Tracking-App für Führungskräfte Eine App macht noch keinen guten Chef

Seite 2/2

Das sagen Management-Coaches über die App

Die Selbstreflektion soll die Mitarbeiter vital halten und psychischen Krankheiten wie Burn-out vorbeugen. Aus Erfahrung weiß Management-Coach Johannes Schmeer, dass in der Realität viele überforderte Chefs weder auf Partner und Ärzte noch auf die Warnhinweise ihres eigenen Körpers hören. "Jeder Chef hat eine innere, viel komplexere App, die ihn frühzeitig darüber informiert, dass er gestresst ist", sagt Schmeer. Aber anstatt auf die innere Stimme zu hören, werfen laut dem Management-Coach viele lieber eine Kopfschmerztablette oder andere Medikamente ein, um leistungsfähig zu bleiben. "Wieso sollte ein Chef dann auf eine App hören?", fragt Schmeer. Küblers Antwort: "Weil der Chef durch die konkreten Impulse immer wieder mit seiner Situation und deren Auswirkungen konfrontiert wird und Hilfestellungen bekommt."

Wie eine App den Chef in individuellen und komplexen Führungssituationen – zum Beispiel, wenn es Streit zwischen zwei Mitarbeitern gibt – helfen soll, ist Management-Coach Sibylle Schuld allerdings ein Rätsel. "Führungstipps über eine App können nur allgemeine Impulse geben. In solchen Situationen brauchen der Chef und die Mitarbeiter aber meist individuelle Unterstützung von außen", sagt Schuld. Denn sie zweifelt daran, dass eine App dem Chef vermitteln kann, wie er seine Botschaft formulieren und welchen Ton er anschlagen soll. Kübler sieht die Anwendung als Ergänzung zum Coaching. "Die App ist gerade dann sinnvoll, wenn der Chef in der Konfliktsituation keinen Ansprechpartner parat hat", meint Kübler.

Das tun Führungskräfte für ihre Gesundheit
Grillwurst Quelle: dpa
vegetarische Suppe Quelle: dpa Picture-Alliance
Vitaminpillen auf einem Löffel Quelle: dpa
drei Leute joggen Quelle: dpa
Zigaretten Quelle: dpa
Frauen in einer Saune Quelle: dpa Picture-Alliance
Menschen machen Yoga am Times Square Quelle: AP

Schmeers Erfahrung ist, dass nahezu jede Führungskraft intuitiv weiß, was in einer Konfliktsituation zu tun ist – ohne auf eine App zu schauen. "Viele Führungskräfte haben einfach keine Lust, einen Konflikt auszutragen. Oder noch viel schlimmer: Angst davor", sagt Schmeer. Die App würde daran nichts ändern. Kübler sieht das anders: "Auch wenn die Chefs schon ahnen, wie sie sich verhalten müssen, kann die Anwendung sie in ihrem Handeln bestärken."

Beide Coaches befürchten durch die App die selbsterfüllende Prophezeiung: Wenn die Anwendung dem Chef sagt, dass er wenig Energie hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Tag aufgrund seiner Erwartungshaltung auch schlechter als üblich verläuft.

Experten sehen App als Nischenprodukt

Die Management-Coaches haben ihre Zweifel daran, dass sich die neue Anwendung flächendeckend in großen deutschen Unternehmen etablieren wird. "Eine App mit dem Ziel, Führungskräfte in ihrem Alltag zu unterstützen, ist eine Idee, die bei technikbegeisterten Menschen sicher auf Zustimmung treffen wird. Sie kann sicherlich im Rahmen eines mehrmedialen Coaching-Programmes einen wertvollen Beitrag leisten", sagt Schuld. Während Leada-Chef Kübler überzeugt ist, dass vier von zehn Führungskräften technikaffin sind, glaubt Schuld allerdings, dass sich die Anwendung zu einem Nischenprodukt entwickeln wird.

Nach Ansicht von Schmeer wird das Nischenprodukt schnell zum Auslaufmodell werden. Seine Prophezeiung: Erst nutzen die Chefs die App, weil sie neu ist, dann holt sie aber der stressige Alltag ein. "Nach einigen Wochen wird das Navigationssystem bei vielen zu einer toten Anwendung auf dem Smartphone", sagt Schmeer.

Leada plant bereits neue Features

Das Team rund um Frank Kübler arbeitet bereits an einer neuen Version, bevor die aktuelle überhaupt auf dem Markt ist. "Wir wollen das Assistenzsystem zukünftig durch die klassischen Funktionen eines Wearables ergänzen", sagt Kübler. Dann sollen Chefs mit der App auch den Puls und die Herzfrequenz messen können, wenn sie möchten – und noch genauere Daten zu ihrer Leistungsfähigkeit erhalten.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%