Tracking-App für Führungskräfte Eine App macht noch keinen guten Chef

Das Start-up Leada hat eine App entwickelt, die Manager darüber informiert, wie leistungsfähig sie sind. Wie das Navi für Führungskräfte funktioniert und was der Chef-Tracker wirklich bringt.

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Das Start-up Leada hat eine App für Chefs entwickelt. Quelle: Fotolia

Der moderne Chef hat einen neuen besten Freund: Eine App, die ihm sagt, wie er als Führungskraft performt. Hin und wieder bekommt er ein aufrichtiges Lob. Wenn die Leistung nachlässt, gibt es aufbauende Worte oder Tipps. Doch dafür verlangt der digitale Begleiter eine Gegenleistung: Sein Nutzer muss ihn den ganzen Tag mit persönlichen Daten füttern.

Jedes moderne Auto ist heutzutage mit einem Assistenzsystem ausgestattet. Da ist die digitale Krücke für den zeitgemäßen Chef längst überflüssig. Das dachte sich zumindest Frank Kübler, Chef des zehnköpfigen Start-ups Leada, das seit 2007 an einem Navigationssystem für Führungskräfte arbeitet: Es soll seinem Nutzer Aufschluss darüber geben, wie leistungsfähig er im Alltag ist. Für die Anwendung hat Leada dieses Jahr den IT-Innovationspreis erhalten.

Das junge Unternehmen gehört zum Coaching-Konzern Synk Group, der mit 20.000 Führungskräften zusammenarbeitet. Ein Großteil testet die App derzeit. Ab Juni soll die Anwendung im App-Store erhältlich sein: für 500 Euro pro Mitarbeiter und Jahr. "Um sich weiterzuentwickeln, müssen Chefs sich über Seminare hinaus auch im Alltag reflektieren. Die Anwendung soll diese Lücke schließen", sagt Kübler.

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Dabei erweist sich das Navigationssystem als äußerst neugierig. Nach dem Aufstehen will die App wissen, wie energiegeladen der Chef in den Tag startet: auf einer Skala von null bis 100 Prozent. Gibt er nur einen geringen Wert an, will die Anwendung mit weiteren Daten gefüttert werden: Hat die Führungskraft schlecht geschlafen? Ärgert sie sich über etwas? – Ja? Prompt gibt das Chef-Navi Vorschläge, wie sie ihre Situation verbessern kann. "Die Lösungsvorschläge sind immer dialogorientiert", sagt Kübler.

Bevor es an die Arbeit geht, kann der Chef seine drei wichtigsten Tagesziele definieren. Zwischendurch stellt die App ein paar Fragen, wie nah er seinen Zielen bereits gekommen ist. Am Abend folgt der Check: Ziele erreicht? Haben die Mitarbeiter ihn unterstützt – oder ist er unter Zeitdruck geraten? Am Wochenende folgt das große Finale: Die App zieht Bilanz, wie energiegeladen sein Nutzer in den vergangenen Tagen war, wie viele Tagesziele er erreicht hat und wie gut er nach der Arbeit abschalten konnte. Die Informationen werden dann anonym an die nächst höhere Dienststelle weitergeleitet – damit das gesamte Unternehmen einen Nutzen aus der App zieht.

Was gute Führung ausmacht

Die Anwendung hört sich im sowieso schon stressigen Alltag einer Führungskraft erst einmal nach einem weiteren Zeitfresser an. Doch die App soll laut Hersteller pro Tag nur drei bis fünf Minuten in Anspruch nehmen. "Die App strapaziert den Arbeitsfluss nicht", sagt Kübler. Wer allerdings öfter Tipps anfordert, der verbringt auch schon mal zehn Minuten pro Tag mit der App.

Das sagen Management-Coaches über die App

Die Selbstreflektion soll die Mitarbeiter vital halten und psychischen Krankheiten wie Burn-out vorbeugen. Aus Erfahrung weiß Management-Coach Johannes Schmeer, dass in der Realität viele überforderte Chefs weder auf Partner und Ärzte noch auf die Warnhinweise ihres eigenen Körpers hören. "Jeder Chef hat eine innere, viel komplexere App, die ihn frühzeitig darüber informiert, dass er gestresst ist", sagt Schmeer. Aber anstatt auf die innere Stimme zu hören, werfen laut dem Management-Coach viele lieber eine Kopfschmerztablette oder andere Medikamente ein, um leistungsfähig zu bleiben. "Wieso sollte ein Chef dann auf eine App hören?", fragt Schmeer. Küblers Antwort: "Weil der Chef durch die konkreten Impulse immer wieder mit seiner Situation und deren Auswirkungen konfrontiert wird und Hilfestellungen bekommt."

Wie eine App den Chef in individuellen und komplexen Führungssituationen – zum Beispiel, wenn es Streit zwischen zwei Mitarbeitern gibt – helfen soll, ist Management-Coach Sibylle Schuld allerdings ein Rätsel. "Führungstipps über eine App können nur allgemeine Impulse geben. In solchen Situationen brauchen der Chef und die Mitarbeiter aber meist individuelle Unterstützung von außen", sagt Schuld. Denn sie zweifelt daran, dass eine App dem Chef vermitteln kann, wie er seine Botschaft formulieren und welchen Ton er anschlagen soll. Kübler sieht die Anwendung als Ergänzung zum Coaching. "Die App ist gerade dann sinnvoll, wenn der Chef in der Konfliktsituation keinen Ansprechpartner parat hat", meint Kübler.

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Schmeers Erfahrung ist, dass nahezu jede Führungskraft intuitiv weiß, was in einer Konfliktsituation zu tun ist – ohne auf eine App zu schauen. "Viele Führungskräfte haben einfach keine Lust, einen Konflikt auszutragen. Oder noch viel schlimmer: Angst davor", sagt Schmeer. Die App würde daran nichts ändern. Kübler sieht das anders: "Auch wenn die Chefs schon ahnen, wie sie sich verhalten müssen, kann die Anwendung sie in ihrem Handeln bestärken."

Beide Coaches befürchten durch die App die selbsterfüllende Prophezeiung: Wenn die Anwendung dem Chef sagt, dass er wenig Energie hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Tag aufgrund seiner Erwartungshaltung auch schlechter als üblich verläuft.

Experten sehen App als Nischenprodukt

Die Management-Coaches haben ihre Zweifel daran, dass sich die neue Anwendung flächendeckend in großen deutschen Unternehmen etablieren wird. "Eine App mit dem Ziel, Führungskräfte in ihrem Alltag zu unterstützen, ist eine Idee, die bei technikbegeisterten Menschen sicher auf Zustimmung treffen wird. Sie kann sicherlich im Rahmen eines mehrmedialen Coaching-Programmes einen wertvollen Beitrag leisten", sagt Schuld. Während Leada-Chef Kübler überzeugt ist, dass vier von zehn Führungskräften technikaffin sind, glaubt Schuld allerdings, dass sich die Anwendung zu einem Nischenprodukt entwickeln wird.

Nach Ansicht von Schmeer wird das Nischenprodukt schnell zum Auslaufmodell werden. Seine Prophezeiung: Erst nutzen die Chefs die App, weil sie neu ist, dann holt sie aber der stressige Alltag ein. "Nach einigen Wochen wird das Navigationssystem bei vielen zu einer toten Anwendung auf dem Smartphone", sagt Schmeer.

Leada plant bereits neue Features

Das Team rund um Frank Kübler arbeitet bereits an einer neuen Version, bevor die aktuelle überhaupt auf dem Markt ist. "Wir wollen das Assistenzsystem zukünftig durch die klassischen Funktionen eines Wearables ergänzen", sagt Kübler. Dann sollen Chefs mit der App auch den Puls und die Herzfrequenz messen können, wenn sie möchten – und noch genauere Daten zu ihrer Leistungsfähigkeit erhalten.

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