich alles.“
Lohn ihrer akribischen Arbeit: ein Turnaround nach nicht mal sechs Monaten. Und das Angebot, die Stelle als Vietnam-Chefin unbefristet zu übernehmen. Doch sie lehnt ab. Geht erst mehrere Monate zurück in ihren alten Job, um danach ein halbes Jahr durch Asien zu reisen und in Laos Englisch zu unterrichten. Im Herbst 2010 kehrt sie nach Deutschland zurück, übernimmt bei Henkel die internationale Markenführung für Haarfärbemittel und wechselt ein Jahr später als Marketingdirektorin zum Konkurrenten L’Oréal. „Ich bin nicht ängstlich, aber ich habe damals erkannt, dass die Zeit noch nicht reif war“, sagt die Managerin. „Wenn man Menschen zu früh überfordert, hilft das niemandem.“
Diese gesunde Selbstwahrnehmung hat sie sich bis heute bewahrt. „Sie hört nie auf, sich und ihre Entscheidungen zu hinterfragen“, sagt von Fuglers Ex-Chefin Jutta Langer von L’Oréal.
Unumstößlich ist dagegen ein Termin Anfang 2015 – die Geburt ihres ersten Kindes. Läuft alles nach Plan, ist sie im Frühjahr nach zwei Monaten Babypause wieder zurück. Wie sie die Kinderbetreuung neben dem Vollzeitjob organisiert, weiß sie zwar im Detail noch nicht. „Aber nach Vietnam werde ich auch das schaffen.“